34 | TITEL wird nicht berichtet, ab welchem Expositionslevel dieser Zusammenhang besteht. Der Zusammenhang blieb erhalten, wenn die Ergebnisse im Hinblick auf Bias, Geschlecht, Alter, Art der Ergebnisauswertung, Land, Expositionszeit und Expositionsmatrix geschichtet wurden. Das Autorenteam gibt an, dass die meisten in die Analyse einbezogenen Studien Querschnittsstudien waren und methodische Mängel aufwiesen. Die Konsistenz des gefundenen Zusammenhangs sowohl in den Studien mit hohem als auch in denen mit niedrigem Bias-Risiko verringert jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass die gefundenen Zusammenhänge durch Bias oder Confounder erklärt werden können. Bewertung Dass ab einer bestimmten Grenze ein Zusammenhang zwischen prä- und möglicherweise postnataler systemischer Fluoridaufnahme und dem IQ von Kindern besteht, scheint nach dieser Metaanalyse unzweifelhaft. Über das Alter der Kinder, deren Daten in die Analyse eingeflossen sind, wurde in der Studie keine Angabe gemacht. An einer Stelle wird erklärt, dass auch über zehnjährige Kinder in einer der Studien untersucht wurden. Die Metaanalyse umfasste sowohl Studien, in denen die pränatale Fluorid-Exposition mit dem IQ der Kinder korreliert wurde, als auch Studien, in denen die Fluorid-Exposition bereits geborener Kinder herangezogen wurde. Es kann also keine Aussage darüber getroffen werden, ob der gefundene Zusammenhang auf die pränatale systemische Fluorid-Exposition beschränkt ist, noch bis zu welchem Alter ein Nachteil erworben werden kann und ob er bis ins Erwachsenenalter bestehen bleibt. Die im Zusammenhang mit der Fluorid-Exposition gefundenen geringeren IQs waren insgesamt in einem niedrigen Bereich zwischen 0,15 und 1,63 IQ-Punkten angesiedelt. Der Durchschnitt des IQ liegt bei 100. Wichtig ist die Feststellung, dass nur systemisch aufgenommenes Fluorid für den gefundenen Zusammenhang relevant ist. Fluorid aus Mundhygieneprodukten spielt hier keine relevante Rolle. Implikationen für Deutschland Nach Angabe der Autoren stammt die systemische Fluoridaufnahme in den USA zu 75 Prozent aus Trinkwasser und Getränken, die mit Trinkwasser hergestellt werden. In den USA erhalten 73 Prozent der Bevölkerung fluoridiertes Trinkwasser mit einer Fluoridkonzentration von 0,7 parts per million [Fluoride Action Network]. In Deutschland ist der Fluoridgehalt im Trinkwasser ausschließlich natürlichen Ursprungs und liegt fast überall unter 0,3 parts per million und damit weit unter der untersten Schwelle von 1,5 parts per million, die in der vorliegenden Metaanalyse untersucht wurde. Die systemische Fluoridzufuhr erfolgt in Deutschland im Wesentlichen über Trinkwasser, Nahrungsmittel und fluoridiertes Speisesalz. Nach einer Zusammenstellung der Informationsstelle für Kariesprophylaxe (IfK) liegt die maximale durchschnittliche systemische Fluoridaufnahme in Deutschland bei Kindern zwischen 0,44 (sechs bis zwölf Monate) und 1,03 Milligramm (vier bis sechs Jahre). Dabei sind die Verwendung von fluoridiertem Speisesalz (0,04 bis 0,09 Milligramm Fluorid) sowie das vollständige Verschlucken der empfohlenen Menge Fluoridzahnpasta (0,2 bis 0,5 Milligramm Fluorid) im Sinne eines „worstcase scenario“ eingerechnet. Die tatsächliche Fluoridaufnahme dürfte also deutlich geringer sein, da auch Kleinkinder nicht die gesamte Zahnpasta verschlucken und nicht jeder fluoridiertes Speisesalz verwendet. Für Kinder im Alter von sechs bis zwölf Monaten wurde eine tägliche Getränkeaufnahme von 400 Millilitern angenommen. Wenn die niedrigste in der Metaanalyse herangezogene Schwelle von 1,5 parts per Million Fluorid im Trinkwasser zugrunde gelegt wird, läge die Fluoridaufnahme in diesem Alter allein aus Trinkwasser schon bei 0,6 Milligramm und bei den Vier- bis Sechsjährigen bei 1,41 Milligramm. Tatsächlich liegt sie in Deutschland bei 0,1 Milligramm (sechs bis zwölf Monate) beziehungsweise 0,24 Milligramm (vier bis sechs Jahre). Ein Blick auf die Korrelation des IQ mit dem Fluoridgehalt im Urin, wo in einer Subanalyse mit einer IQ-Reduktion von 1,63 der mit Abstand höchste Wert gefunden wurde, macht den hierzulande bestehenden Sicherheitsabstand deutlich. In der Metaanalyse wurde auch für Werte unterhalb von 1,5 Milligramm Fluorid/Liter Urin eine inverse Beziehung zwischen Fluoridausscheidung und IQ gefunden, in der Analyse der Studien mit niedrigem Bias lag diese bei einem Rückgang des IQ um 1,14 Punkte pro ein Milligramm pro Liter Anstieg des Fluorids im Urin. In Deutschland existieren keine vergleichbaren Studiendaten über die Fluorid-Ausscheidung im Urin. Eine Studie aus der Region Basel aus dem Jahr 2006 soll daher zum Vergleich dienen. Allerdings dürften die dort ermittelten Werte etwas höher als in Deutschland liegen, da die Daten zu einer Zeit erhoben wurden, als es in Basel-Stadt noch eine Trinkwasser-Fluoridierung gab. Für die Studie wurden Erwachsene aus Basel und dem Umland untersucht, die entweder Fluoridsalz (Umland) oder Trinkwasser-Fluoridierung (TWF) (Basel-Stadt) erhalten hatten. Bei der TWF-Gruppe wurde eine Fluoridkonzentration von 0,64 Milligramm pro Liter im Urin mit einer Standardabweichung von 0,24 Milligramm pro Liter gefunden. Bei der Salz-Gruppe waren es 0,47 Milligramm pro Liter (Standardabweichung 0,24 Milligramm pro Liter) [Guindy et al., 2006]. Durch die Mobilität der Studienteilnehmer zwischen Basel-Stadt (TWF) und Umland (Fluorid-Salz) ist davon auszugehen, zm115 Nr. 05, 01.03.2025, (324) Univ.-Prof. Dr. Stefan Zimmer Lehrstuhlinhaber und Abteilungsleiter für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin, Leiter des Departments für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Dekan der Fakultät für Gesundheit, Universität Witten/Herdecke Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten Foto: Universität Witten/Herdecke
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