Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 9

TITEL | 45 strukturellen oder ästhetischen Gründen weiterhin erforderlich oder erwünscht sein. Für Milchzähne stehen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die von minimalinvasiven Methoden bis zu umfassenderen restaurativen Ansätzen reichen. Als Restaurationsmaterialien sind beispielsweise Kunststoffe, Kompomere, Glasionomerzemente (GIZ) und Stahlkronen einsetzbar (Abbildung 5), die jeweils spezifische Vor- und Nachteile aufweisen. Restaurative Therapie Ziel der restaurativen Therapie in der Kinderzahnheilkunde ist die Wiederherstellung von Funktion und Form kariöser oder defekter Milch- und bleibender Zähne bei Kindern und Jugendlichen. Im Vordergrund stehen dabei die Vermeidung weiterer Schädigungen des betroffenen Zahnes sowie der Nachbarzähne und -gewebe sowie zugleich eine Verbesserung der Reinigungsfähigkeit und der Ästhetik. Die Entfernung von kariös verändertem Schmelz oder Dentin und eine restaurative Behandlung allein reichen jedoch nicht aus, um den Krankheitsprozess der Karies zu stoppen. Die Lebensdauer der Restaurationen ist begrenzt, ebenso die durchschnittliche Erfolgsrate, insbesondere bei größeren Defekten und bestehender Kariesaktivität. Daher sollte die restaurative Therapie immer in ein umfassendes Kariesmanagementkonzept eingebettet sein, das die Identifizierung des individuellen Kariesrisikos und eine kontinuierliche Mundhygienekontrolle umfasst. Die Entscheidung über restaurative Maßnahmen ist komplex und erfordert die Berücksichtigung zahlreicher Einflussfaktoren. Diese umfassen nicht nur die kariöse Läsion selbst, sondern auch zahn-, gebiss- und patientenbezogene Aspekte sowie die Rahmenbedingungen des Gesundheitssystems. Bei Kindern wird diese Entscheidung auch wesentlich durch die Kooperationsfähigkeit und Aufmerksamkeitsspanne beeinflusst. Sowohl bei kleinen kariösen Läsionen als auch bei größeren, ausgedehnten Defekten sollten minimalinvasive, restaurative Kariestherapien im Vordergrund stehen. Deren Ziel ist es, möglichst viel gesunde Zahnhartsubstanz zu erhalten und kariöses Gewebe nur selektiv oder möglichst gar nicht zu entfernen, sondern die Läsion zu arretieren [BaniHani et al., 2022; Banerjee et al., 2017; Splieth et al., 2020]. Im Gegensatz zu klassischen, konzm115 Nr. 09, 01.05.2025, (743) ALTERNATIVE MINIMALINVASIVE KARIESBEHANDLUNGEN IN DER KINDERZAHNHEILKUNDE Technik Definition Eigenschaften Zusätzliche Hinweise ART: Atraumatische restaurative Therapie Minimalinvasive Methode zur Behandlung kariöser Dentinläsionen ohne rotierende Instrumente. – Verwendung von Handinstrumenten – Anwendung von HVGIZ – Keine Lokalanästhesie erforderlich – selektive Kariesentfernung – Besonders geeignet bei unkooperativen Kindern – Gut geeignet für caries media bis caries profunda ohne Anzeichen von irreversibler Pulpitis – Zur genauen Beurteilung der Kavitätentiefe und Kariesausdehnung sind Röntgenaufnahmen erforderlich. – Erfolgsrate bei einflächigen Läsionen: 94%. Mehrflächige Läsionen haben höhere Verlustraten [Araujo et al., 2017] Hall-Technik (HT) Minimalinvasive Methode zur Versorgung kariöser Milchmolaren mit vorgefertigten Stahlkronen. – Keine Lokalanästhesie, Präparation oder Kariesentfernung – Zementierung einer vorgefertigten Stahlkrone – Geeignet für kariöse, asymptomatische Milchmolaren – Ideal für ängstliche Kinder oder Kinder mit Verhaltensstörungen – Besonders geeignet für Kinder mit hohem Kariesrisiko, Angst vor Spritzen/ Bohrern oder bei Kindern mit mäßiger Kooperation (z.B. ADHS) – Verzicht auf Kariesentfernung, dadurch Pulpaschonung. SMART: Silver Modified Atraumatic Restorative Technique Kombination von SDF mit minimalinvasiven restaurativen Verfahren (ART/HT). – SDF reduziert bakterielle Aktivität im kariösen Dentin – Inaktivierung von Karies, Remineralisation und abrasive Entfernung über Mundhygiene und Kauen – Restaurative Versorgung mit HVGIZ (SMART) oder Stahlkrone (SMARTHall) – Verbessert Zahnprognose – Prävention von Frakturen und Platzverlust – Erfüllt ästhetische Ansprüche – Ergänzt konventionelle Kariestherapien – Verbessert die Prognose durch Kariesinaktivierung und Restauration – Ideal zur Kariesinaktivierung und gleichzeitigen restaurativen Versorgung HVGIZ: hochvisköser Glasionomerzement SDF: Silberdiamminfluorid ADHS: Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung Tab.2 Quelle: Splieth et al., 2024

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