Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 10

16 | POLITIK zm115 Nr. 10, 16.05.2025, (810) INTERVIEW MIT DR. CHRISTIAN ÖTTL ZU 70 JAHREN FVDZ „Politische Drohgebärden sind nicht mehr zeitgemäß“ 1955 wurde der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) gegründet. Über wichtige Meilensteine, veränderte Rahmenbedingungen und ein neues Selbstverständnis sprachen wir mit dem Bundesvorsitzenden Dr. Christian Öttl. Herr Öttl, der FVDZ wurde vor 70 Jahren gegründet. Wie kam es dazu? Der FVDZ ist als Notgemeinschaft deutscher Zahnärzte entstanden. Gründungsvater war Dr. Wolfgang Mzyk, ein niederbayerischer Zahnarzt; er hat den Verband 1955 mit ein paar Kollegen in Bingen am Rhein ins Leben gerufen, um allen Zahnärzten eine Kassenzulassung zu ermöglichen. Die Kassen haben sich damals Zahnärzte ausgesucht, mit denen sie zusammenarbeiten wollten, die anderen erhielten keine Zulassung. Mzyk hat sich unerschrocken mit den Kassen und der Politik angelegt. Er galt als politisches Enfant terrible. Welche Persönlichkeiten haben den Verband noch geprägt? Alle Bundesvorsitzenden haben besondere Schwierigkeiten bekämpft und gemeistert. Jeder hat seine Spuren hinterlassen. Wie hat sich der Verband seit der Gründung entwickelt und verändert? Vom Erkämpfer der Kassenzulassung ist der Verband im Laufe der Zeit zum Verteidiger der vertragszahnärztlichen Freiheit geworden. Der FVDZ tritt für freie Berufsausübung und Therapiefreiheit ein. Er hat immer versucht, den Zahnärzten so viele Freiheiten wie möglich zu verschaffen, damit sie frei von politischer Gängelei praktizieren können. Durch die große Gemeinschaft hat der Verband Schlagkraft. Die Zahl der Mitglieder ist in den 1990erJahren bis auf 30.000 angewachsen. Heute hat der Verband rund 16.000 Mitglieder, darunter immer mehr angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte. Sie stehen meist an einem ganz anderen Punkt in ihrer Lebensplanung als niedergelassene ältere Kollegen – besonders, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Flexiblere Strukturen und weniger unternehmerische Verantwortung stehen dabei häufig im Mittelpunkt ihrer Planung. Damit müssen wir uns als Berufsverband auseinandersetzen und Wege für die Kolleginnen und Kollegen aufzeigen. Denn die Berufswelt der Zahnärztinnen und Zahnärzte hat sich verändert. Was waren wichtige Meilensteine und Erfolge? Der Verband hat viele Freiheiten erkämpft. In den 1950er-Jahren hat er dafür gekämpft, dass jeder Zahnarzt eine Kassenzulassung bekommt. In den 1970er-Jahren wurde der Zahnersatz in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgenommen. Damals hatten die Kassen viel Geld zur Verfügung, bis Horst Seehofer (CSU) in seiner Zeit als Bundesgesundheitsminister in den 90er-Jahren die Budgetierung eingeführt hat. 1998 kam es zu einer weiteren Herausforderung: Plötzlich war Zahnersatz nicht mehr Teil des Leistungskatalogs, sondern musste rein privat bezahlt werden. Davon ist der Gesetzgeber aber bereits 1999 wieder abgerückt; danach wurde das System der Festzuschüsse eingeführt. Der FVDZ hat auch für die bessere Honorierung von Alternativen zum Amalgam gekämpft und erreicht, dass sich Patienten gegen Aufpreis zum Beispiel auch Keramikfüllungen einsetzen lassen können, ohne den Sachleistungsanspruch zu verlieren. Der Verband hat dafür gesorgt, dass es bei Füllungen neben einer wirtschaftlichen einfachen Versorgung auch abgestufte bessere Versorgungen gibt. Weiterhin hat der FVDZ erreicht, dass 2007 die Zulassungssperren gefallen sind. Bei der Altersgrenze von 68 Jahren für Kassenzahnärzte hat der FVDZ sich dafür eingesetzt, dass sie aufgehoben wird – mit Erfolg. Seit 2009 können niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte so lange arbeiten, wie sie möchten und dazu in der Lage sind. Was war schwierig? 1991 hat der Verband Zahnärzte aufgerufen, aus Protest gegen die Budgets und die Einsparungsgesetze ihre Kassenzulassung abzugeben. Damit war der „Korb“ aus der Taufe gehoben. Diesem Aufruf sind viele nachgekommen, aber das notwendige Quorum, um wirksam zu werden, wurde nicht erreicht. In der Folge hat der Gesetzgeber das Fünfte Sozialgesetzbuch (SGB V) dahingehend geändert, dass Zahnärzte, die ihre Zulassung kollektiv abgeben, diese erst nach sechs Jahren wieder zurückerhalten können. Dieses Risiko ist vielen zu groß. Möchte niemandem ein „Wolkenkuckucksheim“ versprechen: Dr. Christian Öttl, seit 2023 Bundesvorsitzender des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte (FVDZ). Seit 13 Jahren engagiert er sich im Bundesvorstand des Verbands. Foto: Jürgen Schwarz

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