Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 8

40 | TITEL diskutiert, ob und wie der Einsatz von Bakteriophagen zur Bekämpfung parodontaler Keime erfolgen kann. Insbesondere Aggregatibacter actinomycetemcomitans, Porphyromonas gingivalis und Tannerella forsythia spielen eine zentrale Rolle in der Pathogenese der Parodontitis. Diese Keime können Entzündungsreaktionen auslösen, die das Immunsystem langfristig beeinflussen und das Risiko für systemische Erkrankungen erhöhen. Eine gezielte Bekämpfung dieser Mikroorganismen könnte daher nicht nur die Mundgesundheit, sondern auch die allgemeine Gesundheit fördern. Da Parodontitis nicht nur zu Zahnverlust führt, sondern auch in Zusammenhang mit verschiedenen allgemeinmedizinischen und systemischen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen [Dietrich et al., 2017; Sanz et al., 2020], Schlaganfällen [Leira et al., 2017] und chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen [Molina et al., 2023] steht, könnten Bakteriophagen als vielversprechende Präventionsmaßnahme oder als unterstützendes Agens bei der zahnärztlichen Behandlung dienen. Am IGB wird in Zusammenarbeit mit der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde am Universitätsklinikum Heidelberg und anderen Partnern intensiv daran geforscht, Bakteriophagen für den zahnmedizinischen Einsatz zu identifizieren und nutzbar zu machen. Unterschiedliche Screening-Verfahren werden genutzt und optimiert, um gezielt nach Bakteriophagen wie beispielsweise gegen Aggregatibacter actinomycetemcomitans zu suchen. Vergleichbare Screening-Verfahren und die Identifikation eines neuen Phagen, der spezifisch im pathogenen Biofilm angreifen kann, sind in der Literatur bereits für Aggregatibacter actinomycetemcomitans [Castillo-Ruiz et al., 2011] sowie Fusobacterium nucleatum [Kabwe et al., 2019] beschrieben. Allerdings sind parodontale Keime sehr schwer zu kultivieren und Bakteriophagen entsprechend selten zu finden. Für Porphyromonas gingivalis oder Tannerella forsythia wurden bisher noch keine lytischen Bakteriophagen identifiziert. Die Rolle von Bakteriophagen innerhalb der oralen Mikrobiota ist jedoch noch nicht geklärt. Ein bioinformatischer Ansatz soll dabei unterstützen, bislang unbekannte Phagen zu identifizieren und deren Wechselwirkungen mit dem oralen Mikrobiom zu verstehen. Metagenomische Datensätze sind essenziell für die Untersuchung der Zusammensetzung und Variation von Bakteriophagen in der Mundhöhle. Unterschiedliche Studien [Szafrański et al., 2021; Labrie et al., 2010; Voit et al., 2022] weisen auf eine mögliche Verbindung zwischen Bakteriophagen und der mikrobiellen Gemeinschaftsstruktur hin. Während das orale Mikrobiom nachweislich eine Rolle bei der Entstehung von Parodontalerkrankungen und Periimplantitis spielt, ist die spezifische Funktion von Viren in diesen mikrobiellen Netzwerken bislang unzureichend erforscht. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Informatik der Universität Tübingen wurden metagenomische Datensätze von Speichel-, Plaque- und Sulkusfluid-Proben von 72 Patienten analysiert – beteiligt waren 23 gesunde Probanden, 30 Karies-Patienten und 19 Patienten mit Parodontitis [Anderson et al., 2023]. Die Programme Kraken 2 [Wood et al., 2019], DeepVirFinder [Ren et al., 2020] und VirSorter2 [Guo et al., 2021] werden eingesetzt, um virales Sequenzmaterial zu identifizieren. Allerdings ergab die Analyse trotz hoher Zahl als viral vorhergesagter Sequenzen pro Programm nur eine geringe Schnittmenge zwischen den einzelnen Programmen und wenige Unterschiede zwischen den Patientengruppen, was die Schwierigkeiten bei der Identifikation und Zuordnung unterstreicht (Abbildung 10). Es ist jedoch zu beachten, dass lediglich Kraken 2 ausschließlich nach in Datenbanken bekannten viralen Sequenzen sucht. Die höhere Trefferzahl für VirSorter2 und insbesondere DeepVirFinder könnte daher auf das Vorhandensein bisher unbekannter Phagen hindeuten. Periimplantitis Periimplantäre Infektionen sind Biofilm-assoziierte Erkrankungen, die in das Implantat umgebenden Geweben auftreten [Dieckow et al., 2024]. Sie sind durch eine Entzündung des periimplantären Weichgewebes und den anschließenden fortschreitenden Verlust des stützenden Knochens gekennzeichnet und weisen klinische Anzeichen von Entzündungen, unter anderem Blutungen auf Sondierung und erhöhte Sondierungstiefen, auf [Berglundh et al., 2018]. Die Phagentherapie stellt einen in der Forschung viel diskutierten Ansatz zur Behandlung periimplantärer Infektionen dar [Szafrański et al., 2017], der insbesondere im Zusammenhang mit Antibiotika-resistenten Keimen zukünftig noch an Bedeutung gewinnen wird. Wir wissen heute, dass Phagen eine entscheidende Rolle in der Dynamik von Bakterienpopulationen und der Beeinflussung der Biofilmphysiologie zm115 Nr. 08, 16.04.2025, (642) Ergebnisse der bioinformatischen Analyse der metagenomischen Datensätze 844 8987 80 60 40 20 Gesund Karies Parodontitis Sequenzanzahl 0 Kraken2 A B DeepVirFinder VirSorter2 28 52 1718 35 391 Abb. 10: A: Vergleich der als viral vorhergesagten Sequenzen nach verwendetem Programm für einen exemplarischen Patienten; B: Schnittmenge der von allen drei Programmen vorhergesagten Virussequenzen Quelle: Eggeling und Bochniak

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=