68 | ZAHNMEDIZIN In der anschließenden histologischen Aufarbeitung fand sich lediglich tumorfreies Knochengewebe ohne Entzündungszeichen hinweisend auf ein Osteom. Bereits zwei Wochen postoperativ zeigte sich neben einer regelrechten Wundheilung eine bereits deutlich auf 3 cm erweiterte Schneidekantendistanz (Abbildung 9). Sowohl die kaufunktionellen Einschränkungen als auch die bereits seit Langem vorbestehenden Schmerzen waren vollständig reversibel. Diskussion Erkrankungen des Kiefergelenks stellen eine diagnostische und therapeutische Herausforderung dar. Schmerzen im Kiefer- und Gesichtsbereich, Gelenkgeräusche oder Einschränkungen der Unterkieferbewegung sind unspezifische Symptome, die auf eine Vielzahl unterschiedlicher Pathologien hinweisen können. Häufig wird die Diagnose Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) gestellt, obwohl sich dahinter verschiedenste Ursachen verbergen – von muskulären Dysbalancen bis hin zu strukturellen Veränderungen des Kiefergelenks. Fortschritte in der Bildgebung haben in den vergangenen Jahrzehnten zwar zu einer präziseren Differenzialdiagnostik geführt, dennoch bleibt die Behandlung individueller Erkrankungen oft komplex. Dies gilt insbesondere für seltene pathologische Knochenneubildungen im Kiefergelenk, deren Erkennung und Therapie spezifisches Vorwissen erfordern. Kiefergelenkerkrankungen können sich durch eine Vielzahl von Symptomen äußern, die oft unspezifisch sind. Schmerzen, Schwellungen, Kiefergelenkgeräusche, Einschränkungen der Mundöffnung und spontane Okklusionsstörungen sind häufige Beschwerden. Die genaue Differenzierung der Symptome ist essenziell, um eine adäquate Therapie einleiten zu können. Eine Schwellung im Bereich des Kiefergelenks kann beispielsweise durch entzündliche Prozesse wie eine akute Arthritis oder durch proliferative Veränderungen im Gelenkkomplex hervorgerufen werden. Schmerzen wiederum lassen sich oft durch eine gezielte Anamnese lokalisieren, wobei sie muskulären, gelenkbezogenen oder neuralgischen Ursprungs sein können [Reich undNeff, 2022]. Einschränkungen der Mundöffnung können arthrogen oder extraartikulär bedingt sein. Arthrogene Ursachen umfassen eine Diskusverlagerung ohne Reposition, intraartikuläre Verkalkungen oder eine Ankylose des Kiefergelenks. Extraartikuläre Ursachen sind mechanische Blockaden durch Knochenwucherungen, Vernarbungen nach Frakturen oder entzündliche Prozessen sowie fibrotische Veränderungen nach Bestrahlung oder chirurgischen Eingriffen. Muskuläre Verspannungen, neurologische Erkrankungen oder psychosomatische Faktoren können ebenfalls eine Kieferklemme auslösen [Reich und Neff, 2022]. Kiefergelenkgeräusche wie Knacken oder Reiben sind weitere diagnostisch relevante Hinweise. Sie können auf mechanische Probleme wie eine Diskusverlagerung oder degenerative Veränderungen des Gelenks hindeuten. Auch spontane Veränderungen der Okklusion sind ein ernstzunehmendes Symptom, da sie ein Hinweis auf strukturelle Veränderungen im Kiefergelenk oder das Vorliegen eines neoplastischen Prozesses sein können [Reich undNeff, 2022]. zm115 Nr. 06, 16.03.2025, (454) Abb. 9: A: Regelrechte Wundheilung zwei Wochen postoperativ nach präaurikulärem Zugang zum Kiefergelenk links. B: um einen Zentimeter verbesserte Schneidekantendistanz bei maximaler Mundöffnung Foto: Universitätsmedizin Mainz Dr. med. Dr. med. dent. Diana Heimes Klinik und Poliklinik für Mund-, Kieferund Gesichtschirurgie – Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: privat PD Dr. Dr. Daniel G. E. Thiem, MHBA Klinik und Poliklinik für Mund-, Kieferund Gesichtschirurgie – Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: Thiem ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden.
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