zm115 Nr. 11, 01.06.2025, (944) 58 | ZAHNMEDIZIN meist eine hämatologische Grunderkrankung oder ein bereits bekanntes multiples Myelom vorliegt. AuchNon-Hodgkin-Lymphome(NHL), insbesondere diffuse großzellige BZell-Lymphome, können sich als orale Raumforderungen manifestieren. Sie sind meist schmerzlos und äußern sich typischerweise durch Schwellungen im Bereich der Gingiva oder des Kiefers [Faisal et al., 2023; Monteiro et al., 2024]. Ähnlich wie beim Plasmozytom kann auch hier eine Knochenbeteiligung vorliegen. Ein wichtiger Unterschied liegt jedoch in der möglichen systemischen Symptomatik (B-Symptome), die für das NHL typisch ist, beim Plasmozytom jedoch seltener beobachtet wird [von Baumgarten et al., 2018]. Die histopathologische Abgrenzung erfolgt durch den Nachweis lymphatischer Zellinfiltrate, während beim Plasmozytom atypische Plasmazellen dominieren [de Souza et al., 2023]. Trotz ihrer Seltenheit (Inzidenz < 1 Prozent) sind orale Metastasen von Mamma-, Lungen-, Nieren- und Prostatakarzinomen als Differenzialdiagnose obligat zu erwägen [Lopes et al., 2023]. Klinisch sind sie meist unspezifisch, zeigen jedoch radiologisch oft ein aggressives Zerstörungsmuster des Knochens, das dem beim multiplen Myelom ähneln kann. Ein entscheidender Hinweis ergibt sich meist aus der Anamnese: Patienten mit bekannten Primärtumoren weisen häufig eine bereits diagnostizierte Grunderkrankung auf. Histologisch lassen sich Metastasen durch den Nachweis von Tumorzellen des jeweiligen Primärtumors vom Plasmozytom unterscheiden. Die Therapie orientiert sich an der Grunderkrankung. Benigne Differenzialdiagnosen Zu den häufigsten gutartigen Veränderungen zählt das orale Fibrom. Es erscheint typischerweise als erhabene, feste Schwellung auf der Gingiva oder der Mundschleimhaut und ist zumeist durch chronisch-mechanische Reize wie Druckstellen von Prothesen bedingt. Klinisch kann ein Fibrom dem Plasmozytom ähneln, da beide Läsionen schmerzlos und gut abgegrenzt erscheinen. Radiologische Veränderungen sind nur bei der Sonderform des ossifizierenden Fibroms zu beobachten [Collins et al., 2023]. Histopathologisch zeigt sich beim Fibrom eine dichte fibröse Gewebematrix ohne das Vorhandensein atypischer Plasmazellen. Ein weiterer benigner Befund ist das pyogene Granulom – eine reaktive, hyperplastische Läsion, die häufig durch eine lokale Irritation oder ein Trauma ausgelöst wird. Charakteristisch ist seine rötliche, stark vaskularisierte Erscheinung sowie eine ausgeprägte Blutungsneigung bei Berührung [Kamal et al., 2012]. Im Unterschied zum Plasmozytom ist das Granulom weicher, wächst schneller und zeigt sich radiologisch eher nicht mit Knochenveränderungen. Anamnestisch lässt sich häufig ein auslösender Faktor wie eine Zahnextraktion oder ein mechanisches Trauma feststellen. Histologisch imponiert es durch eine entzündlich-vaskuläre Gewebereaktion [Lomeli Martinez et al., 2023]. Epuliden – insbesondere fibromatöse und granulomatöse Formen – sind gutartige Wucherungen des Zahnfleischs, die typischerweise durch lokale Reize, beispielsweise Zahnstein oder schlechtsitzende Prothesen, verursacht werden [Sopiatin et al., 2023; Ünal et al., 2023]. Sie zeigen sich als erhabene, feste Massen und können klinisch einem Plasmozytom ähneln. Histologisch unterscheiden sich beide Formen deutlich: Die granulomatöse Variante weist eine entzündlich-fibröse Gewebshyperplasie auf, während die fibromatöse Form durch hyalinisiertes FibrokollagenBindegewebe und ein lymphozytäres Infiltrat gekennzeichnet ist. Folgen einer späten Diagnose Das Erkennen eines Plasmozytoms als orale Manifestation des multiplen Myeloms ist entscheidend für die Prognose des Patienten. Eine verzögerte Diagnose kann zur Progression der Erkrankung und zu einer Verschlechterung der systemischen Kontrolle führen. Darüber hinaus können die Zerstörung des Knochens und die Ausbreitung des Tumors zu schwerwiegenden lokalen Komplikationen wie pathologischen Frakturen, schweren Infektionen oder ausgedehnten Weichteildefekten führen [Leitlinienprogramm Onkologie, 2022; Niels et al., 2014]. In Fällen, in denen die Diagnose zu spät gestellt wird, kann die systemische Tumorlast zunehmen, was die Behandlung erschwert und die Überlebensrate reduziert. Eine frühzeitige Diagnose hingegen ermöglicht die schnelle Einleitung einer systemischen Therapie, die die Progression der Erkrankung verlangsamen und die Lebensqualität des Patienten deutlich verbessern kann [Engelhardt et al., 2024]. FAZIT FÜR DIE PRAXIS Das multiple Myelom ist eine maligne Erkrankung des Knochenmarks, die sich bei etwa einem Drittel der Betroffenen auch im oralen Bereich manifestiert. Therapeutisch steht – anders als bei vielen anderen Krebsarten – nicht die chirurgische Entfernung des Tumors im Vordergrund, sondern eine Kombination aus medikamentösen Therapien, Immuntherapien und unterstützenden Maßnahmen. Bei etwa jedem siebten Betroffenen sind orale Manifestationen das erste Anzeichen der Erkrankung. Bei unklaren oralen Befunden – insbesondere bei Patienten mit onkologischer Vorgeschichte – ist eine gründliche Diagnostik notwendig, die frühzeitige Diagnose des multiplen Myeloms kann die Prognose entscheidend verbessern. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit sollte immer in Betracht gezogen werden, um potenziell lebensbedrohliche Erkrankungen frühzeitig zu erkennen. Zur Therapie eines multiplen Myeloms werden häufig auch Bisphosphonate eingesetzt, weshalb die Medikamentenanamnese bei Patienten mit multiplem Myelom besonders wichtig ist.
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