MEDIZIN | 53 Das Team berücksichtigte für seine Analyse die Richtlinien für die Ikonodiagnostik, einschließlich der Ausschlussdiagnose und der Bewertung aller Restaurierungsartefakte im Fresko. Die Forscher zogen zuerst eine tuberkulöse Mastitis und eine puerperale Mastitis in Betracht, beides Krankheiten, die während der Renaissance weit verbreitet waren, rückten dann aber davon ab. Chronische Krankheiten wie Plasmazellmastitis, die typischerweise bei älteren Frauen auftritt, wurden aufgrund der offensichtlichen Jugendlichkeit der Frau ebenfalls ausgeschlossen. Am Ende kamen die Experten zu dem Schluss, dass es sich bei der gezeigten Pathologie wahrscheinlich um Brustkrebs handelt, der symbolisch mit dem unvermeidlichen Tod verbunden ist, wie er im Buch Genesis beschrieben wird. „Die Darstellung eines möglichen Brustkrebses ist mit dem Konzept der Vergänglichkeit des Lebens verbunden und hat die Bedeutung der Strafe“, schreiben sie. Michelangelo kannte die menschliche Anatomie So weist die linke Brust der Frau eine alters- oder stillbedingte Ptosis mit hervortretender Brustwarze und glatten Konturen auf. Der Kontrast zur rechten Brust sei deutlich, schreiben die Autoren: „Obwohl sie durch ihren rechten Arm leicht angehoben ist, ist die Brustwarze deutlich zurückgezogen und deformiert. Die Haut um den Warzenhof/Periareolar ist zurückgezogen, der mediale Teil des Warzenhofs scheint erodiert, die Haut kranial der Brustwarze ist tief eingedrückt und narbenartig zurückgezogen. Es sind keine offensichtlichen Geschwüre zu sehen.“ Der obere mediale Quadrant zeige eine leichte Wölbung, die einem Knoten ähnelt. Ebenso sei in Richtung der linken Achselhöhle eine weitere leichte Wölbung zu sehen, die vergrößerte Knoten darstellen könnte. Die mediale Seite der Brust erscheint demzufolge leicht verfärbt, was eher einen künstlerischen Effekt darstelle als eine typische Orangenhaut. Die Experten weisen darauf hin, dass Michelangelo ab seinem 17. Lebensjahr bei Autopsien assistiert und dabei pathologische Veränderungen beobachtet hat, darunter möglicherweise Brustkrebs. Man könne also davon ausgehen, dass er profunde Kenntnisse der menschlichen Anatomie besaß und bestimmte pathologische Merkmale wohl auch künstlerisch genau darstellen konnte. Und die spezifischen pathologischen Anomalien in der rechten Brust der Frau deuteten darauf hin, dass er das auch in voller Absicht tat. Brustkrebs Evidenzgrad I Das Ergebnis der Untersuchung belegt aus Sicht der Forschenden entsprechend, dass Michelangelo Kenntnisse über gesunde Brüste in unterschiedlichen Größen und Morphologien hatte und diese bei der Ausgestaltung der weiblichen Figuren der Bibel eingesetzt hat. Ihr Fazit: „Die Wiedergabe pathologischer Brustzustände mit einer bestimmten Symbolik oder theologischen Bedeutung wurde vom Künstler bewusst dargestellt.“ zm115 Nr. 05, 01.03.2025, (343) ZUR IKONODIAGNOSTIK Die Ikonodiagnostik sucht nach klinischen Anzeichen von medizinischen Störungen und Krankheiten in Kunstwerken, um Informationen über Pathologien in verschiedenen paläohistorischen Perioden zu liefern. Hauptziel ist, die Wahrnehmung von Krankheit und den Umgang damit in früheren Zeiten zu verstehen. Dafür arbeiten Experten der Medizin, der Pathologie, der Biomedizin sowie der Medizin- und Kunstgeschichte zusammen. Zusammenfassend lasse sich somit sagen, „dass Michelangelos Darstellung der Sintflut Merkmale von Brustkrebs aufweist (Evidenzgrad I). Der Nachweis der Pathologie wird durch die Symbolik und die theologische Bedeutung, die dieser Darstellung von Leben und Tod zugrunde liegt, vollständig untermauert.“ ck Andreas G. Nerlich et al, Did Michelangelo paint a young adult woman with breast cancer in „The Flood“ (Sistine Chapel, Rome)?, The Breast (2024). DOI: 10.1016/j. breast.2024.103823 Exklusive Aktion: Jetzt Warantec Implantate testen! x2
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=