GESELLSCHAFT | 79 Erschütternd war allerdings der Zustand vieler Kindergebisse. Aufgrund mangelnder Prävention, geringer Aufklärung und hohem Zuckerkonsum – insbesondere durch süße Getränke – weisen viele Kinder nicht erhaltungswürdige Molaren, Pulpapolypen oder kariöse Gebissverhältnisse auf, bei denen kaum ein Zahn unbeeinträchtigt war. Zahlreiche Sechsjahresmolaren mussten entfernt werden, obwohl deren Erhalt aus entwicklungsprothetischer Sicht von zentraler Bedeutung gewesen wäre. Dennoch waren viele dieser jungen Patientinnen und Patienten bemerkenswert kooperativ, verhielten sich ruhig und tapfer – was unsere Arbeit enorm erleichterte. Um sie positiv zu konditionieren, gaben wir nach jeder Behandlung kleine Spielzeuge sowie neue Zahnbürsten aus. Die Kinder freuten sich darüber und kamen in der Folge häufig freiwillig und motiviert zu weiteren Sitzungen zurück. Heruntergeknirscht bis auf Gingivaniveau Eine besondere Herausforderung stellte ein älterer Patient mit einem stark abradierten Gebiss dar. Die Inzisiven waren nahezu bis auf Gingivaniveau heruntergeknirscht, was nicht nur funktionelle Einschränkungen, sondern auch erhebliche ästhetische Beeinträchtigungen mit sich brachte. Zunächst äußerte er den Wunsch nach einer einfachen Oberkieferprothese. Nach intensiver Planung und ausführlicher Beratung entschieden wir uns gemeinsam mit ihm für eine umfassendere Lösung: eine vollständige Rehabilitation des Ober- und Unterkiefers mit aufgesteckten Kunststoffprothesen, die gleichzeitig als definitive Versorgung dienten. Die Wiederherstellung der Bisshöhe ermöglichte ihm nicht nur eine deutlich verbesserte Kaufunktion, sondern auch ein neues Selbstbewusstsein. Sein strahlendes Lächeln bei der Eingliederung war für uns alle ein bewegender Moment. Wer einmal in Huacarani war, kennt Doña Adela. Sie ist nicht nur unsere Gastgeberin, Köchin und Haushälterin, sondern das emotionale und soziale Zentrum des Projekts. Ihre Fürsorge geht weit über das Zubereiten von Mahlzeiten hinaus. Sie hört zu, tröstet, organisiert, kümmert sich um jedes Detail und verleiht dem Haus eine Atmosphäre der Geborgenheit. Die Diagnose eines bösartigen Tumors im Jahr 2024 traf uns alle tief. Trotz ihrer Erkrankung unterstützte sie uns mit bewundernswerter Stärke weiterhin, wann immer es ihre Gesundheit zuließ. Dank einer umgehend vom FCSM initiierten Spendenkampagne sowie zusätzlicher privater Mittel konnten die notwendigen Untersuchungen und Therapien eingeleitet werden. Nach neun Chemotherapiezyklen befindet sich Doña Adela heute in einem stabilen Zustand. Trotz ihres Haarverlusts hat sie ihre Lebensfreude und Herzlichkeit nicht verloren. Ihr Durchhaltewille ist sagenhaft! Fazit In den drei Wochen haben wir Beachtliches geschafft und dabei 197 direkte Füllungstherapien (Milch- und bleibende Zähne), 137 Extraktionen und 19 Zahnreinigungen durchgeführt, 14 Eingliederungen von Prothesen vorgenommen sowie neun erfolgreiche endodontische Behandlungen durchgeführt. Diese Zahlen stehen nicht nur für die Quantität der Leistungen, sondern spiegeln vor allem den hohen Behandlungsbedarf, die Effizienz des interdisziplinären Arbeitens und die ausgezeichnete Vorbereitung der Vorund Nachfolgeteams wider. Was dieser Einsatz mir erneut eindrücklich vor Augen geführt hat, ist die privilegierte Situation, in der wir uns als Zahnärztinnen und Zahnärzte in Deutschland befinden. Während bei uns moderne Diagnostik, fachärztliche Betreuung und flächendeckende Versorgung zum Standard gehören, ist das alles in Bolivien keineswegs selbstverständlich. So ist zum Beispiel der Onkologe von Doña Adela oftmals nur einmal wöchentlich verfügbar, Medikamente sind teuer und für viele nicht erschwinglich. Selbst grundlegende zahnmedizinische Leistungen sind für einen großen Teil der Bevölkerung ohne Hilfe von Projekten wie dem FCSM nicht zugänglich. Mein dritter Einsatz war fachlich, menschlich und emotional der intensivste. Ich kehre zurück mit dem Bewusstsein, Teil eines außergewöhnlichen Projekts gewesen zu sein, das mit Herz, Struktur und Nachhaltigkeit wirkt. FCSM lebt durch Menschen, die ihre Zeit, ihr Wissen und ihre Energie teilen. Ich hoffe, dass auch in Zukunft viele engagierte Kolleginnen und Kollegen diesen Weg gehen werden. Packt eureKoffer. Es lohnt sich! Es gibt noch freie Plätze für 2025: Bewerbungen nimmt Dr. Ekkehard Schlichtenhorst unter info@fcsm.org entgegen. Weitere Informationen: www.fcsm.org zm115 Nr. 09, 01.05.2025, (777) Das strahlendes Lächeln bei der Eingliederung war für uns alle ein bewegender Moment. Fotos: FCSM_Li
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