Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 15-16

ZAHNÄRZTLICHE MITTEILUNGEN | WWW.ZM-ONLINE.DE Schützen Sie sich! AUSGABE 15-16 | 2025 zm 15.08.2025, Nr. 15-16 Wer ist für Zahnärzte zuständig? Die fünf Bundestagsfraktionen erklären, welche zahnärztlichen Themen sie in dieser Legislatur angehen wollen. SEITE 12 Gebrochene Implantatkomponenten Sechs klinische Fälle zu Ursachen, Befunden und Therapieoptionen bei frakturierten Abutments und Schrauben. SEITE 34 Trauma-Reaktivierung in der Praxis Wie Sie Ihren Patienten begleiten sollten, damit er nach einem Kontrollverlust zur emotionalen Stabilität zurückfindet. SEITE 54

meridol® med CHX 0,2 %Lösung zur Anwendung in der Mundhöhle. Zusammensetzung: 100 ml Lösung enthalten 1,0617 g Chlorhexidindigluconat-Lösung, entsprechend 200 mg Chlorhexidinbis (D-gluconat), Sorbitol-Lösung 70 % (nicht kristallisierend), Glycerol, Propylenglycol, Macrogolglycerolhydroxystearat, Cetylpyridiniumchlorid, Citronensäure-Monohydrat, Pfefferminzöl, Patentblau V (E 131), gereinigtes Wasser. Anwendungsgebiete: Zur zeitweiligen Keimzahlreduktion in der Mundhöhle, als temporäre adjuvante Therapie zur mechanischen Reinigung bei bakteriell bedingten Entzündungen der Gingiva und der Mundschleimhaut sowie nach parodontalchirurgischen Eingriffen, bei eingeschränkter Mundhygienefähigkeit. Gegenanzeigen: Bei Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels, bei schlecht durchblutetem Gewebe, am Trommelfell, am Auge und in der Augenumgebung. Nebenwirkungen: Reversible Beeinträchtigung des Geschmacksempfindens, reversibles Taubheitsgefühl der Zunge, reversible Verfärbungen von Zahnhartgeweben, Restaurationen (Zahnfüllungen) und Zungenpapillen (Haarzunge). Dieses Arzneimittel enthält Aromen mit Allergenen. Selten treten Überempfindlichkeitsreaktionen auf. In Einzelfällen wurden auch schwerwiegende allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock nach lokaler Anwendung von Chlorhexidin beschrieben. In Einzelfällen traten reversible desquamative Veränderungen der Mukosa und eine reversible Parotisschwellung auf. CP GABA GmbH, 20354 Hamburg. Stand: Juli 2024. Hier scannen, um mehr zu erfahren, oder gehen Sie auf www.cpgabaprofessional.de Hochwirksames Antiseptikum mit 0,2 % Chlorhexidin Angenehm milder Minzgeschmack – fördert die Compliance1 Zur täglichen Anwendung nach einer Chlorhexidin-Therapie Geeignet zur Implantatpflege KURZFRISTIG LANGFRISTIG meridol® med CHX 0,2 % Bei akuten Entzündungen oder nach parodontalchirurgischen Eingriffen meridol® PARODONT EXPERT Für Patient:innen die zu Parodontitis und Rezession neigen. Stärken Sie die Widerstandskraft des Zahnfleisches Ihrer Patient:innen 1. Mathur S. et al, National Journal of Physiology, Pharmacy & Pharmacology, 2011. – Zahnfleischschutz in jedem Behandlungsstadium

