Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 8

66 | ZAHNMEDIZIN styloideus auf der rechten Seite. Der Eingriff wurde über einen extraoralen Zugang durchgeführt, um eine bessere Übersicht und die sichere Entfernung des verlängerten Processus zu gewährleisten. In Intubationsnarkose erfolgte die piezochirurgische Resektion des ossifizierten Ligamentum stylohyoideum am Processus styloideus über einen zervikalen Zugang (Abbildungen 3 bis 6); der ebenfalls verlängerte linke Ligamentum stylohyoideum wurde manuell von enoral frakturiert. Der postoperative Verlauf war unauffällig. Bereits am ersten postoperativen Tag berichtete die Patientin über eine deutliche Reduktion der Beschwerden. Innerhalb weniger Tage verschwanden das Globusgefühl und die Dysphagie vollständig. Auch die seit Jahren bestehenden Gesichtsschmerzen nahmen sukzessive ab, bis sie nach wenigen Wochen vollständig abgeklungen waren. Die episodischen Schwindelattacken, die vermutlich durch eine mechanische Irritation der vaskulären Strukturen bedingt waren, traten postoperativ nicht mehr auf. Diskussion Das Eagle-Syndrom ist eine seltene Erkrankung, die durch einen verlängerten Processus styloideus oder eine ossifizierte Verkalkung des Ligamentum stylohyoideum verursacht wird [Badhey et al., 2017; Piagkou et al., 2009]. Der Processus styloideus ist ein schlanker, nach kaudal gerichteter Knochenfortsatz des Os temporale, der als Ansatzpunkt für verschiedene Muskeln und Bänder dient. Besonders relevant sind das Ligamentum stylohyoideum, das den Styloidfortsatz mit dem Zungenbein verbindet, sowie die M. styloglossus, M. stylohyoideus und M. stylopharyngeus, die an Zungen- und Pharynxbewegungen beteiligt sind. Aufgrund der anatomischen Nähe zu den Hirnnerven IX (N. glossopharyngeus), X (N. vagus) und XII (N. hypoglossus) sowie zur Arteria carotis interna und externa kann eine Verlängerung oder Fehlstellung zu Halsschmerzen, Dysphagie, Gesichtsschmerzen und Schwindel führen [Gaul et al., 2006]. Die Verlängerung des Processus styloideus wurde bereits im 17. Jahrhundert beschrieben, zunächst jedoch ohne klinische Relevanz [Stirling, 1896; Badhey et al., 2017]. Im Jahr 1937 beschrieb Watt Eagle den Zusammenhang zwischen einer Verlängerung des Processus styloideus und den typischen Beschwerden wie Hals- und Gesichtsschmerzen sowie Schluckstörungen und bezeichnete den Symptomkomplex als „Styalgie“ [Eagle, 1937]. In der Vergangenheit wurden in der Literatur zwei Formen des EagleSyndroms unterschieden: Die klassische Form, die meist nach einer Tonsillektomie auftritt und sich durch Halsschmerzen, ein persistierendes Fremdkörpergefühl im Pharynx sowie ausstrahlende Schmerzen in die präzm115 Nr. 08, 16.04.2025, (668) Abb. 5: Resektat des Processus styloideus Abb. 6: Postoperative DVT-Bildgebung mit reseziertem Processus styloideus (siehe Pfeil) CME AUF ZM-ONLINE Das Eagle-Syndrom als Ursache chronischer orofazialer Schmerzen und Dysphagie Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK. Fotos: Universitätsmedizin Mainz

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