28 | ZAHNMEDIZIN Die Therapie des odontogenen Fokus kann ohne Nachteil für den Patienten auch zweizeitig erfolgen [Craig, 2024]. Zhao et al. führten bei 48 Patienten mit einer odontogenen Sinusitis eine alleinige endoskopische Nasennebenhöhlenoperation durch, ohne den Zahnherd zu sanieren. Immer wurde der natürliche Drainageweg zur Kieferhöhle erweitert, weitere Maßnahmen wurden dem Ausmaß der Entzündung angepasst. Im Verlauf von sechs Monaten kam es nur bei einem Patienten zu einem Rezidiv der Sinusitis, wonach der verursachende Zahn entfernt wurde [Zhao et al., 2023]. Wir empfehlen nicht, einen Zahnherd zu belassen. Diese Daten zeigen vielmehr, dass ein zweizeitiges Vorgehen ohne Zeitdruck möglich ist. Auch bei unserer Patientin muss von einem längeren Bestehen der Sinusitis ausgegangen werden. Die Nasennebenhöhlenoperation erfolgt endoskopisch, außer in den wenigen Fällen, wenn der lateral liegende Befund von endonasal nicht zu erreichen ist [Weber, 2015]. Zu beachten ist, dass die korrekt durchgeführte endoskopische Nasennebenhöhlenoperation und gegebenenfalls die Drainage des Orbitaabszesses den natürlichen Drainageweg optimal freimacht. Zusätzliches Einlegen einer Drainage über den Mundvorhof ist nicht erforderlich. Eine Fensterung über den unteren Nasengang zur Drainage muss als obsolet bezeichnet werden [Weber, 2015]. Ziel ist, einen dauerhaften Schaden bis zur Erblindung zu verhindern. Bezüglich der Sehkraft im Verlauf einer orbitalen Komplikation konnten Craig et al. zeigen, dass 85,4 Prozent der Patienten eine Motilitätseinschränkung und 68,8 Prozent der Patienten eine Visusverminderung bei Vorstellung angeben. Nach einer Intervention zeigte sich eine Verbesserung der Motilitätseinschränkung in 86,1 Prozent der Fälle und eine Verbesserung der Visusminderung in 50 Prozent der Fälle [Youssef et al., 2008; Erickson et al., 2015]. Bei der Antibiotikatherapie ist zu beachten, dass das eingesetzte Antibiotikum ein breites Wirkspektrum im anaeroben Bereich abdecken sollte [Yassin-Kassab et al., 2021; Saibene et al., 2016]. In einer mikrobiologischen Untersuchung der Abszessinhalte zeigten zm115 Nr. 05, 01.03.2025, (318) FAZIT FÜR DIE PRAXIS Odontogene Sinusitiden werden in der Häufigkeit unterschätzt. Komplikative odontogene Sinusitiden können fulminante Verläufe zeigen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von MKG-Chirurgie, HNO-Heilkunde, Augenheilkunde und gegebenenfalls Neurochirurgie ist essenziell. Eine zügige zielgerichtete Intervention ist anzustreben. Ein zweizeitiges Vorgehen bezüglich der Fokussanierung ist ohne Zeitdruck möglich. Abb. 6b: Computertomografie, axiale Ansicht: Darstellung des subperiostalen Abszesses, Exophthalmus deutlich erkennbar Abb. 7: Intraoperatives Bild (45° Optik): 1 = Blick auf Orbita links mit intakter Periorbita nach Wegnahme der Lamina papyracea und Drainage eines subperiostalen Abszesses (purulente Sekretreste); 2 = verdickte und eröffnete Periorbita; 3 = Intraorbitaler Abszess; 4 = Schädelbasis (Siebbeindach); 5 = Offene Kieferhöhle über den mittleren Nasengang Abb. 6a: Computertomografie, koronare Ansicht: Darstellung des subperiostalen Abszesses in der linken Orbita medial mit umgebender Phlegmone Fotos: Städtisches Klinikum Karlsruhe 1 2 4 4 3 5 5 a b
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