34 | TITEL BAKTERIOPHAGEN IN DER ZAHNMEDIZIN Das gute Virus Marie Luise Bauer, Carina Rohmer, Kerstin Bitter, Ralf Eggeling, Katja Bochniak, Thilo Eric Oesterle, Maike Stiesch, Cornelia Frese Bakteriophagen sind Viren, die gezielt Bakterien infizieren und zerstören. Ihre Fähigkeit, pathogene Bakterien anzugreifen, macht sie zu einer vielversprechenden Alternative für Antibiotika, möglicherweise lassen sich auch ganze Biofilme gezielt umprogrammieren. Das ist insbesondere für die Zahnmedizin interessant, deren hochprävalente Erkrankungen allesamt mit dysbiotischen Biofilmen assoziiert sind. Die Entdeckung der Bakteriophagen geht auf die Wissenschaftler Félix Hubert d'Hérelle und Frederick Twort zurück, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts unabhängig voneinander ein Agens beschrieben, das Bakterien aktiv zerstört. D’Hérelle erschuf daraufhin den Begriff „Bakteriophage“, was so viel bedeutet wie „Bakterienfresser“ und sich von dem griechischen „phagein“ (essen, fressen) ableitet. Der erste klinische Einsatz von Phagen wird ebenfalls d’Hérelle zugeschrieben. Er isolierte Phagen aus Stuhlproben von Soldaten, die an Shigellose („Bakterien-Ruhr“) litten, jedoch auf dem Weg der Genesung waren, und verabreichte diese wiederum an erkrankte Patienten, die sich daraufhin ebenfalls erholten [d'Hérelle, 1917]. Mit dem Bakteriologen Georgi Eliava gründete d’Hérelle 1938 das „G. Eliava Institute of Bacteriophages, Microbiology and Virology“ in Tbilissi, Georgien, das bis heute besteht und weltweit über bedeutende klinische Erfahrungen in der Phagen-Therapie verfügt [Sulakvelidze et al., 2001]. Phagen sind hochspezifisch – sie befallen meist nur eine bestimmte Bakterienart. Sie heften sich zuerst an unterschiedliche Erkennungsmoleküle an der Oberfläche der Bakterien an, schleusen anschließend ihr Erbgut in die Bakterienzelle ein und vermehren sich darin. Dabei gibt es zwei mögliche Vermehrungsstrategien (Abbildung 2). Im lytischen Zyklus findet direkt die virale Replikation statt und die fertigen Viren zerstören das Bakterium, um die Nachkommenviren freizulassen, die wiederum weitere Bakterien infizieren. Eben diese lytischen Phagen sind für therapeutische Anwendungen besonders vielversprechend. Einige Bakteriophagen können jedoch auch einen sogenannten lysogenen Zyklus durchlaufen, bei dem sie ihr Abb. 1: Bakteriophagen im Elektronenmikroskop: Die Viren bestehen im Wesentlichen aus einem Nukleinsäure-Makromolekül mit Kapsid-förmigem Kopf, der die genetische Information in Form von DNA oder RNA für die Reproduktion enthält und einem Schwanz, der meist mit Spike-Proteinen besetzt ist. Viren haben keinen eigenen Stoffwechsel und können sich nur mithilfe einer Wirtszelle vermehren – deshalb zählen sie nicht zu den Lebewesen. Viren treten zum einen als Nukleinsäure innerhalb einer Wirtszelle auf, zum anderen außerhalb der Zelle als freies Virion, das neue Wirtszellen infizieren kann. zm115 Nr. 08, 16.04.2025, (636) Foto: M. Bauer, Charité - Universitätsmedizin Berlin 50 nm 50 nm 50 nm 50 nm
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