Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 8

TITEL | 35 Erbgut in das ihres Bakterienwirts integrieren, ohne sie dabei sofort zu zerstören. Dann werden sie als Prophagen bezeichnet. Prophagen besitzen oftmals Virulenzgene und haben Einfluss auf die Pathogenität ihres Wirtsbakteriums [Canchaya et al., 2003]. Sie können zudem einen lateralen Gentransfer ermöglichen, was im Hinblick auf die Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzgenen ein Risiko darstellt. Deshalb werden lysogene und transduzierende Phagen für medizinische Zwecke nicht in Betracht gezogen. Wichtig ist auch, dass spezielle Enzyme von Bakteriophagen in der Lage sind, bestimmte Strukturen eines Biofilms zu zerstören. Biofilme bestehen grundsätzlich aus einer Vielzahl an Bakterien, die in eine Matrix aus extrazellulären polymeren Substanzen (EPS) wie Polysaccharide und Proteine eingebettet sind. Diese Matrix dient in Biofilmen zur mechanischen Stabilität, als Nahrungsreservoir und als Schutz vor äußeren schädlichen Einflüssen. Einige Bakteriophagen produzieren Enzyme, sogenannte Depolymerasen, die gezielt Komponenten dieser EPS-Matrix abbauen können [Pires et al., 2016; Liu et al., 2022]. Diese Eigenschaften sind besonders in der Zahnmedizin von Bedeutung. Jeder Mensch besitzt Biofilme im oralen Bereich, der allgemein auch als „Plaque“ bezeichnet wird. Er besteht aus synergistischen und antagonistischen Mikroorganismen, die sich bei oraler Gesundheit in einem Zustand der Homöostase befinden. Durch unterschiedliche Einflüsse kann dieses Gleichgewicht jedoch zerstört werden, so dass eine Dysbiose entsteht. Durch diesen Zustand können im supragingivalen Bereich säuretolerante und säureproduzierende kariespathogene Keime wie Streptococcus mutans, Lactobacillus spp., Actinomyces spp. und Bifidobacterium spp. dominieren. Im subgingivalen Bereich dominieren parodontalpathogene Mikroorganismen wie Porphyromonas gingivalis, Tanerella forsythia, Fusobacterium nucleatum und Aggregatibacter actinomycetemcomitans [Lamont et al., 2018]. Endodontische Erkrankungen entstehen durch das Eindringen von Mikroorganismen in den Pulpa-Dentin-Komplex infolge tiefer kariöser Läsionen oder parodontaler Erkrankungen. Ein Keim, der bei persistierenden endodontischen Infektionen sehr häufig im infizierten Wurzelkanalsystem nachgewiesen wurde, ist Enterococcus faecalis. Die Therapie dieser Biofilm-assoziierten oralen Erkrankungen zielt darauf ab, den pathogenen Biofilm durch verschiedene mechanische, chemische und chirurgische Maßnahmen zu eliminieren beziehungsweise zu kontrollieren, um eine Wiederherstellung der Homöostase zu erreichen. Hierbei wird eine verantwortungsvolle Verwendung von Antibiotika und Antiseptika in der Zahnmedizin in den vergangenen Jahren vermehrt hervorgehoben, dennoch ist der Einsatz nach wie vor hoch. Die damit assoziierte antimikrobielle Resistenz (AMR) ist eine ständig wachsende Bedrohung für die moderne Medizin. zm115 Nr. 08, 16.04.2025, (637) ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Abb. 2: Vermehrungszyklen von Phagen: Dabei wird in Phagen unterschieden, die ausschließlich den lytischen Zyklus zur Vermehrung nutzen, und in Phagen, die ihr Erbgut ins Genom des Wirtes integrieren können, ohne ihn zu zerstören (lysogener Zyklus). Foto: Rieper, Korf, Wienecke, Ziehr Phagen DNA Bakterielles Chromosom Adsorption Induktion Prophage Freisetzung neuer Phagen Lyse der Bakterienzelle Phagenassembly Replikation und Synthese von Phagenproteinen Integration Phagen-DNA ins Bakterienchromosom (Prophage) Vervielfältigung Prophage Infektion (Injektion von Erbmaterial) Lysogener Zyklus Lytischer Zyklus

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