Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 6

44 | TITEL INTERVIEW MIT IDZ-DIREKTOR PROF. DR. A. RAINER JORDAN „Die Karieslast konnte bei Kindern um 90 Prozent gesenkt werden“ Neun Jahre nach der Veröffentlichung der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) liegen die Ergebnisse der DMS • 6 vor. Sie ist die größte oralepidemiologische Studie Deutschlands und liefert umfangreiche Erkenntnisse zur Mundgesundheit der Bevölkerung in Deutschland. Durchgeführt wurde sie vom Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ). Anlässlich der Vorstellung der DMS • 6 am 17. März in Berlin haben die zm mit dem wissenschaftlichen Leiter des IDZ, Prof. Dr. A. Rainer Jordan, über Deutschlands wichtigste zahnmedizinische Untersuchung gesprochen. Herr Prof. Jordan, was waren die grundlegenden Ziele der DMS • 6? Prof. Dr. A. Rainer Jordan: Wir haben insgesamt fünf Studienfragen entwickelt. Primär wollten wir die die Verbreitung oraler Erkrankungen ermitteln. Hierzu dienen uns die querschnittlichen Daten aus der aktuellen Erhebungswelle: 1. Wie hoch sind die aktuellen Prävalenzraten von Munderkrankungen? 2. Welche Zusammenhänge bestehen zwischen der Mundgesundheit und anderen Merkmalen der Studienteilnehmenden? Die dritte Frage basiert auf dem Vergleich der Querschnittsdaten mit früheren Deutschen Mundgesundheitsstudien (Trend): 3. Wie hat sich der Mundgesundheits- und Versorgungsstatus in Deutschland von 1989 bis 2023 entwickelt? Für die letzten beiden Fragen werden Längsschnittdaten benötigt: 4. Wie verändern sich orale Erkrankungen im Laufe des Lebens? 5. Welche individuellen Merkmale beeinflussen den Verlauf von (neuen) oralen Erkrankungen? Worin unterscheidet sich die DMS • 6 in der Methodik und im Studiendesign von der DMSV? Die bisherigen Deutschen Mundgesundheitsstudien waren methodisch sogenannte reine Querschnittsuntersuchungen. Das bedeutet, dass zu jeder Untersuchungswelle neue Studienteilnehmende untersucht wurden. Mit diesem Vorgehen kann man gut Prävalenzen abschätzen, also die Verbreitung von Erkrankungen, beispielsweise die Verbreitung von Parodontitis, zu einem bestimmten Zeitpunkt. Das haben wir dieses Mal auch gemacht. Zusätzlich haben wir in der DMS • 6 auch Studienteilnehmende aus der DMS V von 2014 nach acht Jahren wieder untersucht. Dies ermöglicht uns, ganz andere Fragestellungen zu beantworten, nämlich kausale, die nach dem Warum. Hierzu benötigt man – wissenschaftlich betrachtet – zwei Messzeitpunkte, so dass klar ist, dass eine Ursache (zum Beispiel Rauchen) schon vor der Wirkung (zum Beispiel Parodontitis) bestand. Kausale Fragen von können wir mit der DMS • 6 daher zum ersten Mal beantworten. Gab es bei den Untersuchungen, die vom Oktober 2022 bis zum September 2023 dauerten, besondere Herausforderungen? Wir hatten mit der Teilnahmebereitschaft der eingeladenen Menschen zu kämpfen. Um repräsentative Aussagen zur Bevölkerung in ganz Deutschland treffen zu können, wurden unsere Zielpersonen per Zufall von den Einwohnermeldeämtern gezogen. Das ist ein gutes Vorgehen, um in der Studie ein kleines Abbild der gesamten Bevölkerung zu erreichen. Dazu ist es wichtig, dass möglichst viele Personen aus dieser Stichprobenziehung auch teilnehmen. In der DMS V hat etwa jeder Zweite an unserer Untersuchung teilgenommen, dieses Mal nur etwa jeder Dritte. Viele Menschen haben uns zugetragen, dass das Vertrauen in das Gemeinwohl seit Corona gelitten hat und sie deshalb lieber nicht mitmachen möchten. Das ist aus meiner Sicht nicht nur schade, sondern auch ein Problem für die Epidemiologie. Glücklicherweise haben wir verschiedene wissenschaftliche Methoden, wie man feststellen kann, ob eine erreichte Probandenanzahl ausreichend ist für die Bevölkerungsrepräsentativität. Wir konnten das trotz der Probleme bei der Probandenrekrutierung sicherstellen. Der Titel der DMS • 6 lautet „Prävention wirkt“. Er greift damit ein übergeordnetes Ergebnis der Untersuchung auf. An welchen Ergebnissen lässt sich dies besonders festmachen? Seit der Einführung der Gruppenund Individualprophylaxe Ende der 1990er-Jahre konnten wir die Karieslast Prof. Dr. A. Rainer Jordan ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) und verantwortlich für die DMS • 6. Foto: IDZ zm115 Nr. 06, 16.03.2025, (430)

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