Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 12

ZAHNMEDIZIN | 71 rioperative Phase der sekundären Kieferspaltosteoplastik. Laut Leitlinie sollte bei Patienten mit LKGF, transversaler Enge und maxillärer Retrognathie bevorzugt eine Therapie nach Alternate Rapid Maxillary Expansion and Constriction (AltRAMEC)-Protokoll mit maxillärer Protraktion [Liou/Tsai, 2005] eingesetzt werden (EbE↑). Die Protraktion mittels Gesichtsmaske oder Oberkieferprotraktionsfedern kann dabei simultan zur oder erst nach Abschluss der forcierten transversalen Nachentwicklung der Maxilla mittels zahngetragener oder knöchern fixierter Expander erfolgen. Hier zeigen sich signifikant größere vorteilhafte Veränderungen von skelettalen, dentoalveolären und weichgewebigen Parametern im Vergleich zur konventionellen Behandlung mit Expansion und anschließender Protraktion [Sami et al., 2023] und der Therapie ausschließlich mit Gesichtsmaske [Dogan/Seckin, 2020]. Bei Patienten mit LKGF mit Beteiligung des Kieferkamms sollte die kieferorthopädische Ausformung und transversale Weitung vor einer geplanten Kieferspaltosteoplastik des Oberkiefers erfolgen (EbE ↑). Diese sollte mindestens sechs Monate vor der geplanten Kieferspaltosteoplastik begonnen werden (EK ↑) und kann mittels festsitzender oder herausnehmbarer Apparaturen vorgenommen werden (EK↑). Die Kieferspaltosteoplastik sollte dann erfolgen, wenn absehbar ist, dass der eingebrachte Knochen in den folgenden sechs bis 18 Monaten dental belastet wird (EK ↑). Normalerweise ist das der Fall, wenn spaltrandnahe permanente Zähne durchbrechen oder kieferorthopädisch in den Spaltbereich bewegt werden sollen. Die Transplantation von autologem Knochen vom Beckenkamm in den Kieferspaltbereich muss im Vergleich zu alternativen Knochenersatzmaterialien weiterhin als Goldstandard betrachtet werden und sollte bis zum Vorliegen aussagekräftiger Ergebnisse von Studien hoher methodischer Qualität bevorzugt eingesetzt werden (EK↑). Im Regelfall erstreckt sich die kieferorthopädische Therapie über das Wechselgebiss hinaus bis in die permanente Dentition. Bei ausgeprägten Dysgnathien wird nach Wachstumsabschluss gegebenenfalls eine kombinierte kieferorthopädisch-kieferchirurgische Therapie erforderlich. Versorgung durch die Kinderzahnheilkunde Negative Auswirkungen einer LKGF auf die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität von Kindern und Erwachsenen wurden wiederholt belegt [Queiroz Herkrath et al., 2015]. Die Prävalenz von Nichtanlagen, Mikround Makrodontien, Doppelanlagen und Schmelzhypoplasien ist in dieser Patientengruppe deutlich erhöht [Azevedo et al., 2025; Marzouk et al., 2021]. Zudem scheint aber auch die Kariesprävalenz sowohl im Milch- als auch im bleibenden Gebiss signifikant höher als in Kontrollgruppen ohne orale Fehlbildung [Antonarakis et al., 2013]. Verschiedene kausale Faktoren könnten hierbei eine Rolle spielen. Einerseits erschweren die reduzierte Flexibilität des operierten Mundvorhofs und vermehrte Engstände (durch überzählige Zähne und ein geringeres Platzangebot bei einer hypoplastischen Maxilla) womöglich die Mundhygiene. Andererseits könnten impaktierte Nahrungsreste in palatinalen Nischen oder Restlöchern als Substrat kariogener Bakterien das Kariesrisiko erhöhen [Cheng et al., 2007]. Zähne mit Schmelzhypoplasien sind zudem per se kariesanfälliger. Ein weiterer möglicher Einflussfaktor sind kieferorthopädische Apparaturen. Die frühzeitige Eingliederung von Mund-Nasen-Trennplatten aus Acryl könnte die frühe Kolonisierung der Mundhöhle mit Streptococcus mutans und Laktobazillen bedingen [van Loveren et al., 1998] und so eine erhöhte Kariesprävalenz bereits im Milchgebiss verursachen [Bokhout et al., 1996a; Bokhout et al., 1996b]. Im Wechselund permanenten Gebiss ist die meist komplexere und langwierigere kieferorthopädische Therapie ein zusätzlicher Risikofaktor. Eine engmaschige zahnärztliche Betreuung und spezifische Mundhygieneinstruktionen sind daher essenziell. Der Zahnerhalt ist entscheidend für die Oberkieferentwicklung, weshalb die Vorsorge mit Durchbruch des Milchgebisses sorgfältig durchgeführt werden soll. Im Kindesalter hält die Leitliniengruppe im Regelfall dennoch über die reguläre halbjährliche Untersuchung hinausgehende zahnärztliche Kontrollen nicht für erforderlich. Ziel ist es, durch regelmäßige interdisziplinäre Kontrollen, unter anderem durch Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, Zahnärzte und Fachzahnärzte für Kieferorthopädie, die Mund- und Zahngesundheit betreffende Probleme frühzeitig zu identifizieren. Therapie bei Nichtanlagen Lückenöffnung versus Lückenschluss Besonders häufig sind die lateralen Inzisivi im Spaltbereich nicht angelegt. Bewährte Therapiemöglichkeiten sind einerseits der kieferorthopädische Lückenschluss, andererseits die Lückenöffnung mit anschließender konventioneller oder implantatprothetizm115 Nr. 12, 16.06.2025, (1049) Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Bernd Lethaus Ärztlicher Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Universitätsklinikum Tübingen Osianderstr. 2-8, 72076 Tübingen Foto: Stefan Straube Dr. med. Dr. med. dent. Anna Katharina Sander Klinik und Poliklinik für Mund-, Kieferund Plastische Gesichtschirurgie Universitätsklinikum Leipzig Liebigstraße 10-12, 04103 Leipzig anna.sander@medizin.uni-leipzig.de Foto: Stefan Straube

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