ZAHNMEDIZIN | 57 Therapie. Die Behandlung über die Hämatoonkologie konnte ambulant weitergeführt werden. Diskussion Das multiple Myelom ist eine maligne Erkrankung des Knochenmarks, die sich im oralen Bereich manifestieren kann. Die Neuerkrankungsrate liegt in Deutschland bei etwa 7,1/100.000 Frauen und 9/100.000 Männern und steigt mit dem Alter an [Zentrum für Krebsregisterdaten im Robert KochInstitut, 2023]. Das multiple Myelom kann in verschiedene Subtypen unterteilt werden, ein Plasmozytom kann dabei – wie in diesem Fall – vorausgegangen sein. Als Plasmozytom bezeichnet man eine solitäre Plasmazellvermehrung, die nicht mit systemischen Symptomen des multiplen Myeloms assoziiert ist, während das sekundäre Plasmozytom häufig als lokalisierte Manifestation eines bereits bestehenden multiplen Myeloms auftritt [Karunarathna et al., 2024]. Orale Plasmozytome, die als singuläre oder multiple Tumoren auftreten, sind meist asymptomatisch, was die Diagnose erschwert [Calloway et al., 2023; Karunarathna et al., 2024]. Das multiple Myelom ist eine klonale Plasmazellerkrankung, die durch die Produktion von monoklonalen Immunglobulinengekennzeichnetistund zu verschiedenen Endorganschäden führen kann, darunter Hyperkalzämie, Nierenfunktionsstörungen, Anämie und Knochenschmerzen mit lytischen Läsionen [Karunarathna et al., 2024]. Bei der Erkrankung breiten sich maligne transformierte Zellklone in den Knochen aus und verdrängen die für die Blutbildung verantwortlichen Stammzellen. Durch die Hemmung der Osteoblastenaktivität kann es zu Osteolysen um das Myelom kommen. Orale Manifestationen des multiplen Myeloms treten bei bis zu 35 Prozent der Patienten auf. Sie betreffen meist den Kieferknochen, können aber auch das Weichgewebe einbeziehen oder singulär betreffen. Die orale Manifestation ist bei 14 Prozent der Betroffenen das erste Anzeichen der Erkrankung [Shah et al., 2010]. Im Kieferbereich können osteolytische Läsionen auftreten, die zu pathologischen Frakturen, Zahnverlust und/oder Schwellungen führen. Klinisch ähneln sie oft gutartigen Prozessen, was die Diagnosestellung erschwert. Besonders bei Patienten mit einer Vorgeschichte eines multiplen Myeloms sollte eine gründliche Untersuchung erfolgen, da eine orale Manifestation der erste Hinweis auf ein Rezidiv sein kann [Krishnan et al., 2024]. Aufgrund ihrer unspezifischen klinischen Erscheinung stellen Läsionen im oralen Bereich eine besondere diagnostische Herausforderung dar. Die Unterscheidung zwischen benignen und malignen Veränderungen erfordert eine sorgfältige Analyse verschiedener klinischer, radiologischer und anamnestischer Befunde. Für eine gesicherte Diagnosestellung ist in der Regel zusätzlich eine histopathologische Untersuchung erforderlich. Maligne Differenzialdiagnosen Mit einem Anteil von 90 Prozent ist das Plattenepithelkarzinom der häufigste maligne Tumor im oralen Bereich. Es tritt bevorzugt an der Zunge, am Mundboden oder am weichen Gaumen auf und präsentiert sich klinisch häufig als schmerzhafte, ulzerierte oder indurierte Läsion. Im Gegensatz zum meist asymptomatischen und nicht ulzerierten Plasmozytom weist das Plattenepithelkarzinom eine festere Konsistenz auf, infiltriert oftmals das umliegende Gewebe und kann in fortgeschrittenen Stadien mit Lymphknotenmetastasen einhergehen [Tan et al., 2023]. Radiologisch zeigt sich eine destruktive Knochenveränderung mit unscharf begrenzten Osteodestruktionen – ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu den typischerweise scharf begrenzten Läsionen beim multiplen Myelom [Michcik et al., 2023; Straub et al., 2024]. In der Anamnese fallen beim Plattenepithelkarzinom häufig Risikofaktoren wie langjähriger Nikotin- und Alkoholkonsum auf, wohingegen beim Plasmozytom zm115 Nr. 11, 01.06.2025, (943) Dr. med. dent. Helena Albrecht groisman & laube Centrum für Mund-, Kieferund Plastische Gesichtschirurgie, Dental-Centrum Bethanien Im Prüfling 17–19, 60389 Frankfurt am Main Foto: privat Dr. med. Daniel Müller-Winter Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: privat DER BESONDERE FALL MIT CME Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer ist langjähriger Autor und seit 2021 wissenschaftlicher Beirat der zm. In Zusammenarbeit mit der zm-Redaktion betreut er die Rubrik „Der besondere Fall mit CME“, in der wir bevorzugt das präsentieren, was über den berühmten „Tellerrand“ der alltäglichen Praxis hinausreicht. Interessierte Autorinnen und Autoren, die besondere Patientenfälle behandelt und gut dokumentiert haben, sind herzlich eingeladen, diese bei der Redaktion der zm einzureichen. Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, MA, FEBOMFS Leitender Oberarzt/ Stellvertr. Klinikdirektor Universitätsmedizin Mainz Foto: Kämmerer
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