EDITORIAL | 3 Das Prinzip Hoffnung regiert Präsident der Landeszahnärztekammer Brandenburg war. Kürzlich hat er den Staffelstab an Dr. Romy Ermler übergeben. Herbert berichtet von den sehr bescheidenen Anfängen der Zahnärztekammer in einer Baracke in Cottbus und wie er über Jahrzehnte hinweg versucht hat, den Kolleginnen und Kollegen Lust auf die Niederlassung in eigener Praxis zu machen. Lesen Sie ein Stück Zeitgeschichte. Außerdem haben wir den Hamburger KZV-Chef Dr. Eric Banthien zum Probebetrieb der elektronischen Patientenakte in der Hansestadt interviewt. Sein Fazit zum aktuellen Stand der ePA fällt sehr durchwachsen aus. Gleichzeitig rät er Zahnärztinnen und Zahnärzten in anderen Regionen, sich mit der ePA vor dem verpflichtenden Start am 1. Oktober zu befassen. Viel Spaß bei der Lektüre Sascha Rudat Chefredakteur Die GKV-Finanzen bleiben Dauerthema. Auch innerhalb der Bundesregierung. So wird die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) über das bereits bekannte Darlehen hinaus keine weiteren Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt erhalten. Das hat Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) kürzlich bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfs der Bundesregierung für das Jahr 2026 deutlich gemacht. Neben dem regulären Jahreszuschuss von 14,5 Milliarden Euro sieht der Haushaltsplan für 2026 lediglich ein weiteres Darlehen von 2,3 Milliarden Euro vor. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat schon erklärt, dass damit die Finanzierungslücke in der GKV nicht geschlossen werden könne und dass Beitragssteigerungen angesichts des verbleibenden Fehlbetrags von rund vier Milliarden Euro nicht ausgeschlossen werden könnten. Interessant ist, dass Klingbeil seine Weigerung, mehr Geld für die GKV zur Verfügung zu stellen, mit Berufung auf die geplanten Kommissionen zur Erarbeitung von Vorschlägen für eine nachhaltige Reform der GKV-Finanzen begründet. Wenn die Kommission zeitnah Ergebnisse vorlegen würde, die dann sofort umgesetzt würden, seien zumindest deutliche Beitragssteigerungen im Jahr 2026 vermeidbar, erklärte der SPD-Politiker. 2026?! Laut Koalitionsvertrag soll die Kommission erst bis zum Frühjahr 2027 erste Ergebnisse vorlegen. Warken ihrerseits hatte angekündigt, dass dies eventuell bereits 2026 geschehen könne. Aber selbst wenn dieser mehr als unwahrscheinliche Fall eintritt: Bis die Vorschläge in der Regierung diskutiert und dann umgesetzt sind, erscheint auch 2027 mehr als ambitioniert. Man kann sich irgendwie des Eindrucks nicht erwehren, dass die Bundesregierung dem Prinzip Hoffnung frönt. Die allwissende Kommission soll auf wundersame Weise Vorschläge erarbeiten, die die GKV-Finanzen dauerhaft stabilisieren. Lassen wir uns also überraschen. Derweil haben die Krankenkassen Klingbeils Haushaltsentwurf für 2026 erwartungsgemäß umgehend heftig kritisiert. Es dürfte also noch spannend werden. Der Druck im Kessel steigt. Viel Druck haben offenbar auch einige Patientinnen und Patienten – Aggressionen, verbale Ausfälle und Gewalt gegen medizinische Fachkräfte nehmen zu. Oft sind es scheinbare Kleinigkeiten, die Patienten in Rage bringen und die Lage eskalieren lassen. Um in solchen Situationen adäquat zu reagieren und sich und sein Personal zu schützen, ist eine gute Vorbereitung sinnvoll. Der niedergelassen Oralchirurg Dr. David Klingert hat ein Konzept zur Deeskalation entwickelt. Wir stellen in unserer Titelgeschichte verschiedene Szenarien vor, die der Profi einordnet. Gerne können Sie uns von Ihren Erfahrungen berichten. Von seinen Erfahrungen in der Standespolitik erzählt in dieser Ausgabe Jürgen Herbert, der sage und schreibe 34 Jahre Foto: Lopata/axentis

