TITEL | 35 zm115 Nr. 14, 16.07.2025, (1201) Therapieoptionen aus Sicht der Zahnerhaltung Entscheidungshilfen Lückenöffnung/ Lückenschluss Für die Entscheidung zwischen einem kieferorthopädischen Lückenschluss und der Lückenöffnung spielen aus restaurativer Sicht dentale Parameter wie Farbe, Form und Position des Eckzahns (und gegebenenfalls des kontralateralen Zweiers) eine maßgebende Rolle. So sprechen etwa ein hoher Gingivaverlauf und eine erforderliche starke Farb- und Formanpassung des Eckzahns für eine kieferorthopädische Lückenöffnung.Der kieferorthopädische Lückenschluss wird hingegen eher in Betracht gezogen, wenn die Eckzähne relativ schmale Zahnkronen aufweisen, und Farbe und Form des Eckzahns akzeptabel zum Ersatz eines oberen Zweiers sind. Die Vorteile dieser Therapieform liegen darin, den fehlenden Zahn durch einen eigenen Zahn zu ersetzen, so dass keine kostenaufwendigen prothetischen Versorgungen im Erwachsenenalter folgen müssen und die Problemlösung bereits im jugendlichen Alter abgeschlossen werden kann [Terheyden und Wüsthoff, 2015]. Restaurative Maßnahmen nach kieferorthopädischem Lückenschluss im Frontzahngebiet Nach kieferorthopädischem Lückenschluss besteht die ästhetische Herausforderung darin, die betroffenen Zähne nach deren Mesialisierung (in der Regel die ersten Prämolaren und Eckzähne im Oberkiefer) in ihrer Form zu korrigieren und so an ihre neue Position in der ästhetisch relevanten Zone anzugleichen. Ästhetische Korrekturen, die früher nur mit prothetischen Mitteln (oder kieferorthopädischen Maßnahmen allein) zu realisieren waren, sind heute minimalinvasiv mittels Adhäsivtechnik und hochästhetischen Kompositmaterialien zu erzielen. Die mittlerweile verfügbaren Langzeitdaten belegen die sehr gute Prognose und Eignung von direkten Zahnformkorrekturen als definitive Versorgungsart [Frese et al., 2020; Hahn et al. 2020]. Odontoplastische Umformung des Oberkiefer-Eckzahns zu einem seitlichen Schneidezahn: Die odontoplastische Umformung der Eckzähne zu lateralen Schneidezähnen stellt die zentrale restaurative Maßnahme dar. Dies erfolgt in der Regel minimalinvasiv durch inzisale Kompositaufbauten, eventuell in Kombination mit einem externen Bleichen sowie auf den Zahnschmelz begrenzte subtraktive Maßnahmen. Subtraktive Maßnahmen umfassen eine mesio-distale sowie labiale Reduktion, die Abtragung der Eckzahnspitze und eine palatinale Rekonturierung um Frühkontakte mit dem antagonistischen Zweier zu vermeiden [Zachrisson und Mjör, 1975]. Odontoplastische Umformung des ersten Oberkiefer-Prämolaren zum Eckzahn: Bei Bedarf werden auch kleinere Korrekturen an den ersten Prämolaren vorgenommen, um sowohl die Okklusion als auch die Ästhetik weiter zu optimieren. Die Abtragung des palatinalen Höckers kann notwendig sein, um eine störungsfreie dynamische Okklusion mit Gruppenführung auf der Arbeitsseite zu schaffen und Störkontakte auf der Balanceseite zu verhindern [Asher und Lewis, 1986; Sabri, 1999]. Odontoplastische Umformung hypoplastischer Zweier: Für den Fall der unilateralen Nichtanlage eines oberen Zweiers, handelt es sich in fast der Hälfte der Fälle beim kontralateralen Zweier um einen hypoplastischen Zahn [Kabbani et al., 2017]. Für direkte Zahnumformungen hat sich die individuelle Matrizentechnik als eine universell anwendbare Technik bewährt. Die Technik wurde von Klaiber ausführlich beschrieben [Klaiber et al., 2001]. Konservierende Lösungen nach kieferorthopädischer Lückenöffnung im Frontzahngebiet Bei kieferorthopädischer Lückenöffnung im Bereich der nicht angelegten oberen Zweier stehen im noch wachsenden Kiefer, in dem Implantatversorgungen noch nicht infrage kommen, die Autotransplantation eines Prämolaren und die Adhäsivbrückenversorgung zur Verfügung: Autotransplantation von Prämolaren: Die Transplantation von Prämolaren mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum ist bei Kindern ab neun Jahren möglich. Die transplantierten Zähne werden mittels direkter Komposittechnik umgeformt, um die Ästhetik und die Funktion der transplantierten Zähne an ihre neue Position anzugleichen. Auch wenn sich die Anatomie – etwa im Bereich des Wurzelaustritts – naturgemäß vom ersetzten Zahn unterscheiden kann, lassen sich in der Regel ansprechende (oder akzeptable) Ergebnisse erzielen. Wichtige prognostische Faktoren – neben dem Entwicklungsstadium der Wurzel – sind eine gewebeschonende Entnahme und das schnelle Einsetzen in das Empfängerfach. Komplikationen wie Wurzelresorptionen oder Ankylosen sind möglich, treten aber bei korrekter Indikationsstellung und Technik selten auf [Akhlef et al., 2024]. Adhäsivbrückenversorgung: Einflügelige Adhäsivbrücken haben sich heute gegenüber den zweiflügeligen Adhäsivbrücken durchgesetzt. Sie können bei Kindern ab etwa zehn Jahren und Jugendlichen vor Abschluss des transversalen Kieferwachstums zum Einsatz kommen. Sie können problemlos in eine kieferorthopädische Therapie einbezogen werden und alle übrigen restaurativen Therapien wie Implantate und konventioneller Zahnersatz bleiben für einen späteren Zeitpunkt erhalten. Bei bilateraler Aplasie der oberen Zweier wird der Einsatz verblockter Freiend-Adhäsivbrücken empfohlen. Eine Verblockung der oberen Einser gewährleistet in diesem Fall eine Dauerretention beziehungsweise verhindert ein Diastema mediale. Während glasfaserverstärkte Komposit-Adhäsivbrücken auf Basis der verfügbaren Daten heute nur noch als eine langzeitprovisorische Therapieform zum Ersatz von Einzelzähnen im Front- und Seitenzahnbereich empfohlen werden können [Ahmed et al., 2017], stellen einflügelige vollkeramische Frontzahn-Adhäsivbrücken bei richtiger Indikationsstellung und fachgerechtem labortechnischem und klinischem Vorgehen heute adäquate Therapiemittel dar [Jerg et al., 2021]. von Dr. Britta Hahn
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