ZAHNMEDIZIN | 49 der Regel restaurativ versorgt werden. Bei ausgedehnteren Läsionen dient die Restauration außerdem dazu, die Restzahnhartsubstanz zu stabilisieren und die Funktionalität der Zahnkrone wieder herzustellen. Obwohl sowohl die Wurzelkaries als auch die über das Initialstadium hinaus fortgeschrittene koronale Karies das Dentin betreffen, sind die Entstehungsbedingungen und Therapieoptionen sehr unterschiedlich. Einerseits ist die Wurzeloberfläche den kariogenen Bedingungen an der Grenzfläche zu stoffwechselaktiven Biofilmen sehr viel direkter ausgesetzt, und kariöse Läsionen sind oftmals so ungünstig lokalisiert, dass eine gute Füllungstherapie mit einem dauerhaften Verbund von Kompositen an der Zahnhartsubstanz schwierig ist. Andererseits, und das ist sehr entscheidend, ist sie aber auch sehr viel zugänglicher für nichtinvasive Therapieformen. Indikationsstellungen für die Behandlung koronaler Dentinkaries sind daher nicht einfach auf Wurzelkaries übertragbar. Während der Therapieentscheid bei koronaler Dentinkaries eher vorrangig bei der restaurativen Versorgung liegt, sollte bei Wurzelkaries die Arretierung in der Mehrzahl der Fälle die erste Optionsein. Ist die Läsion aktiv oder inaktiv? Die Beantwortung dieser Frage ist die Ausgangsbedingung für den Therapieentscheid. Wenngleich die Unterscheidung nicht immer einfach ist, ist eine weiche Textur bei Sondieren und eine deutliche Plaquebedeckung ein sicheres Zeichen für Kariesaktivität [Carvalho und Lussi, 2017]. Bei aktiven Läsionen sollten Lokalisation und Ausdehnung genau exploriert werden, was die Behandlungsoptionen wesentlich bestimmt (Abbildung 1). Bei inaktiven Läsionen ist keine restaurative Therapie erforderlich, jedoch sind risikoadaptierte Präventionsmaßnahmen angezeigt. Wie exkavieren? Nach der Entscheidung zur restaurativen Therapie stellt sich zunächst die Frage nach der geeigneten Zugangskavität. Im Gegensatz zu koronalen Läsionen kann für Läsionen der Wurzeloberfläche ein direkter, approximaler Zugang unter Schonung gesunder Zahnhartsubstanz gewählt werden. Eine intakte Randleiste kann somit belassen werden. Auch hier kann wie bei der Exkavation tiefreichender koronaler Karies auch bei Läsionen der Wurzel zwischen selektiver (Belassen kariösen Dentins in pulpanahen Bereichen) und konventioneller Exkavation unterschieden werden. Letztere ist bei leicht zugänglichen kleineren Läsionen, speziell im sichtbaren Bereich, angezeigt, wenn anschließend eine ästhetisch ansprechende Kompositrestauration erfolgen soll. Liegt eine pulpanahe oder schwierig zugängliche Läsion vor, kann die selektive Exkavation erwogen werden. Zu deren Erfolgsraten gibt es allerdings keine direkte Evidenz, so dass nur Analogschlüsse aus Studien bei der Exkavation koronaler Karies möglich sind. Eine systematische Übersichtsarbeit [Schwendicke et al., 2021] konnte nur zwei klinische Studien einschließen, die die selektive mit der konventionellen Exkavation von koronaler Karies an bleibenden Zähnen verglichen haben. Beide Verfahren zeigten dabei ähnliche Erfolgsraten (Abwesenheit von Pulpitis, Nekrosen oder periapikalen Veränderungen). Die eine Studie untersuchte 14- bis 54-Jährige über einen Zeitraum von 18 Monaten, dabei lag die Erfolgsrate bei konventioneller Exkavation bei 98,2 Prozent und bei selektiver Exkavation bei 92,5 Prozent. Die andere Studie [Orhan et al., 2010], die 4- bis 14-Jährige eingeschlossen hatte, fand dagegen nach einem Jahr für beide Verfahren eine Erfolgsrate von 100 Prozent. Ein weitergehendes Konzept ist die atraumatische restaurative Behandlung (ART), bei der Karies mit Handinzm115 Nr. 10, 16.05.2025, (843) Abb. 1: 71-jährige multimorbide, jedoch vollumfänglich eigenständige und kooperative Patientin mit Mundtrockenheit. Multiple Wurzelkaries aufgrund abendlichen Lutschens von Weichgummis. (a): Zustand nach Anfärben und Zahnreinigung mit Pulverstrahlgerät, ausgedehnte Wurzelkaries mesio-palatinal am Kronenrand 25 (vital, beschwerdefrei), der Pfeiler für eine ansonsten intakte Brücke 25-27 ist. In derselben Sitzung wurde im Bereich von 24 und 25 SDF zur Arretierung der Läsionen vor einem Krankenhausaufenthalt aufgetragen. (b): Zustand zwei Monate später, die dunkle Verfärbung der kariösen Bereiche ist deutlich zu erkennen, der Zahn 25 war weiterhin vital und beschwerdefrei. (c): Zustand nach Darstellung des Defekts 25 und selektiver Exkavation, der Zahn wurde zunächst mit Komposit versorgt, da die Patientin keine Erneuerung der Brücke wünschte. Fotos: Carolina Ganß a c b
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