4 | INHALT 46 Jürgen Herbert blickt zurück Er war der jüngste niedergelassene Zahnarzt in der DDR und jüngster Kammerpräsident. Nach über 34 Jahren hört er jetzt auf. 62 Anfeuern bis es sitzt! Warum Sie beim Fehlermanagement ans Cheerleading denken sollten, verrät Zahnärztin und TeamCoach Dr. Anke Handrock. MEINUNG 3 Editorial 6 Leitartikel 8 Leseforum POLITIK 12 Politikern auf den Zahn gefühlt Wer ist für Zahnärzte zuständig? 40 20. Europatag der Bundeszahnärztekammer „Prävention hat keinen Schalter, den man einfach umlegt!“ 46 Rückblick von Jürgen Herbert auf seine Amtszeit „Am Anfang war es wichtig, einfach zu machen!“ ZAHNMEDIZIN 16 MKG-Chirurgie Zerebraler Abszess nach odontogener Infektion bei vermeintlicher Penicillinallergie 32 Forschung zu neuronaler Reinnervation Zahnimplantate könnten sich bald wie echte Zähne anfühlen 34 Der besondere Fall mit CME Management gebrochener Implantatkomponenten 49 Narrativer Review Der Mund ist ein Spiegel der Seele 54 Trauma-Reaktivierung auf dem Zahnarztstuhl Wenn der Patient die Kontrolle verliert 58 Aus der Wissenschaft Der OP-Roboter implantiert präziser als die Bohrschablone 64 Rätsel um den Vitruvianischen Menschen Hat ein Zahnarzt den Da-Vinci-Code geknackt? 66 Endodontie NaOCl-Spülunfall mit Knochennekrose TITELSTORY 24 Gewaltprävention in der Zahnarztpraxis Training für die Oberhand Inhalt zm115 Nr. 15-16, 16.08.2025, (1262)

INHALT | 5 66 Endodontie Im Rahmen einer Wurzelkanalbehandlung an Zahn 25 kam es durch einen Spülunfall mit Natriumhypochlorit zur Ausbildung einer Gingiva- und Knochennekrose. PRAXIS 22 Interview mit Dr. Eric Banthien zur elektronischen Patientenakte „Zahnärzte sollten plug and play mit der ePA arbeiten können“ 31 Urteil des Bundesgerichtshofs Patienten können ihren Arzt als Erben einsetzen 42 Niederlassungsverhalten in denUSA So gehen junge US-Zahnärzte in den Beruf 62 Prozessoptimierung – Teil 5 Warum Sie beim Fehlermanagement ans Cheerleading denken sollten GESELLSCHAFT 45 Medizinische Kompetenz wird infrage gestellt KI beeinträchtigt das Arzt-Patienten-Verhältnis 52 Mit dem Dentalmuseum durch 2025 – Teil 14 Wie ein Dental-Detektiv 70 Dentists for Africa fördert lokale Zahngesundheit Wenn die Helfer von Tür zu Tür gehen 72 VR zeigt die richtige Aufbereitung Hier lernen ZFA-Azubis im virtuellen Steriraum MARKT 76 Neuheiten RUBRIKEN 10 Ein Bild und seine Geschichte 15 Nachrichten 57 Formular 60 Termine 75 Impressum 98 Zu guter Letzt Titelfoto: Dr. Klingert zm115 Nr. 15-16, 16.08.2025, (1263) TITELSTORY 24 Schützen Sie sich! Immer häufiger sind Zahnärztinnen, Zahnärzte und ihre Teams aggressivem Verhalten von Patienten ausgesetzt. Der Oralchirurg Dr. David Klingert hat ein Konzept entwickelt, um Zahnarztpraxen auf brenzlige Situationen vorzubereiten.

