PRAXIS | 63 gehalten werden, kann jederzeit eine Kontrolle kommen und wir blicken ihr entspannt entgegen. Nach einer Anzeige finden auch unangekündigte Begehungen statt. In diesem Fall muss man die Behörde in die Praxis hereinlassen, wenn sie vor der Tür steht. Gut, wenn es dann keine weiteren Auffälligkeiten gibt. Was übersehen Praxen immer mal wieder gerne? Es gibt tatsächlich einige Defizite, die ich immer wieder feststelle. Da wird dann doch mal eben ohne Handschuhe noch etwas im Behandlungsraum geräumt oder ins Desinfektionsbecken gegriffen. Oder es fehlt die Schutzbrille bei der PZR und der Aerosolnebel gelangt ungehindert ins Gesicht. Oder der Klassiker: Der Desinfektionsspender ist nicht sauber und korrekt beschriftet. Darauf achten die Begeher auf jeden Fall! Oder dass Validierungsberichte zwar korrekt angefertigt, aber nicht unterschrieben wurden. Die Dokumentation gilt dann als fehlerhaft oder unvollständig. Oder geforderte Routinekontrollen sind nicht dokumentiert. Oft fehlt die Kennzeichnung der Medizinprodukte, die geöffnet ein verkürztes Haltbarkeitsdatum aufweisen oder wir finden sogar abgelaufene Medizinprodukte in den Schränken. Ein weiterer Fehler sind Papiereinlagen in den Schubladen, die verhindern eine Desinfektion. Abgefüllte Flüssigkeiten sind ebenfalls häufig nicht korrekt oder gar nicht beschriftet. Wenn geforderte Wartungen und Überprüfungen erst gar nicht durchgeführt werden, kann das sogar zu hohen Bußgeldern führen. Die Liste ist lang. Ein zentraler Fehler ist auch, sich erst dann mit den Problemen auseinanderzusetzen, wenn der Prüfungstermin ins Haus flattert. Was sind versteckte Fehlerquellen, die die Prüfer aber im Blick haben? Jede Praxis muss auf jeden Fall erklären können, warum welche Hygienemaßnahmen so durchgeführt werden, wie sie in den Arbeitsanweisungen beschrieben sind. Die Begeher prüfen hier die Plausibilität. Ich rate auch dazu, alles, was sich an den Behandlungseinheiten und Medizingeräten auseinandernehmen lässt, sprich abnehmbar ist, wirklich sehr regelmäßig nach Herstellerangaben aufzubereiten und zu pflegen. Diese Bereiche werden gerne nachgeprüft. ImEndeffekt empfehle ich grundsätzlich, nicht erst bei der Ankündigung der Begehung ins Tun zu kommen. Das ist nämlich kaum machbar und artet in großen Stress aus. Sondern die Hygiene und die Dokumentation so gut zu bewerkstelligen, als könnte jederzeit eine Begehung stattfinden. Das Selbstverständnis, der Blick für eine optimale Praxishygiene muss sich im Team etablieren. Eine Möglichkeit der Selbstüberprüfung wäre daher, sich regelmäßig selbst zu fragen: Würde ich mich im Anschluss der Nachbereitung des Raums ohne schlechtes Gewissen selbst dort behandeln lassen? Kann man das reinen Herzens mit „Ja“ beantworten, dann ist es gut. Und noch etwas: Am Tag der Begehung selbst sollte nicht das gesamte Team in der Praxis sein, in jedem Fall aber die Chefin oder der Chef und alle Hygienebeauftragen Personen. Bitte nicht die Auszubildende, die erst seit drei Wochen da ist und mit großer Wahrscheinlichkeit dann genau das gefragt wird, was sie nicht gut beantworten kann. Besser ist auch, keine Behandlungen in den Begehungszeitraum zu legen. Da kann in der Hektik immer mal etwas passieren, das nicht sein muss. Viele Teams beklagen mangelnde Zeit im Praxisalltag. Was entgegnen Sie, wenn Stress als Entschuldigung für eine vernachlässigte Vor- und Nachbereitung genannt wird? Hygiene ist eine Frage von Sicherheit und sollte deshalb unbedingt Platz finden, selbst wenn der Arbeitsalltag schon sehr voll und durchgetaktet ist. Eine gute Unterstützung für eine schnellere Dokumentation bieten hier moderne Software-Systeme, die zum Beispiel durch die Nutzung von QR-Codes viel Zeit einsparen können. Ich versuche das Team dann zu sensibilisieren und fordere es auf, sich eine zentrale Frage stellen: Bin ich wirklich sicher und geschützt, wenn ich den Patienten versorge? Denn wir wissen alle nicht, was Patienten eventuell unsichtbar mit sich in die Praxis bringen. Nur eine konsequente Hygiene und ein angemessener Arbeitsschutz sichern ab – beide Seiten natürlich. Das Gespräch führte Laura Langer. zm115 Nr. 08, 16.04.2025, (665) „Ich empfehle, nicht erst bei der Ankündigung der Begehung ins Tun zu kommen. Das ist kaum machbar und artet in großen Stress aus.“ Fotos: zielgerichtet.de_Knauber
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