GESELLSCHAFT | 27 Foto: TikTok-der.hausarzt untersagt, für Medikamente zu werben und sie müssen sich an die Vorschriften der Ärztekammer halten. Medizinstudierende bewegen sich jedoch in einer rechtlichen Grauzone. Dem Betrachter der Videos erklärt sich das nicht. Dank Kasack, lässig übergehängtem Stethoskop und Klinik- oder Praxishintergrund werden die Absender als Ärztinnen und Ärzte wahrgenommen. Agenturen pushen den Nepp In Deutschland gibt es laut der Influencer-Agentur Medservation etwa 1.000 aktive Medfluencer, die Unternehmen gezielt für ihre Werbebotschaften buchen können. Nach eigenen Angaben erreicht Medservation allein jeden Monat mehr als 10 Millionen Menschen mit den von ihr vermittelten Medfluencern. Durch die Kombination von Gesundheit und Entertainment werde auf TikTok, Instagram & Co. eine große Zielgruppe erreicht. In Italien sorgen sich Ärzte seit geraumer Zeit, dass unqualifizierte Gesundheits-Influencer ein sogenanntes „paralleles Gesundheitssystem“ schaffen könnten. Bereits im September 2023 riefen sie eine Instagram-Kampagne mit dem Slogan „Gesundheit ist zu wichtig, um sie irgendjemandem anzuvertrauen” ins Leben, in der Folgendes hervorgehoben wurde: „Die gefährliche Zunahme von Gurus, Spezialisten, Coaches, Experten und Beratern im Internet, die keine Ausbildung oder keinen Hochschulabschluss im Gesundheitsbereich haben, aber in ihren Biografien Beschreibungen verwenden, die an etwas Medizinisches denken lassen." Echte Gegenmaßnahmen? Fehlanzeige! Zur Bekämpfung von Fehlinformationen im Gesundheitsbereich hat in Frankreich der Nationalrat der Ärztekammer (CNOM) Anfang dieses Jahres einen Ethikkodex eingeführt, die „Charta des Arztes, der Online-Inhalte erstellt“. Sie ist jedoch lediglich eine Selbstverpflichtung, die nicht bindender ist als alle bereits vorhandenen Regulierungen des Berufsrechts. Laut einem Bericht des Politikportals Euractiv will der ungarische Europaabgeordnete András Kulja im Ausschuss für öffentliche Gesundheit weitere Regulierungen vorantreiben. Er sieht eine Chance, „die Gesundheitskompetenz zu verbessern – von den täglichen Gewohnheiten bis hin zu den Gesundheitssystemen – und Fehlinformationen zu bekämpfen“. Sein Ziel sei es, „Menschen zu befähigen, fundierte Entscheidungen zu treffen und vertrauenswürdigen Online-Quellen zu vertrauen.“ Was man dazu noch wissen muss: Der Abgeordnete ist nicht nur Herzchirurg, sondern auch selbst Medfluencer. Vor seiner Wahl ins Europäische Parlament 2024 baute Kulja eine TikTok-Fangemeinde mit 370.000 Followern auf. In Operationskleidung teilte er medizinische Einblicke und Erklärungen zur menschlichen Anatomie. Mit DiseaseAwareness-Kampagnen seiner Kollegen hat er kein Problem. „Das Bewusstsein zu schärfen – insbesondere für seltene Krankheiten – ist äußerst wertvoll“, erklärte er gegenüber Euractiv. Dabei sei er sich der Risiken bewusst: „Gesundheit ist nicht immer SchwarzWeiß, aber Algorithmen belohnen oft dramatische oder stark vereinfachte Inhalte.“ mg zm115 Nr. 13, 01.07.2025, (1101) David Reckers ist zugelassener Allgemeinmediziner und Betreiber des Kanals „Der Hausarzt“. In einem seiner Videos spricht er über die seltene Autoimmunerkrankung primäre biliäre Cholangitis (PBC) – und kassiert dafür vom Konzern Ipsen Pharma, der im Oktober 2024 die EU-Zulassung für ein PBC-Präparat erhielt.
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