Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 6

ZAHNMEDIZIN | 87 dach kann dabei anterior oder posterior distrahiert werden, wobei letzteres Vorgehen die größte Volumenzunahme ermöglicht [White et al., 2009; Derderian et al., 2015]. Noch einen Schritt weiter geht die sogenannte Monobloc-Distraktion, bei der neben dem vorderen Schädeldach gleichzeitig auch das Mittelgesicht zur Therapie eines eingeengten Atemwegs (Schlaf-Apnoe-Syndrom) oder eines ausgeprägten Exorbitismus distrahiert wird [Paternoster et al., 2021]. Im Vergleich zur konventionellen En-blocVerlagerung scheint die Distraktion hier mit einem niedrigeren Risiko für Rezidive, Infektionen, Blutverlust, Liquorfisteln oder Enzephalomeningozelen assoziiert [Kim et al., 2007; Mundinger et al., 2016]. Grundsätzlich muss an dieser Stelle jedoch darauf hingewiesen werden, dass all die zuletzt genannten Therapien des Kraniums ein gewisses Komplikationsrisiko besitzen und daher hochspezialisierten Zentren vorbehalten sind. Schlussfolgerung Die kraniofaziale Distraktionsosteogenese hat sich zur Korrektur ausgedehnter knöcherner und weichgeweblicher Defizite des Gesichts- und Schädelbereichs etabliert. Mittlerweile wird die Distraktionsosteogenese in nahezu allen Bereichen des kraniofazialen Skeletts angewendet. Hauptindikationen stellen ausgeprägte Retrognathien des Unterkiefers mit Beeinträchtigung des Luftwegs sowie syndromale oder nicht-syndromale Hypoplasien des Mittelgesichts dar. Die Bedeutung der Schädeldach- oder Monobloc-Distraktion gegenüber konventionellen Verlagerungstechniken (zum Beispiel Frontoorbitalem Advancement) bleibt abzuwarten. Die kraniofaziale Distraktionsosteogenese führt in ihren Hauptindikationen zu einer einzigartigen Genese von Knochen- und Weichgewebe mit Verbesserung von Funktion und Ästhetik bei gleichzeitiger Verringerung der Operationszeit, der Morbidität und der Mortalität. „ zm115 Nr. 06, 16.03.2025, (473) Foto: Tobias Ettl Abb. 11: Eigener Fall zur kombinierten Mittelgesichts/Unterkiefer-Anti-Clockwise Distraktion: A und B: Neunjähriges Mädchen mit Treacher-Collins-Syndrom und Tracheostoma seit Geburt C und D: CT-Darstellung der fehlenden Jochbeine sowie des fehlenden linksseitigen Orbitabodens (Abb. C) und der Retrogenie mit ausgeprägter Einengung des naso- und des oropharyngealen Luftwegs (Abb. D) E und F: Virtuelle Planung der Mittelgesichts- und Unterkieferdistraktion: Der Unterkiefer wird initial in die finale Okklusion rotiert, die Pins werden zwischen Zahnkeimen und Nerven positioniert. Simulation der En-bloc-Vorverlagerung (Abb. F). G: Individuell hergestellte Oberkieferplatte zur Aufnahme der Distraktionskräfte: Die Fixierung erfolgt über Drahtligaturen an den knöchernen Nasenpfeilern. H und I: Situation in der Konsolidierungsphase in stabiler Okklusion: Ober- und Unterkiefer sind miteinander per Drahtligaturen fixiert. Durchgeführt wurde die Operation über bikoronare, perianguläre und intraorale Zugänge. J: CT-Darstellung des generierten Unterkieferknochens (30 mm) nach vier Monaten vor Entfernung des Distraktors K und L: Postoperatives Ergebnis nach zusätzlicher Unterlidplastik M: Postoperatives Ergebnis intraoral mit stabiler Okklusion und guter Mundöffnung N: Die postoperative CT-Darstellung zeigt die signifikante Zunahme des naso- und oropharyngealen Luftwegs in sagittaler Ebene. Das Kind lebt erstmals ohne Tracheostoma und nächtliche Schlafstörungen. A C E H K L M N I J D F G B

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