Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 9

Im vergangenen Jahr gab es für drei Monate ein temporäres „Bürokratiemuseum“ in Berlin, das man auch heute noch online besichtigen kann. Dort konnte man Einiges lernen über die Größe und die Dynamik des deutschesten aller deutschen Probleme. Wussten Sie, dass die Bundesregierung allein im Jahr 2023 einen Papierverbrauch hatte, der dem Holz von 19.150 Bäumen entspricht? Täglich wurden 52 Bäume gefällt, um der gefräßigen Politikmaschine genug Nachschub zu liefern. Knapp 1.800 Bundesgesetze und mehr als 50.000 Einzelnormen gelten momentan – Tendenz steigend. Der bürokratische Erfüllungsaufwand kletterte von 2,1 Milliarden Euro im Jahr 2017 auf unglaubliche 27,1 Milliarden im Jahr 2024. Gleichzeitig stieg die Zahl der Beamten der Bundesregierung von 152.000 auf 194.000. Fast 60 Prozent der Unternehmen hierzulande wollen in Zukunft bürokratiebedingt auf Investitionen verzichten – und 42,9 Prozent der Deutschen verspüren sogar Wut, Zorn und Aggression bei diesem Thema. Alle Parteien haben dieses Thema erkannt und zum Wahlkampfschlager gemacht. Doch der Regierung ist das Problem schlicht über den Kopf gewachsen. Die Bürokratiewalze ist außer Kontrolle, sie benimmt sich – siehe Papierverbrauch – wie die Axt im Walde. Doch kaum etwas ist schwieriger, als bürokratische Geister, die man rief, wieder in die Flasche zu bekommen. Welcher Beamte räumt freiwillig seinen Schreibtisch im Interesse eines schlanken Staates? Welcher Validierer räumt ein, dass man mit ihm keine 100-prozentige Sicherheit kaufen kann? Im Koalitionsvertrag wird nun angekündigt: „Wir verringern Dokumentationspflichten und Kontrolldichten massiv, etablieren eine Vertrauenskultur und stärken die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Professionen.“ Wow. Nun wird endlich alles gut, sollte der geneigte Leser meinen. Doch die Realität des Jahres 2025 ist eine andere. Wir sehen uns mit einem Bürokratieaufbau konfrontiert, der seinesgleichen sucht. Beispiele gefällig? In der Medizinprodukte-Betreiberverordnung ist seit Kurzem ein Beauftragter für Medizinprodukte bei über 20 Mitarbeitern Vorschrift. Was in Krankenhäusern Sinn machen mag, ist in einer Praxis schlicht überflüssig. Obwohl wir in der Corona-Zeit die Musterschüler unter den Gesundheitsberufen waren und die Berufsgenossenschaft folgerichtig unseren Gefahrentarif gesenkt hat, stehen auch wir offensichtlich im Fokus der Arbeitsschutzstrategie des Arbeitsministeriums. Die Begehungen der Betriebe zum Arbeitsschutz sollen massiv erhöht werden. Wir führen bereits Gespräche, um diese weiteren Belastungen der Praxen trotz sinkender Zahlen zu verhindern. Mit der Forderung nach Validierung der abschließenden Wischdesinfektion, bei der der „Anpressdruck beim Wischen“ kontrolliert werden soll, haben die Hygienebehörden der Länder und das Robert Koch-Institut eine Forderung erhoben, die fast in den Bereich der Satire gehört. Obwohl es auch hier keine Fälle von Infektionen gibt, träumt die Validierungsindustrie davon, regelmäßig in Praxen aufzutauchen und hoch qualifizierten Mitarbeiterinnen kluge Hinweise beim Desinfizieren zu geben. Auf diese Idee aus dem Land des grenzenlosen Misstrauens hat die Bundeszahnärztekammer mit ihrem „Praxisleitfaden Wischdesinfektion“ (siehe zm 8/2025) reagiert. Bürokratie kann man auch mit Digitalisierung bekämpfen. Leider zeigt die uns vom Gesetzgeber verordnete TI, dass auch das in unserem Lande nicht rundläuft. Zahlreiche Pannen begleiteten die Einführung der TI. Der freundliche Hinweis, man möge Versicherungskarten an einen Heizkörper halten, um das System nicht abstürzen zu lassen, wurde in den Praxen wenig belustigt aufgenommen. Auch das E-Rezept startete holprig. Und die Tests für die elektronische Patientenakte (ePA) laufen ebenfalls nicht ganz problemlos. Immer unerprobt mit dem Kopf durch die Wand – das war das Lauterbachsche Mantra bei seinem Lieblingsprojekt. Ausgebadet haben es oft unterbesetzte Praxen. Vielleicht erkennt die Politik nun endlich, dass wir radikale Einschnitte brauchen, um das System zu entlasten. Der Satz „Das können wir nicht abschaffen, weil das in der Verordnung xy steht!“, ist nicht mehr akzeptabel. Vorschriften sind Menschenwerk, insofern ist es möglich, auch fünf davon auf einen Schlag zu verändern. Man muss es nur wollen. Die Bundeszahnärztekammer ist bereit, mit der Politik echten Bürokratieabbau für die Praxen zu gestalten. Auch ohne die Kettensäge des Elon M. können wir gemeinsam Bürokratie dahin verfrachten, wohin sie gehört – ins Museum! Konstantin von Laffert Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer Bürokratie ins Museum! 6 | LEITARTIKEL Foto: Georg Johannes Lopata – axentis.de

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