Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 5

26 | ZAHNMEDIZIN blind breit und dann antibiogrammgerecht durchgeführt. Die histopathologische Untersuchung der Abszesskapsel ergab das Vorliegen einer hochgradig eitrigen Entzündung mit Übergreifen auf die Knochenlamellen. Diskussion Die odontogene Sinusitis entsteht in der Folge einer odontogenen Infektion oder einer zahnmedizinischen Behandlung. Sie ist von der meist beidseitigen rhinogenen Sinusitis abzugrenzen. Ihre Ursachen sind in absteigender Häufigkeit eine persistierende Mund-Antrum-Verbindung, eine apikale Parodontitis, ein Wurzelrest, eine Parodontitis, häufig mit Paro-Endo-Läsion, die Periimplantitis, gelegentlich auch odontogene Zysten, dislozierte Zähne oder Augmentationsmaterial nach Perforation der Schneider’schen Membran. Odontogene Sinusitiden können bei einer Ausbreitung in Richtung Auge, Gehirn, Sinusvenen oder bei einer Durchwanderung knöcherner Strukturen lebensbedrohlich sein. Die Häufigkeit einer odontogenen Sinusitis wird meist unterschätzt. Laut Melen et al. haben 40,6 Prozent der Patienten mit einer länger als drei Monate bestehenden Kieferhöhlensymptomatik eine odontogene Sinusitis [Melen et al., 1986; Turfe et al., 2019]. Ist eine Sinusitis maxillaris einseitig, so ist sie eher odontogen, besonders bei üblem Geruch. Bei der einseitigen Sinusitis maxillaris sollte immer eine odontogene Ursache ausgeschlossen werden. Dabei ist neben der klinischen Untersuchung mit Perkussion und Vitalitätsproben aller Zähne der betroffenen Oberkieferseite eine radiologische Diagnostik notwendig. In der Regel reicht eine Panoramaschichtaufnahme aus. Gelegentlich ist eine Einzelzahndiagnostik mit Zahnfilmaufnahme notwendig. Selten ist eine DVT indiziert. Aus HNO-Sicht und mit der Frage einer behandlungspflichtigen Sinusitis ist immer eine CT-/DVT-Diagnostik erforderlich beziehungsweise auch eine MRT, wenn es um orbitale oder endokranielle Komplikationen geht. Dies ist auch insofern wichtig, als dass die odontogene Sinusitis zu 88 Prozent das vordere Siebbein und bis zu 36 Prozent die Stirnhöhle involvieren kann [Turfe et al., 2019]. In einem aktuellen systematischen Review von 110 Fällen einer über die Nasennebenhöhlen hinausgehenden entzündlichen Komplikation waren 69 Prozent orbital, 19 Prozent endokraniell, acht Prozent orbital und endokraniell und vier Prozent ossär [Craig et al., 2022]. Dabei zeigte sich, dass in 16,1 Prozent der Fälle eine Zahnextraktion ohne MAV und in 3,2 Prozent der Fälle eine Zahnextraktion mit MAV in der Vorgeschichte der komplikationsbehafteten odontogenen Sinusitis eruierbar war. Hauptursache mit 62,9 Prozent der Fälle bleibt eine apikale Parodontitis. In 80 Prozent der Fälle ist der Fokuszahn ein Molar, in zwölf Prozent der Fälle ein Prämolar, in fünf Prozent der Fälle ein Schneidezahn und in drei Prozent der Fälle ein Eckzahn [Turfe et al., 2019]. Die orbitale Komplikation ist an der periorbitalen Schwellung und Rötung erkennbar. Die Ausbreitung der Infektion über die Kieferhöhle hinaus – und damit das Eintreten der Komplikation – ist eine Kombination aus der Aggressivität des Erregers, der Stärke beziehungsweise Schwäche der Immunabwehr und lokaler Drainage der Nasennebenhöhlen, die auch als Teil der lokalen Immunabwehr anzusehen ist. Die Therapie besteht folgerichtig in der Antibiotikagabe, der Entfernung und Drainage von Abszess/Empyem sowie der Drainage der beteiligten Nasennebenhöhlen und der Beseitigung des auslösenden dentogenen Herdes. Im klinischen Ablauf ist die möglichst frühzeitige Gabe eines geeigneten Antibiotikums wichtig. Gleichzeitig muss über den klinischen Befund und die Bildgebung geklärt werden, ob eine kurzfristige operative Drainage eines (subperiostalen) Orbitaabszesses indiziert ist. Dies ist zum Beispiel bei einer Visusverschlechterung der Fall. Im Rahmen einer solchen Operation kann dann die Therapie der odontogenen Ursache interdisziplinär im gleichen Eingriff erfolgen. zm115 Nr. 05, 01.03.2025, (316) Torsten Schweiger Oberarzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Städtisches Klinikum Karlsruhe gGmbH Moltkestr. 90, 76133 Karlsruhe Foto: privat Prof. Dr. med. Rainer Weber Sektion Nasennebenhöhlen- und Schädelbasischirurgie, HNO-Klinik, Städtisches Klinikum Karlsruhe gGmbH Moltkestr. 90, 76133 Karlsruhe Foto: privat Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Anton Dunsche Direktor der Klinik für Mund-, Kieferund Gesichtschirurgie, Städtisches Klinikum Karlsruhe gGmbH Moltkestr. 90, 76133 Karlsruhe Foto: Markus Kümmerle Dr. med. Dr. med. dent. Thomas Austermann Assistenzarzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Städtisches Klinikum Karlsruhe gGmbH Moltkestr. 90, 76133 Karlsruhe ThomasBruno.Austermann@klinikumkarlsruhe.de Foto: privat

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