24 | ZAHNMEDIZIN DER BESONDERE FALL AUS DER MKG-CHIRURGIE Orbitale Komplikation bei odontogener Sinusitis Thomas Austermann, Torsten Schweiger, Anton Dunsche, Rainer Weber Die odontogene Sinusitis ist nicht selten Ursache weitergehender Komplikationen. Bei einseitigen entzündlichen periorbitalen Schwellungen, die sich insbesondere von kaudal entwickeln, ist immer eine odontogene Genese auszuschließen. Ein Exophthalmus, Doppelbilder, Einschränkungen der Bulbusmotilität oder eine Visusminderung sind Warnzeichen einer weitergehenden orbitalen Komplikation – wie dieser Fall zeigt. Bei frühzeitiger zielgerichteter Intervention kann ein Visusverlust vermieden werden. Im Januar 2023 stellte sich eine 44-jährige Patientin nachmittags notfallmäßig mit einer ausgedehnten Schwellung des linken Mittelgesichts einschließlich des linken Auges vor. Sie berichtete, dass ihr der Hauszahnarzt zwei Tage zuvor wegen Zahnschmerzen und Schwellung einen Zahn im linken Oberkiefer entfernt habe. Seit dem Eingriff fühle sie sich krank. Ihr Auge sei gerötet und in der vergangenen Nacht habe sie plötzlich Doppelbilder gesehen. Am Morgen sei eine Visusminderung am linken Auge hinzugekommen. Sie habe keine Allgemeinerkrankungen, sei nicht immunkompromittiert und nehme keine Dauermedikation ein. Es bestand eine erhebliche Schwellung der linken Wangen- und Periorbitalregion, dazu eine Chemosis und eine Bindehautrötung. Der Augapfel war palpatorisch verhärtet, druckdolent und stand aus der Augenhöhle vor (Exophthalmus). Weiterhin lagen bei der grob orientierenden Untersuchung eine Visusminderung links und eine Motilitätseinschränkung beim Blick nach oben vor. Doppelbilder wurden beim Blick geradeaus und nach oben wahrgenommen. Enoral zeigten sich eine frische Extraktionsalveole 25, eine Freiendsituation distal des Zahnes 24, ein verstrichenes Vestibulum im zweiten Quadranten sowie ein deutlicher Druckschmerz an der Kieferhöhlenvorderwand. Die Zähne 24, 23, 22, 21 waren perkussionsunempfindlich und reagierten sensibel auf Kälte (Abbildungen 1 bis 3). Eine Einschränkung beim Sehen von Farben bestand nicht, wohl aber die subjektive Visusminderung und die Bewegungsstörung des Bulbus. Beides weist auf ein Chandler-Stadium mindestens III (subperiostaler Abszess meist ohne Visusminderung) oder gar IV (intraorbitaler Abszess oder diffuse Entzündungsausbreitung in der Orbita, Orbitaphlegmone) nach der Einteilung von Chandler [1970] hin. Sowohl im Stadium III mit Visusminderung als auch im Stadium IV liegt eine dringliche Operationsindikation zur Drainage/Entfernung von Abszess beziehungsweise Retention, Druckentlastung und Schaffung freier Drainagewege der Nasennebenhöhlen vor [Weber, 2015; Craig et al., 2021; 2022]. Aus diesem Grund wurde bereits nach der ersten klinischen Befundaufnahme ein Notfall-CT mit Kontrastmittel angemeldet, ein augenärztliches Konsil gestellt und der diensthabende HNOKollege konsiliarisch hinzugezogen. Zwischenzeitlich war ein DVT durchgeführt worden, das einen Wurzelrest 25 als offensichtliche Ursache der odontogenen Sinusitis maxillaris zeigte, die sich zudem auf Siebbein und Stirnhöhle ausgedehnt hatte (Abbildung 4). Während der Anmeldungen und Konsilanforderungen wurde notfallmäßig in Lokalanästhesie der in situ verbliebene Wurzelrest 25 mittels Osteotomie entfernt und die Kieferhöhle über die Alveole eröffnet. Das Kieferhöhlenempyem wurde entlastet und ein Drainageröhrchen eingelegt. Es kam zu reichlich Abfluss übelriechenden Abb. 1: En face-Aufnahme: Deutliche Gesichtsasymmetrie, Schwellung der linken Wange und periorbital, Chemosis und Bindehautrötung. zm115 Nr. 05, 01.03.2025, (314) Foto: Städtisches Klinikum Karlsruhe
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