Als Zahnärztinnen und Zahnärzte wissen wir: Prävention ist der Schlüssel zu einem gesunden Lächeln. Doch ihre Bedeutung reicht weit über die Zahngesundheit hinaus. Sie ist ein entscheidender Faktor für die allgemeine Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten, insbesondere bei unseren jüngsten Mitgliedern der Gesellschaft. Die Einführung der gemeinsamen Dokumentation zahnärztlicher und ärztlicher Früherkennungsuntersuchungen im Gelben Heft ab dem 1. Januar 2026 ist ein Meilenstein, der die Zusammenarbeit von Zahnärzten und Kinderärzten stärkt und die Prävention auf ein neues Niveau hebt. Frühe Prävention für lebenslange Gesundheit Die zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen im Kindesalter sind von unschätzbarem Wert. Sie ermöglichen es uns, potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen und präventive Maßnahmen zu ergreifen, bevor sich ernsthafte Schäden entwickeln. Durch regelmäßige Kontrollen und eine konsequente Prophylaxe können wir schwerwiegende Eingriffe wie umfangreiche Sanierungen unter Vollnarkose oftmals vermeiden. Das bedeutet nicht nur weniger Angst und Schmerz für die Kinder, sondern auch eine erhebliche Entlastung für die Eltern und das Gesundheitssystem. Ein gesunder Mund im Kindesalter ist der Grundstein für eine lebenslang gute Mund- und Allgemeingesundheit. Die gemeinsame Dokumentation im Gelben Heft ist ein großer Schritt, um die Kindergesundheit insgesamt zu fördern. Sie erleichtert den Informationsaustausch zwischen Zahn- und Kinderärzten und ermöglicht eine noch umfassendere Betreuung. So können wir sicherstellen, dass kein Kind durchs Raster fällt und alle notwendigen präventiven Maßnahmen frühzeitig ergriffenwerden. Parodontitis und Allgemeingesundheit eng verbunden Die Bedeutung der Prävention beschränkt sich jedoch nicht auf das Kindesalter. Auch bei Erwachsenen spielt die Mundgesundheit eine entscheidende Rolle für das allgemeine Wohlbefinden. Insbesondere die Parodontitis ist ein Paradebeispiel für die enge Verbindung zwischen Mundund Allgemeinerkrankungen. Wir wissen: Eine unbehandelte Parodontitis kann das Risiko für eine Reihe von ernsthaften Allgemeinerkrankungen erhöhen. Dazu gehören n Diabetes mellitus: Parodontitis kann die Blutzuckereinstellung bei Diabetikern erschweren und umgekehrt kann ein schlecht eingestellter Diabetes die Entwicklung und das Fortschreiten einer Parodontitis begünstigen. n Koronare Herzkrankheiten: Es gibt Hinweise darauf, dass die Entzündungen, die durch Parodontitis ausgelöst werden, zur Entstehung und Verschlechterung von HerzKreislauf-Erkrankungen beitragen können. n Auch ein Zusammenhang zwischen parodontalen Entzündungen und der Aktivität rheumatischer Erkrankungen wird diskutiert. Diese Beispiele zeigen, wie wichtig die enge intersektorale Abstimmung aller Fachprofessionen ist. Eine isolierte Betrachtung von Mund- oder Allgemeinerkrankungen ist nicht mehr zeitgemäß. Nur durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit können wir unsere Patientinnen und Patienten optimal betreuen und die bestmöglichen Gesundheitsergebnisse erzielen. Es freut mich daher sehr, dass der G-BA im Juni 2025 beschlossen hat, im DMP Diabetes mellitus Typ 1 die Aufklärung über die Bedeutung der Mund- und Zahngesundheit und den Verweis auf die zahnärztliche Vorsorge ausdrücklich verankert hat. Damit korrespondiert diese Regelung mit unserer PARRichtlinie und berücksichtigt darüber hinaus die aktuelle S2K-Leitlinie der AWMK „Diabetes und Parodontitis“. Aufklärung und Zusammenarbeit Die Zeiten, in denen die zahnmedizinische Versorgung losgelöst von der Humanmedizin betrachtet werden konnte, sind vorbei. Wir Zahnärztinnen und Zahnärzte haben gemeinsam mit den ärztlichen Kolleginnen und Kollegen die Aufgabe, unsere Patientinnen und Patienten über die Sektorengrenzen hinaus gemeinsam zu versorgen und sie für die Bedeutung der Gesundheit insgesamt zu sensibilisieren. Das Gelbe Heft und die Aktualisierung des DMP Diabetes zeigen, dass wir dabei auf einem guten Weg sind. Martin Hendges Vorsitzender des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung Intersektorale Zusammenarbeit – der Schlüssel zu einer guten Allgemeingesundheit 6 | LEITARTIKEL Foto: Jan Knoff, Cologne

*Bildung einer zahnschmelzähnlichen Schutzschicht über freiliegendem Dentin in Labortests Referenzen: 1. Earl J et al. J Clin Dent 2011; 22(Spec Iss): 68 – 73. 2. Haleon, Data on File 2024, Report QD-RPT-118201. 3. Hall C et al. J Dent 2017; 60: 36–43. © 2025 Haleon oder Lizenzgeber. Marken sind Eigentum der Haleon Unternehmensgruppe oder an diese lizenziert. Haleon Germany GmbH. Einzigartiger Schutz vor Schmerzempfindlichkeit durch Dentinreparatur mit NovaMin NovaMin bildet eine Schutzschicht, die härter ist als natürliches Dentin.*,1,2 HelfenSieIhren Patient:innen, ihre Schmerzempfindlichkeit langanhaltendzu lindern.3 Jetzt registrieren undkostenlose Muster anfordern. Mit 5% NovaMin PM-DE-SENO-25-00004-20250318

zm115 Nr. 15-16, 16.08.2025, (1266) Leserforum Netter Artikel auf Seite 10 Politik zu Ausfallgebühren. Nur, in der Schule wäre es eine Sechs: Thema verfehlt. Bitte hören Sie auf, Zahnärzte mit Ärzten zu vergleichen. In einer gut geführten Bestellpraxis sitzt mitnichten das Wartezimmer voll und man kann sich vor Arbeit kaum retten. Meine ZMF machen ausschließlich Prophylaxe, Erwachsene und Kinder, da bedeutet ein Nichterscheinen bis zu 200 Euro Ausfall. Und diesen Honorarausfall stelle ich auch in Rechnung, ohne Wenn und Aber. Denn wir haben ein automatisches Erinnerungssystem implementiert, das keinerlei Ausreden mehr zulässt. Selbstverständlich schriftlich vereinbart, wer diesen Service nicht nutzen möchte, Stichwort DSGVO, muss selber die Einhaltung sicherstellen. Höhere Gewalt ist selbstverständlich ausgenommen, doch erwarten wir schon einen Anruf zeitnah mit einer Erklärung. Kommt dieser Anruf nicht, so geht auch hier fünf Werktage später die Ausfallrechnung raus. Klar bezahlt nicht jeder, doch jeder, der nicht zahlt, erhält eine Terminsperre für jedwede Behandlung außer reiner Schmerzbehandlung und auch diese Behandlung muss terminiert werden! Meine Praxis, meine Regeln, wer die nicht akzeptieren will, darf sich gerne einen anderen Behandler suchen. Britta Kirch Gummersbach GEBÜHREN BEI NICHTERSCHEINEN Meine Praxis, meine Regeln Zum Artikel „Juristische Prüfung von Ausfallhonoraren: Sind Gebühren bei No-Shows legal?“ zm 14/2025, S. 10. Foto: ©Federico Rostagno - stock.adobe.com Die zm-Redaktion ist frei in der Annahme von Leserbriefen und behält sich sinnwahrende Kürzungen vor. Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch in der digitalen Ausgabe der zm und bei www.zm-online.de zu veröffentlichen. Bitte geben Sie immer Ihren vollen Namen und Ihre Adresse an und senden Sie Ihren Leserbrief an leserbriefe@zm-online.de oder an die Redaktion: Zahnärztliche Mitteilungen, Chausseestr. 13, 10115 Berlin. Anonyme Leserbriefe werden nicht veröffentlicht.

