Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 5

46 | MEDIZIN STUDIE DER UNIVERSITÄT BERN KI kann Fehldiagnosen nicht verhindern Bis zu 15 Prozent aller Patientinnen und Patienten, die eine medizinische Behandlung in Anspruch nehmen, erhalten eine Fehldiagnose – zeigen zwei Studien [Nemec et al., 2010; Hautz et al., 2019]. Fehldiagnosen gehören damit zu den häufigsten und kostspieligsten medizinischen Problemen weltweit. Besonders herausfordernd ist die Diagnosestellung in Notaufnahmen, wo oft unter großem Zeitdruck eine Vielzahl von Patienten mit unterschiedlichen Beschwerden versorgt werden muss. Um die Anzahl der Fehldiagnosen zu reduzieren, kommen zunehmend computergestützte diagnostische Entscheidungshilfesysteme (Computerized Diagnostic Decision Support Systems, kurz: CDDSS) zum Einsatz. Diese Systeme sollen durch die Analyse von Symptomen und Befunden die diagnostische Genauigkeit erhöhen und das medizinische Fachpersonal bei der Diagnosestellung unterstützen. Ob Diagnosesysteme, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basieren, die Diagnosen tatsächlich verbessern, ist jedoch umstritten. Belastbare Studiendaten aus der klinischen Anwendung sind bislang rar. Die weltweit erste Untersuchung KI-unterstützter Diagnosen Ein Forschungsteam unter der Leitung der Universitätsklinik für Notfallmedizin des Inselspitals hat nun weltweit erstmals die Effektivität der KI-basierten Diagnoseunterstützung in der Akutmedizin untersucht. Diese multizentrische, mehrperiodige, doppelblinde, cluster-randomisierte Crossover-Überlegenheitsstudie wurde in vier Notaufnahmen in der Schweiz durchgeführt. Teilnahmeberechtigt waren Erwachsene (im Alter von ≥18 Jahren), die sich mit Bauchschmerzen, Fieber unbekannter Ursache, Synkope oder unspezifischen Symptomen vorstellten. Die Notaufnahmen wurden nach dem Zufallsprinzip (1:1) einer von zwei vordefinierten Sequenzen von sechs abwechselnden Interventions- oder Kontrollperioden zugewiesen. Patienten, die während der Interventionsphase vorstellig wurden, wurden mithilfe des CDDSS „Isabel Pro“ diagnostiziert, während Patienten, die während der Kontrollphase vorstellig wurden, ohne CDDSS diagnostiziert wurden, was die übliche Versorgung darstellt. Die Patienten und das Personal, das die Ergebnisse beurteilte, waren hinsichtlich der Gruppenzuordnung maskiert, die behandelnden Ärzte nicht. Das primäre binäre Ergebnis (falsch oder richtig) war ein zusammengesetzter Score, der das Risiko einer verminderten diagnostischen Qualität anzeigte. Dieses Risiko galt als gegeben, wenn innerhalb von 14 Tagen eines der folgenden Ereignisse eintrat: außerplanmäßige medizinische Versorgung, Änderung der Diagnose, unerwartete Einweisung in die Intensivstation innerhalb von 24 Stunden bei Erstaufnahme im Krankenhaus oder Tod. Zwischen dem 9. Juni 2022 und dem 23. Juni 2023 wurden 15.845 Patienten untersucht, von denen 1.204 (49,1 Prozent Frauen) in die primäre Wirksamkeitsanalyse einbezogen wurden. Das mediane Alter der Teilnehmenden betrug 53 Jahre. Ein Risiko für die diagnostische Qualität wurde bei 100 (18 Foto: Nejron Photo - stock.adobe.com zm115 Nr. 05, 01.03.2025, (336) Mehr als jede zehnte Diagnose ist falsch. Ein Forschungsteam unter der Leitung des Inselspitals, Universitätsspital Bern und der Universität Bern hat in einer umfangreichen Studie untersucht, ob ein KI-basiertes Diagnosesystem die Qualität der Diagnosestellung verbessern könnte. Das Ergebnis überrascht: Trotz hoher Erwartungen zeigt das getestete System keinen messbaren Vorteil gegenüber den herkömmlichen diagnostischen Prozessen. ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden.

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