Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 12

Die Finanzlücke der gesetzlichen Krankenkassen scheint so groß wie nie – nach einer Deloitte-Studie fehlen allein in diesem Jahr 46 Milliarden Euro. Und auch im Ländervergleich sieht Deutschland nicht gut aus. In den Ländern der EU-27 haben wir das mit Abstand teuerste Gesundheitssystem, belegen aber nur Platz 20 bei der Lebenserwartung der Menschen. Alle relevanten Parteien haben deshalb schon im Wahlkampf auf die Wunderwaffe „Prävention“ gesetzt, und im schwarz-roten Koalitionsvertrag steht der Satz: „Krankheitsvermeidung, Gesundheitsförderung und Prävention spielen für uns eine wichtige Rolle.“ Problem ist nur, dass die allgemeine Medizin noch weit davon entfernt ist, greifbare präventive Erfolge vorweisen zu können. Auch der aktuelle Ärztetag in Leipzig hat da wenig Hoffnung gemacht. Immerhin schön zu sehen ist, wie sich plötzlich viele Scheinwerfer auf die Zahnmedizin richten. Warum? Weil wir der einzige Heilberuf sind, der die Prävention zur Erfolgsgeschichte gemacht hat – und das völlig aus eigener Kraft. Unser Anteil am GKV-Topf sinkt in dem Maße, wie die mechanische Zahnmedizin weniger wird, gleichzeitig ist Deutschland Weltmeister in der Mundgesundheit. Der einzige Fleck auf unserer Präventions-Weste ist nicht unsere Schuld: Das war Karl Lauterbach mit dem Paro-Deckel! Wie lang unser Weg gedauert hat, wie steinig er war und wie viel Kraft er die Protagonisten gekostet hat, wurde erst kürzlich wieder deutlich, als die Bundeszahnärztekammer zwei Präventions-Pioniere der ersten Stunde – Lutz Laurisch und Klaus-Dieter Bastendorf – mit der Goldenen Ehrennadel für ihr Lebenswerk ehren durfte. So, und was hat jetzt Peter Neumann damit zu tun? Und wer ist das überhaupt? Peter Neumann ist das Pseudonym für einen real existierenden Zahnarzt, der als Stichwortgeber für einen ganzseitigen Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 25. Mai diente. Peter Neumann ist Zahnarzt in vierter Generation. Er hat die väterliche Praxis in einer deutschen Großstadt Ende der 1980er-Jahre übernommen, steht kurz vor dem Ruhestand und findet es gut, dass seine Kinder andere Berufe ergriffenhaben. Peter Neumann hat ein klares Bild von der heutigen Zahnmedizin: „Dort geht es immer häufiger um Rendite statt um die beste Behandlung für den Patienten … Die allermeisten Zahnärzte machen dabei mit, und keiner redet darüber … Es gibt im zahnärztlichen Bereich viel Pfusch … Viel zu viele Zähne werden als nicht mehr erhaltungsfähig deklariert, obwohl sie das noch wären.“ Ja, und jetzt kommt der Bruch im Neumann'schen Gedankengebäude. Obwohl seiner Meinung nach Zähne massenweise durch Pfusch und Renditegier geopfert werden, sind magischerweise viel zu viele Zähne gesund erhalten. Um die dadurch fehlenden Einkünfte zu kompensieren, so wirft Neumann seinen Kollegen vor, böten diese dann Leistungen an, „die nichts, aber auch gar nichts mehr“ mit dem Beruf des Zahnarztes zu tun hätten: Bleaching, Zahnschmuck, Akupunktur. Es ist eine Sache, die Vergangenheit hochhalten zu wollen, aber es ist eine ganz andere Sache, Kolleginnen und Kollegen mit Schmutz zu bewerfen, die unseren Patienten endlich geben, was sie sich doch sehnlich wünschen: Mundgesundheit mit natürlichen Zähnen. Das Ziel der Journalistin – selbst Ärztin – ist nicht so leicht zu verstehen. Irgendwie ahnt sie zwischen den Zeilen, dass Neumann in der Vergangenheit lebt, gleichzeitig präsentiert sie ihn aber doch als Vertreter einer vermeintlich ehrlichen alten Schule. Will sie vielleicht sagen, eigentlich ist die Zahnmedizin auf dem falschen Weg, auf einem Weg, dem die allgemeine Medizin nicht folgen sollte? Gegen diese Sicht sprechen allerdings die Fakten, die den Erfolg der deutschen Zahnmedizin der vergangenen Jahrzehnte belegen. Mit der Deutschen Mundgesundheitsstudie 6 liegen nun wirklich alle Beweise auf dem Tisch und deshalb hören wir einfach mal auf Udo Lindenberg: „Ich mach mein Ding, egal was die ander'n labern, was die Schwachmaten einem so raten, das ist egal.“ Prof. Dr. Christoph Benz Präsident der Bundeszahnärztekammer Lesen Sie mehr zur Verleihung der Goldenen Ehrennadel auf S. 80. Peter Neumann oder Udo Lindenberg? 6 | LEITARTIKEL Foto: Georg Johannes Lopata – axentis.de

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