zm115 Nr. 14, 16.07.2025, (1225) ZAHNMEDIZIN | 59 Nachsorgeintervall von anfangs sechs Monaten und danach mit unregelmäßigen Nachuntersuchungen – bedingt durch Alter und Anreise – als stabil. Der Zahn 13 musste aufgrund einer Sekundärkaries 2022 entfernt werden und die Prothese wurde anschließend erweitert. Bis zu diesem Zeitpunkt ergab sich prothetisch, bis auf eine Unterfütterung und Verblendungsreparatur, kein nennenswerter Nachsorgebedarf. Weitere Orthopantomogramme wurden in jüngerer Vergangenheit nicht erstellt, da dafür keine rechtfertigende Indikation vorlag. Diskussion Die aktuelle S3-Leitlinie zur Therapie von Patienten mit einem Falltyp 3 der Parodontitis Stadium IV gibt Empfehlungen für unterschiedliche klinische Situationen mittels verschiedener prothetischer Lösungen. Für die meisten Empfehlungen ist die Evidenzlage allerdings begrenzt, da nur wenige klinische randomisierte Studien zur prothetischen Versorgung teilbezahnter Patienten mit klarem Bezug zur Parodontitis Stadium IV vorliegen und noch Forschungsbedarf besteht [Gotfredsen et al., 2022; Montero et al., 2022]. Für zahn- und implantatgetragene Versorgungsformen mit strategischer Pfeilervermehrung, beispielsweise mit Doppelkronen oder Druckknopfsystemen, liegen auch länderspezifische Besonderheiten vor. So hat sich insbesondere die deutsche Leitliniengruppe sowohl bei Falltyp 3 als auch bei Falltyp 4 für offene Empfehlungen zur Nutzung kombiniert zahn-/implantatgetragener Konzepte eingesetzt. Bei Patienten mit Parodontitis Stadium IV ist die Planung von Zahnersatz auf natürlichen Zähnen mit beziehungsweise ohne Implantate häufig eine Herausforderung. Dies insbesondere im Hinblick auf die langfristige Pfeilerprognose sowie die Tatsache, dass Implantate bei Patienten mit parodontalem Risikoprofil ein höheres Risiko für periimplantäre Komplikationen aufweisen [Ferreira et al., 2018]. Eine gute Hygienefähigkeit und die Erweiterbarkeit der Versorgung sind somit wichtige Aspekte und Grundforderungen. Die Kernfrage lautet bei diesen Patienten häufig: „Festsitzend oder herausnehmbar?“ Implantate können in beiden Versorgungsformen indiziert sein, parodontal vorgeschädigte Zähne unterstützen und so beispielsweise eine parodontal vorgeschädigte Front durch eine stabile posteriore Abstützung entlasten und somit deren Langzeitprognose verbessern. Weiterhin können das Patientenalter, patientenbezogene Faktoren, Patientenwünsche, die Vorgeschichte (schon länger abnehmbar versorgt?), die Prognose der verbleibenden Pfeiler, ästhetische Aspekte und auch die wirtschaftliche Situation die Entscheidung maßgeblich beeinflussen. Bei festsitzenden Implantatversorgungen sind verschraubte Versorgungen aufgrund der geringeren biologischen Komplikationsrate sowie der vorhersagbaren Abnehmbarkeit im Fall von notwendigen parodontalen Interventionen empfehlenswert. Bei den bedingt abnehmbaren Versorgungen unter Zuhilfenahme von Implantaten findet in der Regel das Konzept der strategischen Pfeilervermehrung in Kombination mit teleskopierenden Versorgungen Anwendung [Fobbe et al., 2019; Kern et al., 2019; Rammelsberg et al., 2014]. Hier werden wenige Implantate in statische und biomechanische Schlüsselpositionen inseriert, um durch das Erzielen einer idealerweise quadrangulären – alternativ linear zum Kieferkamm verlaufenden rechtwinkligen Abstützungslinie – die Prothesenabstützung zu optimieren [Brandt et al., 2019; Hammächer et al., 2002]. Auf diesem Weg können parodontal vorgeschädigte Pfeiler durch die sekundäre Verblockung stabilisiert werden. Weitere Vorteile dieser abnehmbaren Teleskop-Prothesen sind die gute Hygienefähigkeit, die Erweiterbarkeit bei Pfeilerverlust, die Vermeidung von umfangreichen Augmentationen, die Möglichkeit mittels labialer Kunststoffschilder die Weichgewebe zu unterstützen sowie die Option zum nachträglichen Einarbeiten von Pfeilern. Die Entscheidung für die jeweilige Versorgungsform sollte immer eine den individuellen Faktoren folgende Therapieentscheidung sein und setzt eine vollständige Aufklärung des Patienten im Sinne einer „shared decision“ oder eines „informed consent“ voraus [Gross, 2012]. Koordination parodontaler und prothetischer Maßnahmen Sowohl die europäische als auch die deutsche Leitliniengruppe waren sich einig, dass das oberste Ziel stets der Zahnerhalt und die Vermeidung von Zahnersatz ist. Daher sollte vor Abschluss der ersten beiden Stufen der parodontalen Therapie versucht werden, die geschlossene Zahnreihe – sofern möglich – zu erhalten, bis eine definitive Planung der prothetischen Versorgung möglich ist. Die zeitliche Koordinierung parodontaler, prothetischer und implantologischer Maßnahmen ist bei Patienten mit Parodontitis Stadium IV von besonderer Bedeutung. Die Leitlinie stellt klar, dass die Planung des definitiven Zahnersatzes erst nach Durchführung der zweiten Stufe der parodontalen Therapie erfolgen sollte. Die Entscheidung über den Umgang mit prognostisch unsicheren Zähnen mit Pfeilerfunktion wird dabei allerdings nicht tiefer thematisiert. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Patienten mit einer Parodontitis Stadium IV Falltyp 3 eine erhebliche Herausforderung an die zahnmedizinische Gesamtrehabilitation darstellen. Dies liegt an den zahlreichen notwendigen und sorgfältig aufeinander abzustimmenden Behandlungsphasen, den schwer vorhersehbaren Einzelzahnprognosen, der komplexen parodontalen Therapie sowie den vielfältigen möglichen prothetischen Versorgungskonzepten, die sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssen. Die erfolgreiche Umsetzung erfordert nicht nur fachliches Können, sondern auch eine strukturierte Nachsorge in individuell abgestimmten Intervallen. Die hier vorgestellte Leitlinie mit ihren Empfehlungen bietet eine praxisnahe Entscheidungshilfe für die Rehabilitation dieser anspruchsvollen Patientenfälle. Dabei unterstreicht sie insbesondere die oft notwendige interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Spezialisten. Abbildungen 9 bis 16 aus [Wolfart und Kern, 2024], mit freundlicher Genehmigung des Quintessenz Verlags
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