Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 5

TITEL | 33 64 Querschnitts- und zehn Kohortenstudien eingeschlossen. Sie stammen aus China (n=45), Indien (n=12), Iran (n=4), Mexiko (n=4), Kanada (n=3), Pakistan (n=2), Dänemark (n=1), Neuseeland (n=1), Spanien (n=1) und Taiwan (n=1). In 19 Studien wurde die Exposition individuell durch die Bestimmung der Fluorid-Aufnahme oder der FluoridAusscheidung im Urin ermittelt. In den restlichen 55 Studien erfolgte die Bestimmung auf Gruppenbasis, zum Beispiel auf Grundlage des Fluoridgehalts im Trinkwasser in einem Versorgungsgebiet. Für 52 Studien wurde nach dem„Office of Health Assessment and Translation“(OHAT)-Verfahren ein hohes systematisches Verzerrungsrisiko (Bias) festgestellt, für die verbleibenden 22 ein geringes. Insgesamt ergaben 64 Studien eine inverse Beziehung zwischen der FluoridExposition und dem IQ der Kinder. Das bedeutet: Je höher je nach Studiendesign die prä- beziehungsweise postnatale Fluorid-Exposition, desto stärker reduzierte sich der IQ. Die Analyse von 59 Studien (47 hohes Risiko für methodische Verzerrungen, 12 niedriges Risiko) mit Messungen von Fluorid im Trinkwasser auf Gruppenebene, Zahnfluorose oder anderen Indikatoren der Fluorid-Exposition, ergab eine standardisierte mittlere Differenz (SMD) von -0,45 (95 Prozent Konfidenzintervall: –0,57 bis –0,33; p < 0,001) im Vergleich zu nicht exponierten Kindern. In den 31 Studien, in denen die Fluoridkonzentration im Trinkwasser gemessen wurde, lag die Differenz (SMD) des IQ zwischen exponierten Gruppen und nicht exponierten Referenzgruppen bei –0,15 (95 Prozent-Konfidenzintervall –0,20 bis –0,11; p < 0,001). Der Zusammenhang blieb auch erhalten, wenn die exponierten Gruppen weniger als 4 Milligramm Fluorid pro Liter Trinkwasser und auch weniger als 2 Milligramm pro Liter Trinkwasser aufnahmen. Bei weniger als 1,5 Milligramm Fluorid pro Liter Trinkwasser war kein Zusammenhang mehr feststellbar. Wenn die Analysen allerdings auf Studien mit niedrigem Bias beschränkt wurden, blieb der Zusammenhang auch bei Konzentrationen unterhalb von 1,5 Milligramm Fluorid pro Liter Trinkwasser erhalten. In 20 Studien wurde Fluorid im Urin gemessen. Auch hier gab es eine inverse Dosis-Wirkungs-Beziehung. Die SMD lag bei −0,15 (95 Prozent Konfidenzintervall –0,23 bis –0,07; p < 0,001). Der Zusammenhang blieb erhalten, wenn die Fluoridkonzentration im Urin unter vier Milligramm pro Liter, unter zwei Milligramm pro Liter und unter 1,5 Milligramm pro Liter lag. Die Analyse von 13 Studien mit Messungen auf individueller Ebene ergab einen Rückgang des IQ um 1,63 Punkte (95 Prozent Konfidenzintervall –2,33 bis –0,93; p < 0,001) pro ein Milligramm pro Liter Anstieg des Fluorids im Urin. Bei Studien mit geringem Bias-Risiko sank der IQ um 1,14 Punkte (95 Prozent Konfidenzintervall –1,68 bis –0,61; p < 0,001) pro ein Milligramm pro Liter Anstieg des Fluorids im Urin. Es zm115 Nr. 05, 01.03.2025, (323) DGKIZ WARNT VOR FEHLINTERPRETATIONEN Die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) warnt bei der Metaanalyse von Taylor et al. über Assoziationen von Fluoridexposition und dem Intelligenzquotienten (IQ) bei Kindern vor „falschen Schlüssen“. Dabei bescheinigt die Gesellschaft den Forschenden ein „formal korrektes“ Studiendesign und eine „angemessene Datenauswertung“ – die Ergebnisse seien „methodisch stimmig“. Allerdings weist die DGKiZ darauf hin, dass die Ergebnisse in erheblichem Umfang von dem Vorgehen und der Qualität der in die Metaanalyse einbezogenen Studien abhängig seien. Eine große Anzahl der eingeschlossenen Studien (45 von 74 Untersuchungen) stammt aus China, und zwar vielfach aus Gebieten, in denen nicht nur sehr hohe, natürlicherweise im Trinkwasser vorkommende Fluoridkonzentrationen, sondern auch das Element Arsen mit potenziell schädigenden Effekten gefunden wurden. Die Schlussfolgerungen aus der Studie hätten keine Bedeutung für deutsche Verhältnisse: Fluoridwerte im Trinkwasser hierzulande seien unbedenklich und die Fluoridierung als eine der wichtigsten Strategien der Kariesprophylaxe werde von den Ergebnissen keinesfalls infrage gestellt. Vielmehr gelte es, Missverständnissen und verzerrenden Darstellungen entgegenzuwirken. Zur Bekräftigung ihrer Argumentation verweist die DGKiZ auf eine im vergangenen Jahr erschienene Studie aus Odense in Dänemark [Grandjean et al., 2024]. Dort beträgt der Fluoridgehalt im Trinkwasser 0,2–0,3 parts per million und entspricht damit den für Deutschland angegebenen Werten. Der Fluoridgehalt in Zahnpasten für Kinder beträgt in Dänemark wie in Deutschland 1.000 parts per million [Schiffner, 2024]. In dieser Untersuchung haben sich die kognitiven Fähigkeiten der Kinder als vollkommen unabhängig vom Fluoridgehalt im Urin der werdenden Mutter erwiesen. Eine weitere aktuelle bevölkerungsbezogene Longitudinalstudie aus Australien kommt zu dem Schluss, dass eine Fluorid-Exposition in der frühen Kindheit nicht negativ mit der kognitiven Neuroentwicklung verbunden ist [Do et al., 2024]. Bei etablierter Trinkwasser-Fluoridierung wird hier bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ab 16 Jahren nachgewiesen, dass ihre kognitive Entwicklung nicht eingeschränkt ist. Damit bestätigt die Arbeitsgruppe ein Ergebnis, das sie zuvor bereits bei Kindern aufgezeigt hatte. Prof. Dr. Ulrich Schiffner, Beirat der DGKiZ, resümiert: „Die Kariesprophylaxe mit Fluorid gilt als der Schlüssel zu dem in Deutschland in den letzten Jahrzehnten erzielten drastischen Rückgang der Karies bei Kindern und Jugendlichen. Keinesfalls darf dieser Erfolg durch fahrlässige Vermengung mit kritisierten Studien, die zudem für uns nicht relevant sind, aufs Spiel gesetzt werden. Die bewährten Konzepte der Kariesprophylaxe bei Kindern mithilfe von Fluorid sind konsequent beizubehalten.“

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