Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 12

68 | ZAHNMEDIZIN NEUE S3-LEITLINIE Therapie der LKGF – Zahnärztliche Aspekte imFokus Anna Katharina Sander, Bernd Lethaus Die Anfang 2025 erschienene S3-Leitlinie definiert unter Beteiligung aller relevanten Fachdisziplinen erstmals im deutschsprachigen Raum primär evidenzbasierte Empfehlungen für die multidisziplinäre Therapie von Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Fehlbildungen (LKGF). Eine engmaschige zahnärztliche und kieferorthopädische Betreuung ist in dieser Patientengruppe während der gesamten Zahn- und Kieferentwicklung von herausragender Bedeutung. LKGF zählen weltweit zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen. In Deutschland scheint die Frequenz mit näherungsweise 1:500 betroffenen Neugeborenen besonders hoch zu sein [Mossey/Modell, 2012]. Die Entwicklung von Gesicht und Mundhöhlestellteinenhöchstkomplexen Prozess in der frühen Embryonalentwicklung dar. Die sensible Phase für die Entwicklung von Lippe und Alveolarkamm ist zeitlich etwa in der sechsten Woche der menschlichen Embryogenese verortet, die von Hartund Weichgaumen etwas später in der achten bis zehnten Woche post conceptionem [Hammond/Dixon, 2022]. Störungen der involvierten Gen-Interaktionen sowie Umwelteinflüsse können in dieser Phase eine physiologische FusionderNasen-undOberkieferwülste verhindern und zu uni- oder bilateralen Fehlbildungen unterschiedlicher Ausprägung führen. Dabei können nur einzelne anatomische Untereinheiten betroffen sein (siehe Abbildung 1, isolierte Lippen- oder Lippen-Kieferfehlbildungen, isolierte Hart-/Weichgaumenfehlbildungen). Der Ausprägungsgrad variiert von Mikroformen (zum Beispiel Lippenkerbe, Uvula bifida) bis hin zur vollständigen Unterbrechung aller anatomischen Strukturen mit Fehlbildung der äußeren und/oder inneren Nase. Die individuelle Krankheitslast wird primär von der Ausprägung der Fehlbildung, Komorbiditäten und Komplikationen beeinflusst. Eine langfristige, multidisziplinäre, auf den Patienten abgestimmte Therapie ist jedoch die Voraussetzung für eine vollständige Rehabilitation, adäquate Lebensqualität und gesellschaftliche Integration der Betroffenen. Eine gute zahnärztliche Versorgung ist dabei lebenslang von besonderer Bedeutung. Bei Fehlbildungsformen, die den Hartgaumen involvieren, wird zumeist bereits in den ersten Lebenstagen eine sogenannte Mund-Nasen-Trennplatte durch die Kieferorthopädie eingegliedert. Durch das gestörte Wachstumsmuster der Maxilla ist bei den meisten Patienten eine kieferorthopädische Mitbetreuung über den gesamten Zeitraum der Gebissentwicklung hinweg sinnvoll. Mit dem Durchbruch des Milchgebisses sollten zudem engmaschige kinderzahnärztliche Kontrollen eingeleitet werden. Häufig auftretende Nichtanlagen und Zahnmissbildungen stellen auch bei jugendlichen und erwachsenen Patienten eine besondere Herausforderung in Bezug auf die prothetische Versorgung dar. Ziel der neuen Leitlinie ist, durch Standardisierung der Behandlungskonzepte auf Basis des aktuellen Forschungsstandes Langzeit-Outcome und Lebensqualität von Patienten mit LKGF zu verbessern. Speziell auf die zahnärztlichen Aspekte der Therapie soll im Folgenden näher eingegangen werden. Methodik der S3-Leitlinie Unter Federführung der DGMKG und der DGZMK erstellten und bearbeiteten Mandatsträger von 40 FachgesellschafLippen-Kiefer-Gaumen-Fehlbildungen zählen weltweit zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen. Foto: Universitätsklinikum Leipzig zm115 Nr. 12, 16.06.2025, (1046)

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