8. November 2025 in Düsseldorf ONE-DAY VENEER MASTERCLASS DIGITALE ÄSTHETIK. INTERNATIONALE EXPERTISE. KOMPAKT AN EINEM TAG. DR. NAZARIY MYKHAYLYUK Spezialist für digitale ästhetische Zahnmedizin ROELAND DE PAEPE Experte für Smile Makeovers und komplexe Restaurationen VERANSTALTUNGSORT: Karl-Häupl-Institut Hammfelddamm 11, 41460 Neuss SPRACHE: Englischsprachig TEILNAHMEOPTIONEN: 1. One-Day Veneer Masterclass (nur 8. November) 2. Veneer Masterclass mit Networking-Dinner (7./8. November) im Düsseldorfer Medienhafen WAS SIE ERWARTET: • Digital Smile Design und integrative Diagnostik • 4D-Funktionsanalyse und optimierte Workflows • Live-Demos: Präparation, Adhäsivtechnik, klinische Umsetzung • Material-Insights: Aidite 3D Pro, EZneer Powered by Aidite & Modern Dental Europe www.permadental.de/veneer-masterclass INFORMIEREN UND REGISTRIEREN BEGRENZTE TEILNEHMERANZAHL a perfect new smile for your patient

EIN BILD UND SEINE GESCHICHTE zm115 Nr. 15-16, 16.08.2025, (1268) 10 | GESELLSCHAFT Der 6. Mai 2025 markiert für Dr. Priti Adani einen weiteren Meilenstein ihrer steilen Karriere. An diesem Tag wurde der indischen Zahnärztin honoris causa der prestigeträchtige Doctor of Science (D.Sc.) durch das Datta Meghe Institute of Higher Education and Research Maharashtra verliehen. Die 60-Jährige erhielt die Auszeichnung jedoch nicht für Verdienste in der Zahnmedizin, sondern für ihr unermüdliches soziales Engagement mit der Adani Foundation, deren Vorsitzende sie ist. Die Stiftung wurde von Priti und ihrem Mann, dem Multimilliardär Gautam Adani, 1996 gegründet und widmet sich Projekten zur Verbesserung der kommunalen Infrastruktur im ländlichen Raum, vor allem mit Blick auf das Bildungs- und Gesundheitswesen. Adani erzählt, dass sie sich damals bewusst gegen eine medizinische Karriere entschied, um sich voll der Stiftungsarbeit widmen zu können. Was als bescheidene Wohlfahrtsinitiative in einigen wenigen Dörfern begann, „hat sich seither zu einer mächtigen nationalen Bewegung entwickelt“, hieß es in der Laudatio. Die Adani Foundation unterstützt heute jährlich 9,1 Millionen Menschen in 6.769 Dörfern in 19 indischen Bundesstaaten. Tatsächlich ist die Stiftung als Corporate Social Responsibility-Ableger der extrem erfolgreichen Adani-Unternehmensgruppe über die Jahre zu einer der führenden gemeinnützigen philanthropischen Institutionen Asiens geworden mit einem Kapital von 7 Milliarden und jährlichen Ausgaben von 100 Millionen US-Dollar. Heute beschäftigt sie 800 Entwicklungsexperten, die sich demnach vor allem dafür einsetzen, das Leben von Kindern, Frauen, Jugendlichen und marginalisierten Gemeinschaften zu verbessern. Einen klitzekleinen Wermutstropfen gibt es aber doch: Die Ehrendoktorwürde ist für Adani nichts Neues. Bereits 2020 erhielt sie von der Gujarat Law Society University für ihre Beiträge zu Bildung und zur sozialen Verantwortung von Unternehmen den Titel. mg Foto: Instagram-foundation.adani, Dennis – stock.adobe.com

