ZAHNMEDIZIN | 39 Um den ganzheitlichen Blick auf den Patienten zu schärfen, bot Dr. Samia Little Elk, Fachärztin für psychosomatische Medizin, Somnologin (DGSM) und Verhaltenstherapeutin, einen umfassenden Einblick in schlafbezogene Atmungsstörungen. Sie zeigte, wie Zahnärzte Warnsignale bei ihren Patienten bereits auf den ersten Blick erkennen können, erläuterte den Ablauf von Diagnostik und interdisziplinärer Therapie und machte dabei besonders die zentrale Rolle der Zahnärztin und des Zahnarztes deutlich – von der Früherkennung über die Therapie mit Unterkieferprotrusionsschienen bis zur engen Abstimmung mit dem Schlaflabor und den ärztlichen Kolleginnen und Kollegen. Schlaf sei kein Luxus, so Little Elk, sondern lebensnotwendig: In den verschiedenen Schlafphasen – Leichtschlaf (N1), Leicht- bis Mittelschlaf (N2), Tiefschlaf (N3) und REM-Schlaf (Traumschlaf) – finden Regeneration und Verarbeitung statt. Besonders der Tiefschlaf sorge für körperliche Erholung – Wundheilung, Wachstum bei Kindern, Regeneration der Muskulatur, Stabilisierung des Immunsystems. Little Elk erklärte, dass langfristige Schlafstörungen eine Reihe von Problemen hervorrufen können, zu denen neben Tagesmüdigkeit auch Konzentrationsstörungen sowie ein erhöhtes Risiko für körperliche und seelische Erkrankungen gehören. Viele Symptome von Schlafstörungen ähnelten dem Krankheitsbild einer Depression oder eines Burnouts und nicht selten komme es zu Fehldiagnosen, weil die Symptome einer Schlafstörung fehlinterpretiert werden. Gestört werde der natürliche Ablauf nicht selten durch schlafbezogene Atmungsstörungen, allen voran durch das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS). Bei OSAS kommt es zu einem wiederholten Verschluss der oberen Atemwege mit Atemaussetzern. Diese führen zu erhöhten Herzfrequenzspitzen und Blutdruckanstiegen von bis zu 20- bis 40-mal pro Stunde – ein erheblicher kardiovaskulärer Stressfaktor. Die Betroffenen erwachen oft unerholt und mit Kopfschmerzen. Manche berichteten gar von Panikgefühlen beim Aufwachen, erläuterte die Somnologin. Etwa 80 Prozent der Schlafstörungen seien in der Psyche und im Lifestyle begründet, etwa 20 Prozent hätten eine körperliche Ursache. Alkohol könne OSAS verschlimmern. Vor der Behandlung stehe eine sorgfältige Anamnese. Entscheidend sei nicht allein die berichtete Schlafqualität der Patienten, sondern die Frage, ob sie sich tagsüber erholt fühlen oder regelmäßig unter Tagesmüdigkeit leiden. Deshalb sollten Schnarchen und das Gefühl von Panikattacken regelmäßig abgefragt werden. Übergewicht erhöhe das Risiko für eine OSAS massiv, bemerkte Little Elk. Bei einer unbehandelten OSAS sei eine Gewichtsabnahme sehr schwierig, denn es komme durch den nächtlichen kardiovaskulären Stress regelmäßig zu einer Cortisol-Ausschüttung, und chronisch erhöhte Cortisolspiegel führten zu einer Gewichtszunahme. Bei einer Kombination aus Übergewicht, Tagesmüdigkeit und Hypertonus liege die Wahrscheinlichkeit für eine schlafbezogene Atmungsstörung bei nahezu 100 Prozent. Beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom ist eine Blickdiagnose möglich Gerötete beziehungsweise dunkle Augenringe in Kombination mit einem müden oder glasigen Blick könnten auf eine OSAS hinweisen. Diese entstünden durch die veränderten Druckverhältnisse: Bei den Atemaussetzern trete der Bulbus immer ein bisschen nach vorn und beim Einsetzen der Atmung lege dieser sich wieder zurück in die Orbita. Diese geringe Bewegung verändere das Gewebe rund um das Auge. Die Diagnostik einer OSAS erfolge im Schlaflabor: Während bei der Polygrafie in erster Linie Atmung und Sauerstoffsättigung erfasst werden, beinhalte die umfassendere Polysomnografie zusätzlich ein Elektroenzephalogramm (EEG) zur differenzierten Analyse der Schlafphasen sowie ein Elektromyogramm (EMG) und ein Elektrokardiogramm (EKG). Eine nicht-behandelte OSAS verschlechtere nicht nur die Lebensqualität, sondern gehe auch mit einer kürzeren Lebenserwartung einher – eine Behandlung könne hingegen das Leben verlängern. Therapeutisch kämen vor allem zwei Ansätze zum Einsatz: Die mandibuläre Protrusionsschiene, die den Unterkiefer nach vorn schiebt und so die Atemwege offenhält. Bei moderatem OSAS (AHI zwischen fünf und 30) und Masken-Intoleranz sei sie oft die erste Wahl. Auch bei Patienten mit Rückenlageabhängigkeit der OSAS ist die Unterkieferprotrusionsschiene laut Little Elk eine erfolgversprechende Therapieoption. Daneben gibt es noch die Überdrucktherapie (PAP), die zwar sehr effektiv sei und die Lebenserwartung verbessere – aber nicht jeder Patient toleriere die Maske. Auch Little Elk betonte die Bedeutung der interdisziplinären Arbeit in der zahnärztlichen Schlafmedizin: Ein regelmäßiger kollegialer Austausch mit Kardiologen, Pneumologen und dem Dentallabor sichere strukturierte Workflows und aktuelle Therapieansätze – denn nur gemeinsam lasse sich Schlafapnoe ganzheitlich behandeln. Alle Referentinnen und Referenten – gleich ob Spezialist oder Generalistin – machten den Kolleginnen und Kollegen Mut, neue Wege zu gehen – ob mit dem Nutzen des intraoralen Scannens und weiterer digitaler Tools bis zum Erschließen neuer Themen wie atemwegsorientierter Zahnmedizin. Ein „spezialisierter Generalistenblick“ helfe, die Patienten ganzheitlich zu versorgen und individuelle Therapiepläne zu entwickeln. nl Der nächste Berliner Zahnärztetag wird ein Jubiläumskongress: Am 13. und 14. März 2026 heißt es zum 40. Berliner Zahnärztetag „Zukunft – einen Blick wagen? Generationswechsel – was kommt auf uns zu?“. zm115 Nr. 11, 01.06.2025, (925) Dr. med. Samia Little Elk gab einen umfassenden Überblick über OSAS. Fotos: zm/nl
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