Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 12

44 | ZAHNMEDIZIN WISSENSCHAFTLICHE DEBATTE ZUR FORTBILDUNG „KARIESEXKAVATION“ In den letzten beiden Ausgaben der Zahnärztlichen Mitteilungen wurden unterschiedliche Sichtweisen auf den heutigen wissenschaftlichen Stand zur Kariesentfernung dargelegt. Während weitgehend Übereinstimmung in den Empfehlungen zur Behandlung von Läsionen, die nicht bis in Pulpanähe ausgedehnt sind, besteht, beschreiben die Beiträge unterschiedliche Positionen zur Kariesentfernung bei tiefen Läsionen. Gerade der letzte Beitrag von Dammaschke [2025] ist allerdings nur partiell mit der herrschenden Evidenz in Kongruenz zu bringen. Im Folgenden soll kritisch auf diesen Artikel eingegangen werden. 1. Die Darstellung der Evidenz zur selektiven (und auch schrittweisen) Kariesexkavation ist nicht ausgewogen. So wird beschrieben, wie die Erfolgsraten der selektiven Exkavation „im Laufe der Zeit sinken“ - was auf nahezu jede Intervention in der Medizin zutreffen dürfte. Die ausgewählte Darstellung einzelner Studien und das Auslassen jeglicher Vergleichsgruppen zur nonselektiven Exkavation werden genutzt, um ein schiefes Bild zum Erfolg der selektiven Exkavation zu zeichnen. So wird die Studie von Mertz-Fairhurst (1998) als Argument eingesetzt, um die selektive Exkavation zu diskreditieren, da hier für ein weniger invasives Vorgehen vermeintlich geringere Erfolgsraten gezeigt wurden als für die nonselektive Exkavation [Mertz-Fairhurst et al. 1998]. Festzustellen ist aber, dass „ (1) in dieser Studie überhaupt nicht selektiv exkaviert wurde, wie dargelegt. Stattdessen wurden kavitierte, nur moderat tiefe Läsionen ohne jegliche vorherige Exkavation mit einem Kunststoffmaterial versiegelt – ein Therapiekonzept, dass so niemand heute propagiert. „ (2) Ausgehend von der Tiefe der Kavitäten in dieser Studie bestand in keiner Gruppe (auch nicht in der der non-selektiven Exkavation) das Risiko einer Pulpaexposition – womit diese Studie ungeeignet ist, die Diskussion zum Management tiefer Läsionen zu befruchten. „ (3) Die zitierten hohen 10-Jahres Erfolgsraten (98 Prozent) nach nonselektiver Exkavation wurden in dieser Studie mit adhäsiv verankerten zm115 Nr. 12, 16.06.2025, (1022) Dr. med. dent. Sascha Herbst Stellvertretender Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Klinikum der Universität München Goethestraße 70 80336 München Foto: Gesine Born Univ.-Prof. Dr. Falk Schwendicke Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Klinikum der Universität München Goethestraße 70 80336 München Foto: Peitz/Charité Auf die Frage, ob man Karies am besten selektiv oder vollständig aus einer tiefen Läsion exkaviert, gibt es keine einhellige Antwort. Unsere Fortbildung präsentiert daher zwei Beiträge, die die Evidenz für ihre jeweiligen Positionen darstellen: Haak und Stein (Leipzig) argumentieren für die selektive, Dammaschke (Münster) für die vollständige Kariesexkavation. Die Artikel haben unter Wissenschaftlern rege Diskussionen ausgelöst. Hier lesen Sie ein Statement zu Dammaschkes Arbeit von Prof. Dr. Falk Schwendicke, Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie am Klinikum der Universität München. zm-Redaktion „Die Evidenz stützt weniger invasives Vorgehen bei tiefen Läsionen!“ Falk Schwendicke, Sascha Herbst

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=