Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 11

ZAHNMEDIZIN | 49 durch den Einsatz einer laborgefertigten Schiene zur Herstellung der Aufbauten unterstützt werden. Neben rein restaurativen Veränderungen der Vertikaldimension kann der Biss auch über Zahnbewegungen angehoben werden. Diese können über lokalisierte Restaurationen (DahlPrinzip) oder durch kieferorthopädische Apparaturen erreicht werden. Im Vergleich zur Kieferorthopädie ist die Dahl-Technik weniger aufwendig und günstiger, aber die Behandlungsdauer und das Behandlungsergebnis sind schlechter vorhersehbar. Kieferorthopädische Behandlungen bieten eine präzise und langfristige Bisskorrektur, indem sie sowohl dentale als auch skelettale Diskrepanzen ausgleichen. Auch können größere Distanzen überwunden werden, während bei der Dahl-Technik meist Distanzen von bis zu 4 mm verwendet wurden [Poyser et al., 2005]. Die Behandlungsdauer für kieferorthopädische Therapien erstreckt sich meist – wie bei der DahlTechnik – über einen längeren Zeitraum und erfordert die Compliance des Patienten. Auch hier kann es zu Beschwerden kommen, die meist durch die Zahnbewegungen und die Apparaturen begründet sind. Zusätzlich können die Apparaturen eine ästhetische Beeinträchtigung darstellen. Einer der Hauptvorteile der Dahl-Technik ist die Möglichkeit, die natürliche Zahnhartsubstanz zu erhalten. Das ist besonders vorteilhaft für Patienten, die die invasiveren Aspekte traditioneller restaurativer Verfahren vermeiden wollen oder bei denen bereits Defekte in den zu restaurierenden Bereichen bestehen. In einer systematischen Übersichtsarbeit zeigten solche isolierten Kompositrestaurationen im Frontzahnbereich Überlebensraten von über 90 Prozent nach 2,5 Jahren und von über 50 Prozent nach fünf Jahren [Ahmed und Murbay, 2016]. Auch falls nur ein Teil der Zähne dem gewünschten Bewegungsmuster folgt, können weitere Zähne oder auch nur Zahnflächen anschließend zum Ausgleich mit Komposit aufgebaut werden. Im Fall einer CMD-Symptomatik ist die Dahl-Technik nicht empfehlenswert, hier sollte zunächst eine Therapie stattfinden. Auf bestehende Habits hingegen kann sich die Dahl-Technik positiv auswirken, da gewohnte Positionen oder Muster aufgrund der Aufbisse nicht mehr eingenommen werden können [Ray-Chaudhuri et al., 2023]. Insgesamt kann dieser Ansatz zu schnelleren und zuverlässig vorhersehbaren Ergebnissen führen und bietet sowohl funktionelle als auch ästhetische Verbesserungen. Die Dahl-Technik weist allerdings gewisse Limitationen und Herausforderungen auf. Ein Nachteil ist die hohe Anforderung an die Compliance des Patienten. Die Nahrungsaufnahme ist zunächst nur erschwert möglich und muss zum Beispiel durch weiche Kost angepasst werden. Ebenso entfällt der Selbstreinigungseffekt während des Kauvorgangs und muss entsprechend durch zusätzliche Mundhygienemaßnahmen ausgeglichen werden. Darüber hinaus kann die Behandlungsdauer – je nach Fortschritt – mehrere Monate in Anspruch nehmen, was zu einer gewissen Unsicherheit bezüglich der langfristigen Ergebnisse führt und Geduld aufseiten des Patienten und des Behandlers erfordert. In einer systematischen Übersichtsarbeit stellte sich die Okklusion bei 91 Prozent der eingeschlossenen Patientinnen und Patienten nach spätestens 18 Monaten ein [Ahmed und Murbay, 2016]. Falls das gewünschte Behandlungsergebnis nicht erzielt werden kann, folgen auf diese Behandlungen gegebenenfalls weitere, für eine reguläre Bisshebung notwendige Maßnahmen. Im Unterschied dazu liefern traditionelle Methoden wie die Kieferorthopädie oder Kronen sofortige und vorhersehbare Ergebnisse, besonders in Fällen, in denen eine erhebliche Bisskorrektur erforderlich ist. Diese Methoden sind jedoch mit deutlich höheren Kosten, einer größeren Invasivität und teilweise einer ähnlich langen Behandlungsdauer verbunden. Die Wahl der Dahl-Technik erfordert eine gründliche Aufklärung der Patienten über die notwendigen Schritte und die potenziellen Risiken. Darüber hinaus sollten die Limitationen transparent erläutert werden, damit die Behandlung mit einer realistischen Erwartungshaltung begonnen wird. Fazit Die für das Dahl-Prinzip klassische Herangehensweise im ersten Patientenfall – mit Kompositaufbauten ausschließlich in der Oberkieferfront – war mit deutlich mehr Geduld auf Behandler- und Patientenseite verbunden. Nach Prüfung und Bewertung aller Optionen hatte sich diese Lösung als die sinnvollste für die spezifische Ausgangssituation erwiesen. Dies wird durch das Behandlungsergebnis und die hohe Zufriedenheit des Patienten bestätigt. Wie im zweiten Patientenfall gezeigt, kann eine Kombination verschiedener Behandlungstechniken ebenfalls ein erfolgreicher Therapieansatz sein. Die indirekten Restaurationen an den palatinalen Bereichen der vorgeschädigten Oberkieferfront in Kombination mit den direkten Kompositaufbauten im Prämolarenbereich haben zu einem schnellen und ästhetischen Behandlungsergebnis geführt. Zusammenfassend stellt die Dahl-Technik eine vielversprechende minimalinvasive Alternative zur vollständigen Bisshebung dar. Sie bietet Vorteile in Bezug auf den Erhalt der Zahnsubstanz und bei der Kosteneffizienz. Sie ist jedoch nicht für alle Patientinnen und Patienten geeignet, insbesondere nicht bei erheblichen skelettalen Diskrepanzen, einem stark vorgeschädigten Gebiss oder dem Wunsch nach zügigen Ergebnissen. Die Entscheidung für die Dahl-Technik, für einen konventionellen Ansatz oder für die Kombination verschiedener Maßnahmen sollte auf Grundlage der individuellen Patientenbedürfnisse, Präferenzen und klinischen Überlegungen getroffen werden, wobei die Nachhaltigkeit und die Möglichkeit von Folgebehandlungen sorgfältig zu berücksichtigen sind. n zm115 Nr. 11, 01.06.2025, (935) ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden.

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