Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 14

zm115 Nr. 14, 16.07.2025, (1240) 74 | PRAXIS genau, welche Schritte auf mich zukommen. Noch bevor ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich mit dem Erlernen der Sprache begonnen. Nach meiner Ankunft habe ich direkt mit dem nächsten Sprachniveau weitergemacht und mich intensiv mit dem Thema Anerkennung beschäftigt – immer auf Basis offizieller Quellen, um keine Zeit zu verlieren. Anschließend habe ich sofort einen Termin für die Fachsprachprüfung beantragt und diese bereits im Oktober 2022 abgelegt. Danach wurde ich auf die Warteliste für die Kenntnisprüfung gesetzt. Den ersten verfügbaren Prüfungstermin – für den schriftlichen Teil – habe ich dann etwa eineinhalb Jahre später bekommen, im Juli 2024. Das liegt im normalen Rahmen, denn die Wartezeiten für die Prüfungen in Rheinland-Pfalz betragen in der Regel zwischen zwei und vier Jahren. In der Zwischenzeit habe ich jedoch nicht gewartet, sondern viele Bewerbungen verschickt und schließlich meine derzeitige Stelle in der Zahnarztpraxis gefunden, in der ich heute noch tätig bin. Wo funktioniert Integration? Wo nicht? Integration funktioniert dort gut, wo echte Teilhabe möglich ist – sei es im Arbeitsleben, in der Nachbarschaft oder im Bildungssystem. Wenn man respektiert und offen aufgenommen wird, entsteht das Gefühl, wirklich dazuzugehören. In meinem Fall hat Integration besonders gut funktioniert, weil ich in einem unterstützenden Team arbeiten durfte, das mir auf Augenhöhe begegnet ist. Auch der Kontakt zu Menschen aus unterschiedlichen Hintergründen – sowohl Deutschen als auch anderen Migrantinnen – hat mir geholfen, die Gesellschaft besser zu verstehen. Schwieriger wird Integration dort, wo es strukturelle Hürden gibt: zum Beispiel Vorurteile, fehlende Jobchancen oder komplizierte bürokratische Prozesse. Auch die Sprache bleibt eine große Herausforderung – besonders am Anfang. Ohne ausreichende Unterstützung kann sich Integration dadurch stark verzögern. An welche Situation denken Sie besonders gerne zurück? Ich erinnere mich gerne daran, dass ich alle Prüfungen beim ersten Versuch bestanden habe. Das gab mir das Gefühl, dass ich fähig bin, mich weiterzuentwickeln und noch viel erreichen kann. Es hat mir gezeigt, dass ich meine Fähigkeiten nicht unterschätzen darf. Auch an den Moment, als ich meinen ersten Patienten ganz allein behandeln durfte. Es war nur eine kleine Füllung, aber mein Team hat mir vertraut. Der Patient war freundlich und dankbar – das hat mir viel Selbstvertrauen gegeben und gezeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Wo hätten Sie sich vielleicht mehr Hilfe gewünscht? Ohne meine Familie in Deutschland zu sein, war anfangs sehr schwierig – und manchmal auch einsam. Trotzdem habe ich hier viele neue Menschen kennengelernt, die mir das Gefühl geben, nicht allein zu sein. Deutschland bietet mir viele Chancen, und ich versuche, diese positiv zu nutzen und mich gut zu integrieren. Ich denke auch, dass ich diese Erfahrungen nicht gemacht hätte, wenn ich nicht ausgewandert wäre. Wenn man seine Komfortzone verlässt und Neues ausprobiert, wird die Persönlichkeit viel stärker. Wie erleben Sie Deutschland? Ich würde sagen, meine größte Herausforderung war, dass ich ein Kopftuch trage. Viele Zahnärztinnen empfinden das leider als Hindernis und glauben, dass sie so nicht arbeiten können oder dass sie nicht akzeptiert werden. Aber bei mir war es genau das Gegenteil: Solange ich passende Kleidung für die Arbeit getragen habe, gab es überhaupt kein Problem. Das Team in der Praxis hat mich so akzeptiert, wie ich bin – auch die Patientinnen und Patienten waren sehr freundlich und offen. Können Sie sich vorstellen, irgendwann eine eigene Praxis hier zu betreiben? Ja, ich kann mir gut vorstellen, in der Zukunft eine eigene Praxis hier in Deutschland zu eröffnen. Das wäre ein großer Schritt und eine spannende Herausforderung. Aber ich möchte erst noch mehr Erfahrungen sammeln und mich weiterentwickeln. Aber langfristig ist es auf jeden Fall mein Ziel. Am Ende möchte ich allen, die wie ich sind, sagen: Nichts ist unmöglich, und Träume werden mit viel Einsatz und Mühe Wirklichkeit. Es ist ganz normal, am Anfang Angst zu haben und vieles fremd und schwierig zu finden. Wir müssen auf uns selbst vertrauen, um eine bessere Zukunft für uns und unsere Familien zu schaffen. Das Interview führte Navina Bengs. Nadim mit Praxischef Dr. Kleanthis Tsanopoulos (l.) mit Praxischefin Dr. Eiserloh-Weil: „Meine Chefin und mein Chef haben mich am Anfang sehr unterstützt. Sie waren geduldig mit mir, besonders wenn es um die Sprachbarriere und die neuen Abläufe ging“, berichtet Nadim. „Auch heute habe ich noch viele Fragen und zögere nie, diese mit ihnen zu besprechen. Das macht für mich den großen Unterschied aus, denn durch ihre Geduld und Offenheit kann ich mich immer weiter verbessern.“ Fotos: privat

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