Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 10

ZAHNMEDIZIN | 43 ist signifikant geringer, wenn ein Kalziumsilikatzement anstelle von Kalziumhydroxid zur direkten Pulpaüberkappung verwendet wird [Cushley et al., 2019]. Verschiedene Studien konnten nachweisen, dass bei Verwendung von Kalziumsilikatzementen zur Überkappung der freigelegten Pulpa nach vollständiger Kariesexkavation langfristige klinische Erfolgsquoten von circa 80 Prozent auch unter Praxisbedingungen durchaus realistisch sind (Übersicht siehe: [Dammaschke, 2024]). Bisher liegen nur wenige Studien vor, die direkt die selektive der vollständigen Kariesexkavation gegenüberstellen. Im direkten klinischen Vergleich zeigten Zähne zehn Jahre nach selektiver Kariesexkavation und adhäsiver Restauration eine Erfolgsquote von 86 Prozent; bei vollständiger Kariesexkavation (ohne Pulpafreilegung) dagegen 98 Prozent [Mertz-Fairhurst et al., 1998]. Kam es bei der vollständigen Kariesexkavation zu einer Pulpafreilegung mit anschließender Pulpotomie, lag die klinische Erfolgsquote nach einem Jahr bei 97,9 Prozent; bei der selektiven Kariesexkavation indes nur bei 86 Prozent [Chua et al.; 2023]. In einer anderen Studie lag die Erfolgsquote für beide Behandlungsalternativen nach einem Jahr bei 95 Prozent [Rechithra et al., 2023]. In Studien, in denen die direkte Überkappung der Pulpa deutlich niedrigere klinische Erfolgsquoten als die selektive Kariesexkavation aufwies, wurden zuweilen Fehler bei der Durchführung gemacht. So fehlten beispielsweise Informationen zum genauen Vorgehen bei der direkten Überkappung, es wurden keine optischen Vergrößerungshilfen (wie Lupenbrillen) verwendet, es wurde keine Kavitätendesinfektion durchgeführt, statt eines Kalziumsilikatzements wurde ein Kalziumhydroxid-Salicylatester-Zement (Dycal®, Kerr Life™) verwendet, welcher aber für die direkte Überkappung ungeeignet ist, und die Kavitäten wurden zunächst provisorisch versorgt, statt eine sofortige definitive Restauration zu legen [Barthel et al., 2000; Bjørndal et al., 2017]. Dieses Vorgehen widerspricht eindeutig dem aktuellen Erkenntnisstand zur Vitalerhaltung der Pulpa [Dammaschke et al., 2025]. Daher können solche falsch durchgeführten Studien nicht als Beleg dafür dienen, dass die selektive Kariesexkavation überlegen ist. Diagnostik In allen Studien, die die selektive Kariesexkavation positiv bewerten, wurde der klinische „Erfolg“ nur durch einen Sensibilitätstest und anhand einer Beschwerdefreiheit überprüft. Man weiß aber, dass in 15,6 Prozent der Fälle die klinische und die histologische Diagnose nicht übereinstimmen [Ricucci et al. 2014]. In 14 bis 60 Prozent der Fälle kann eine irreversible Pulpitis völlig symptomfrei sein [Seltzer et al. 1963; Michaelson und Holland, 2002]. Der histologische Befund weicht daher nicht selten vom klinischen Krankheitsbild ab. Zumeist wird klinisch der Zustand der Pulpa zu positiv eingeschätzt („Hypodiagnose”) [Seltzer et al. 1963; Barańska-Gachowska et al., 1969; Barańska-Gachowska und Waszkiewicz-Goloś, 1969; Michaelson und Holland, 2002]. Die Genauigkeit und Reproduzierbarkeit der üblichen diagnostischen Tests zur Beurteilung der Vitalität der Pulpa (Sensibilitätsprobe) sind daher begrenzt oder sogar unzureichend. Es fehlt bisher an gesicherten Erkenntnissen, um den tatsächlichen Status der Pulpa klinisch zu bestimmen. Fundierte prognostische Indikatoren, die eine zuverlässige Abschätzung des Behandlungsergebnisses auch nach selektiver Kariesexkavation ermöglichen, sind derzeit nicht verfügbar [Donnermeyer et al., 2023]. Lediglich eine klinische Symptomlosigkeit nach selektiver Kariesexkavation als Behandlungserfolg zu werten, ist daher zu kurz gedacht. Die klinischen Angaben der Patienten auf den Sensibilitätstest korrelieren möglicherweise nicht mit den histologischen Befunden. Histologisch sichtbare chronische Entzündungen, Mikroabszesse und Nekrosen nach selektiver Kariesexkavation können auftreten, ohne dass Patienten Beschwerden haben (Abbildungen 1a, b); das heißt, die Pulpa kann nach selektiver Kariesexkavation irreversibel entzündet sein, ohne dass dies vom Patienten bemerkt wird. Bei 81 von 224 Zähnen (36 Prozent) traten trotz partieller Nekrose der Pulpa und einer ausgeprägten Entzündungsreaktion keine Schmerzen auf [Langeland, 1959]. zm115 Nr. 10, 16.05.2025, (837) busch-dentalshop.de Eine Klasse für sich... Überlegene Schleifleistung und optimierter Kühlmittelfluss.

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