Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 9

44 | TITEL Dank dieses technisch sehr einfachen und zugleich hochwirksamen Ansatzes zur Behandlung kariöser Milchzähne ist es möglich, Dentinkaries ohne Kariesexkavation zu inaktivieren (Abbildungen 4 und 5). Auf diese Weise kann sowohl die Inaktivierung als auch die Remineralisierung kavitierter kariöser Läsionen erreicht werden, selbst wenn die nötige Mitarbeit von Eltern und Kindern beim häuslichen Zähneputzen nicht erreicht wird und/oder die Kooperation für eine konventionelle restaurative Therapie auf dem Zahnarztstuhl (aufgrund eines geringen Alters oder von Angst) ungenügend ist. Im Übrigen ist diese Therapieoption auch im bleibenden Gebiss anwendbar, so ergeben sich beispielsweise auch in der Seniorenzahnmedizin Anwendungsbereiche (siehe „Therapie der Wurzelkaries“ in der zm 10/2025). Weitere Ansätze Als weitere nicht-restaurative Ansätze zur Kariesbehandlung – jedoch nur für initiale Kariesläsionen – sind noch die biomimetische Remineralisation mit Peptid 11-4 und die Kariesinfiltration zu nennen. Beide Ansätze sind mit einigen Studien untersucht und es ist entsprechende Evidenz vorhanden, dass damit erfolgreich initialkariöse Läsionen beziehungsweise nicht-kavitierte Läsionen behandelt werden können. Nach Meinung der Autoren spielen diese Behandlungsoptionen für das Milchgebiss jedoch wegen der Kosten, des relativ großen Aufwands, der benötigten Zeit und des nötigen Mindestmaßes an Mitarbeit durch die Kinder eine untergeordnete Rolle. Die Kariesinaktivierung durch Mundhygiene und Fluoridanwendung (zum Beispiel NRCC) sowie durch die Anwendung von SDF stellt damit eine erfolgreiche Methode zur Kariesarretierung dar. Allerdings kann eine restaurative Therapie aus funktionellen, zm115 Nr. 09, 01.05.2025, (742) Abb. 5: Aktive kariöse Läsionen an den Milchmolaren im Unterkiefer bei einem mäßig kooperativen vierjährigen Kind ohne berichtete Schmerzsymptomatik (a): Die Applikation von SDF führt sehr zuverlässig zu inaktivierten Läsionen (b: zwei Monate später). Eine klassische Kariesentfernung ist damit nicht nötig, aber eine entsprechende Aufklärung über die Off-Label-Verwendung – Nutzen, Risiken und Alternativen. Bei Symptomfreiheit und ausreichender Dentinbrücke im Röntgenbild kann nun beispielsweise eine Versorgung der Milchmolaren in der SMART-Hall-Technik durchgeführt werden. Die klinische Nachuntersuchung der Stahlkrone nach 1,5 Jahren zeigt, dass die Zähne asymptomatisch sind und in Funktion stehen. Alternativ wäre auch ein Glätten der Läsionen mit einem knospenförmigen Schleifer möglich (siehe Abschnitt NRCC) um die Putzbarkeit zu verbessern. Foto: Julian Schmoeckel VORTEILE UND EINSCHRÄNKUNGEN VON SILBER-DIAMMIN-FLUORID (SDF) Kriterium Bewertung Erläuterung Einfache, sichere und schnelle Anwendung ( ) Antimikrobiell, biokompatibel, einfache Applikation [Chibinski et al., 2017; Gao et al., 2021]. Kostengünstig ( ) Deutlich günstiger als andere zahnärztliche Behandlungsoptionen, zumal viele kariöse Zähne / gesamtes Gebiss in einer Sitzung behandelt werden kann Vielseitige Anwendbarkeit ( ) Für verschiedene Kariesstadien und Zahnflächen, auch bei Überempfindlichkeit wirksam [Ahmed et al., 2023; Abudrya et al., 2023]. Minimaler Ausrüstungsbedarf ( ) Keine spezielle Technik erforderlich – auch außerhalb von Zahnarztpraxen anwendbar. Wissenschaftlich bewiesene Wirksamkeit ( ) Gut dokumentierte Effektivität bei Schmelz-, Dentin- und Wurzelkaries [Seifo et al., 2019]. Reduzierung der Notwendigkeit für Narkosebehandlungen ( ) Besonders vorteilhaft für kleine Kinder oder Patienten mit eingeschränkter Kooperation [Abdulrahim et al., 2023a]. Off-Label-Use in Europa (–) In Europa nicht speziell für Kariesbehandlungen zugelassen, aber in der Praxis genutzt. Elternakzeptanz (–) Akzeptanz hängt von der Ästhetik und Kooperationsbereitschaft des Kindes ab [Abdulrahim et al., 2023b]. Ästhetische Bedenken (X) Kariesläsionen werden dunkel/schwarz, was optisch störend sein kann [Crystal, and Niederman, 2016]. Kostenübernahme durch Krankenkassen (X) Gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten in der Regel nicht. ( ) Vorteil / Positive Eigenschaft; (–) Neutral / Situationsabhängig, (X) Einschränkung / Nachteil Tab.1 Quelle: Splieth et al., 2024 a c b

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