80 | ZAHNMEDIZIN einfachte Applikation des Distraktors ermöglicht in vielen Fällen die Durchführung der Operation von intraoral mit zusätzlichen transbukkalen Bohrhilfen, da die direkte Aufsicht auf die Osteotomie durch die vorhandene Schablonenführung wegfällt (Abbildung 3F). Unterstützt wird dieses Vorgehen durch die transorale endoskopische Darstellung der Osteotomien und Bohrungen (Abbildung 4). Neue piezochirurgische abgewinkelte Sägesysteme vereinfachen zudem die kontrollierte Osteotomie. Hauptnachteil der virtuellen Planung ist selbstverständlich die Notwendigkeit einer Computertomografie mit der einhergehenden Strahlenexposition. Dazu kommt, dass bei Kleinkindern diese Untersuchung oftmals in Narkose erfolgen muss, was aufgrund der veränderten Anatomie mit möglicher Kompromittierung des Luftwegs weitere anästhesiologische Probleme nach sich ziehen kann. Indikationen Die kraniofaziale Distraktionsosteogenese findet Anwendung in allen Bereichen des Gesichtsschädels, insbesondere im Unterkiefer, im Oberkiefer und im Mittelgesicht sowie im Kranium. Unterkiefer Ein traditionelles Anwendungsgebiet der Unterkieferdistraktion stellt die uni- oder bilaterale Mikrognathie des Unterkiefers bei kraniofazialer Mikrosomie dar (Abbildung 5). DerBegriff der kraniofazialen Mikrosomie umfasst die weiteren Termini der hemifazialen Mikrosomie, des Goldenhar-Syndroms (in der Regel mit vertebralenAuffälligkeiten oder epibulbären Dermoiden) oder des auriculo-oculovertebralen Syndroms. Die Diagnose dieser nach Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten zweithäufigsten Gesichtsfehlbildung basiert auf der Klinik, etabliert hat sich zur Beschreibung der ein- oder beidseitigen Fehlbildungen das OMENS(Orbit, Mandible, Ears, Facial Nerve, Soft Tissue)-Klassifikationssystem. Die Ausprägung der Kieferdeformation basiert auf der Klassifikation nach Pruzansky und Kaban [Kaban et al., 1988]. Obwohl die kraniofaziale Mikrosomie – vor allem die Typen IIa und IIb – eine der ältesten Indikationen zur Unterkieferdistraktion darstellt, wird diese Anwendung derzeit sehr kontrovers diskutiert, da die frühkindliche Distraktion, insbesondere bei Pruzanskyzm115 Nr. 06, 16.03.2025, (466) Abb. 3: Virtuelle Planung mit Herstellung patientenspezifischer Sägeschablonen und Distraktoren: A: CT-Rekonstruktion eines Kindes mit kraniofazialer Mikrosomie rechts (Typ IIa/b nach Kaban/Pruzansky): Der Kondylus ist angedeutet (Typ IIa), die Gelenkpfanne fehlt (Typ IIb). B: Virtuelle Darstellung der Zahnkeime und des Verlaufs des N. alveolaris inferior C: Planung der Distraktorposition unter Berücksichtigung der Zahnkeime, des Nervens und der Knochendicke D: Simulation der Ramusdistraktion zur Abschätzung der notwendigen Distraktionsstrecke und der Verlagerung des Kiefers E: Virtuelle Herstellung der Säge- und Bohrschablone entsprechend den anatomischen Gegebenheiten F: Intraoperativ – von intraoral eingebrachte und positionierte Sägeschablone für die geführte Osteotomie und die Bohrungen G: Positionierter Distraktor mit Aktivierung um 2–3 mm zur Überprüfung der regelrechten Distraktion: Die nach submandibulär ausgeleitete Aktivierungsspindel ist noch am Bildrand erkennbar. Foto: Tobias Ettl A C E D F G B ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden.
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