TITEL | 39 sind. Auffällig ist, dass sich einige Vorgehensweisen aus der Kinderzahnheilkunde auch bei der Behandlung älterer und pflegebedürftiger Patienten als gute Versorgungen anbieten. Die frühzeitige Arretierung der Wurzelkaries mit Silberdiamminfluorid kann beispielsweise den Austausch von Kronen und Brücken vermeiden. Karies am Milchzahn kann in vielen Fällen belassen werden In der Kinderzahnheilkunde stellt die noninvasive Kariesinaktivierung kariöser Milchzahn-Läsionen, wie im Beitrag von Splieth et al. beschrieben, eine wissenschaftlich und klinisch etablierte Therapieform dar, mit der viele Narkosebehandlungen, personelle Ressourcen sowie Risiken vermieden werden können. Da Milchzähne nur eine begrenzte Zeit in Funktion sind und die Kooperationsbereitschaft der kleinen Patienten sehr unterschiedlich ist, kommen unterschiedliche Therapieverfahren in Betracht, bei denen Karies nur partiell oder sogar gar nicht entfernt wird. Allerdings weisen die Autoren darauf hin, dass unter kritischen Bedingungen wie zum Beispiel der Narkosesanierung verhältnismäßig invasive Verfahren wie Pulpotomie, Pulpektomie und Stahlkronen immer noch ihre Berechtigung haben. Fazit Die Kariesbehandlung gehört nach wie vor zum Alltag in der Praxis. Die Indikationen, Karies in der Läsion zu belassen und zu arretieren, haben vor allem in der Kinderzahnheilkunde und bei der Behandlung der Wurzelkaries zugenommen. Bei der Behandlung von Kronenkaries gibt es offensichtlich zwei Lehrmeinungen im Hinblick auf das Ausmaß der Kariesexkavation. Als bemerkenswert kann aber festgehalten werden, dass im Unterschied zu früheren Zeiten, als vielfach noch das einfache Füllen von Kavitäten im Vordergrund stand, heute die Frage nach dem Zustand und der Prognose der Pulpa viel stärker im Fokus steht. Auch wenn die klinischen Erfolgsquoten der unterschiedlichen Vorgehensweisen bei der Versorgung der Zähne mit direkten Restaurationen primär sehr ähnlich sind, lässt sich das nicht auf die Versorgung mit indirekten Restaurationen (Krone, Brückenpfeiler, Teleskopkrone) übertragen. Hier greifen die üblichen diagnostischen Methoden zur Überprüfung des Behandlungserfolgs (Sensibilitätstest, radiologische Überprüfung der Kariesprogression) so gut wie überhaupt nicht. Und es gibt zu diesem Thema so gut wie keine Evidenz aus klinischen Studien. Da bleibt die Zahnerhaltung also bis auf Weiteres eine Domäne der klinischen Erfahrung und Fähigkeiten des Behandlers. Ich wünsche Ihnen viel Inspiration und Erkenntnisgewinn bei der Lektüre. Ihr Elmar Hellwig Anmerkung der Redaktion zur Schreibweise des SDF: In den Texten des Fortbildungsteils wird SDF (AgF(NH3)2) chemisch korrekt mit Silberdiamminfluorid ausgeschrieben. Die Benennung ergibt sich daraus, dass zwei Ammoniak-Moleküle ((NH3)2; „diammin“) das Silber-Ion als Zentralteilchen als Liganden komplexieren. Amine sind dagegen organische Verbindungen, deren funktionelle Gruppe eine Aminogruppe (-NH2) ist, beispielsweise als Aminfluorid. In den meisten Veröffentlichungen wird SDF „Silberdiaminfluorid“ (mit einem „m“) ausgeschrieben – in zahnmedizinischen Kontexten handelt es sich dabei nur um unterschiedliche Schreibweisen, gemeint ist die identische chemische Verbindung beziehungsweise das gleiche Produkt. zm115 Nr. 09, 01.05.2025, (737) AB SEITE 40 Kariestherapie im Milchzahngebiss mit und ohne Bohren Karies im Milchgebiss stellt besondere Herausforderungen an das Behandlungsteam: Viele Kleinkinder verweigern die klassische Kariesentfernung und eine restaurative Therapie. Bei Pulpakomplikationen und endodontischen Maßnahmen stellt sich zusätzlich das Problem der Wurzelresorption. Insgesamt ist in Deutschland trotz der Präventionserfolge die Prävalenz von frühkindlicher Karies beziehungsweise Milchgebisskaries weiterhin unbefriedigend hoch, bei zugleich niedrigem Sanierungsgrad. Dieser Beitrag zeigt Wege der Therapie bei Milchzähnen mit und ohne Kariesentfernung und Präparation. AutorInnen: Prof. Dr. Christian H. Splieth, PD Dr. Julian Schmoeckel, PD Dr. Ruth Santamaría (alle Greifswald) AB SEITE 50 Kariesentfernung – Wie viel kann belassen werden? Kann kariöses Dentin unter einer definitiven Restauration tatsächlich belassen werden? Im Praxisalltag gehen die Meinungen hierzu nach wie vor auseinander. Insbesondere bei pulpanahen Läsionen kann die Entscheidung, kariöses Gewebe mehr oder weniger ausgeprägt zu entfernen, maßgeblich beeinflussen, ob weiterführende endodontische Therapiemaßnahmen notwendig werden. Dieser Beitrag diskutiert Aspekte der selektiven Kariesentfernung sowie mögliche Strategien zur praktischen Umsetzung dieses Therapiekonzepts im Spannungsfeld von Pulpadiagnostik und Überlegungen zum adhäsiven Verbund. AutorInnen: Prof. Dr. Rainer Haak, PD Dr. Jana Schmidt (beide Leipzig) Foto: Rainer Haak, Jana Schmidt Foto: Ruth Santamaria
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