Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 11

44 | ZAHNMEDIZIN ZWEI FALLBERICHTE AUS DEM DGZ-JUNIORSPEZIALISIERUNGSPROGRAMM Das Dahl-Konzept im klinischen Einsatz Florentina Melzow, Clemens Lechte Die Rekonstruktion der Vertikaldimension nach Bisshöhenverlust bedingt durch nicht-kariesbedingte Zahnhartsubstanzdefekte erfordert oft umfangreiche Rehabilitationsmaßnahmen. Zwei Patientenfälle sollen einen Weg illustrieren, wie die minimalinvasive Versorgung von Fällen erfolgen kann, bei denen nicht alle Zähne von den Schäden betroffen sind. Dabei kann zunächst eine partielle Bisshebung in Adhäsivtechnik analog dem Dahl-Konzept zum Einsatz kommen. Eine pathologische Zahnabnutzung („tooth wear“) in Form von Abrasionen, Erosionen und Attritionen kann durch verschiedene Faktoren – eine verstärkte Säureexposition (intrinsisch und extrinsisch), traumatisches Zähneputzen, Parafunktionen und Malokklusion – bedingt sein [FDI, 2024]. Ist eine restaurative Versorgung solcher Defekte indiziert und/oder seitens der Patientinnen und Patienten gewünscht, muss häufig die Vertikaldimension angehoben werden, um ausreichend Platz für funktionell und ästhetisch suffiziente Restaurationen zuschaffen [Loomans et al., 2017]. Ein minimalinvasiver Ansatz, der es ermöglicht, nur die betroffenen Zähne zu restaurieren, ist das sogenannte DahlKonzept [Dahl et al., 1975]. Das Konzept wurde vor nunmehr fünf Jahrzehnten erstmals beschrieben, um einen Patienten mit stark abgenutzten Palatinalflächen der Oberkiefer-Frontzähne zu restaurieren. Dabei wurde mithilfe einer herausnehmbaren Chrom-Cobalt-Apparatur der Biss lokal erhöht, so dass sich in der Folge eine Intrusion der Frontzähne und eine Extrusion der Seitenzähne einstellte und so ausreichend Platz für eine Restauration der Frontzähne geschaffenwurde. Dieses Konzept lässt sich auf die minimalinvasive adhäsive Zahnmedizin übertragen und kann für Defekte sowohl im Frontzahn- als auch im Seitenzahnbereich verwendet werden [Poyser et al., 2005; Tunkiwala und Chitguppi, 2017; Hoekstra-van Hout et al., 2023]. Dabei werden die erodierten und „verkürzten“ Zähne mit adhäsivbefestigten direkten oder indirekten Restaurationen in Supraokklusion versorgt. Nachdem dadurch initial eine Non-Okklusion der nicht-restaurierten Zähne erzielt wird, kann nach sechs Monaten zumeist ein Wiedereinstellen der Okklusion beobachtet werden [Gough und Setchell, 1999]. Die beiden Fälle illustrieren die Behandlungsschritte bei der Anwendung des DahlKonzepts zur minimalinvasiven Versorgung eines Erosionsgebisses. Patientenfall 1 Ein damals 37-jähriger Patient stellte sich im November 2022 erstmals in der Zahnklinik der Charité – Universitätsmedizin Berlin aufgrund von wiederholten Füllungsverlusten an den Oberkieferfrontzähnen vor. Die allgemeine Anamnese ergab einen erhöhten BMI und Tabakkonsum. Bei der Befundaufnahme zeigten sich unversorgte, aber kariesfreie Kavitäten der Frontzähne, die mit einer Temperatursensibilität einhergingen. einhergingen. Zusätzlich zeigten sich ausgeprägte Zahnhartsubstanzverluste an den Palatinalzm115 Nr. 11, 01.06.2025, (930) Abb. 1: Ausgangssituation bei Erstvorstellung des Patienten (a): Kavitationen der Zähne 21 und 22 sowie ICDAS-Befunde 1-3 der gesamten Front (b), starke Attritionen palatinal mit durchschimmernder Pulpa an Zahn 22 (c) Fotos: Florentina Melzow a c b

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