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12 | POLITIK POLITIKERN AUF DEN ZAHN GEFÜHLT Wer ist für Zahnärzte zuständig? Welche Politikerinnen und Politiker im Gesundheitsausschuss des Bundestags kümmern sich eigentlich um die zahnärztliche Versorgung und die Themen, die Zahnärzte betreffen? Was haben sie sich für diese Legislaturperiode vorgenommen und wie wollen sie die zahnärztliche Versorgung auch künftig sicherstellen? Die zm hat bei den fünf zuständigen Bundestagsabgeordneten nachgefragt. Die Herausforderungen im Gesundheitswesen sind riesig. Um Lösungen ringen seit der Bundestagswahl im Februar dieses Jahres 38 Abgeordnete im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags. Die Fraktionen sind dabei gemäß ihrer Stärke im Parlament vertreten: Der Unionsfraktion gehören 13 Abgeordnete an, der AfD-Fraktion neun, der SPD-Fraktion sieben, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf und der Fraktion Die Linkevier. Die vergangene Wahl hat für Bewegung im Gesundheitsausschuss gesorgt. Einige bekannte Abgeordnete waren nicht erneut angetreten, andere verpassten die Wiederwahl. Dadurch haben sich auch die Zuständigkeiten zum Teil geändert. Für Kontinuität steht Prof. Armin Grau von Bündnis 90/Die Grünen. Der Neurologe war bereits in der vergangenen Legislaturperiode Ansprechpartner für Themen und Anfragen rund um die Zahnmedizin. Ein bekanntes Gesicht ist auch Dr. Christos Pantazis von der SPD, der ebenfalls Neurologe ist. Der 49-Jährige gehört seit 2021 dem Bundestag und dem Gesundheitsausschuss an. Seit Kurzem ist er gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion und kümmert sich zudem um den Bereich „Zahnärztliche Versorgung und Vergütung“. Neuer Berichterstatter für den Bereich „Zahnärzte“ der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist Axel Müller. Im Bundestag und im Gesundheitsausschuss engagiert sich der Richter bereits seit 2017. Ein neues Gesicht im Parlament ist hingegen die Fachkinderkrankenschwester Julia-Christina Stange von den Linken. Auch sie befasst sich mit zahnärztlichen Themen, genauso wie die Zahnärztin Dr. Christina Baum von der AfD-Fraktion. Woran krankt das Gesundheitswesen am meisten? Axel Müller: Aus den vielen Problembereichen will ich drei herausgreifen: Da ist zum einen die im Vergleich zu anderen europäischen Ländern offensichtliche Diskrepanz zwischen den eingesetzten Mitteln und den erzielten Erfolgen (Ineffizienz). Zum anderen die massive Einflussnahme der unzähligen Anbieter der Gesundheitswirtschaft auf die politischen Entscheidungsträger (überbordende Lobbyarbeit) und zum dritten die mangelnde Eigenverantwortung der Nutzer (Patienten). Dr. Christina Baum: Patienten dürfen nicht vorrangig ökonomisch, sondern müssen wieder ganzheitlich als ein Organismus von Körper und Geist betrachtet werden. Alternative Heilmethoden, die den gesamten Menschen im Blick haben, sind vollständig anzuerkennen. Eigenverantwortung/Prävention müssen gestärkt werden, jeder ist zunächst für seine Gesundheit selbst verantwortlich. Verwaltungskosten zm115 Nr. 15-16, 16.08.2025, (1270) AXEL MÜLLER (CDU) Geboren am 24. Juli 1963 in Esslingen am Neckar (BadenWürttemberg), studierte Müller Rechtswissenschaften in Tübingen. 1992 trat er in den Justizdienst von Baden-Württemberg ein, 2003 in die CDU. Bis zu seiner Wahl in den Deutschen Bundestag 2017 arbeitete er als Vorsitzender Richter am Landgericht Ravensburg. Bei der diesjährigen Wahl im Februar gewann er erneut das Direktmandat im Wahlkreis der Stadt. Seit 2017 wirkt er im Gesundheitsausschuss sowie im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundestags mit. Im Gesundheitsausschuss ist Müller Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für den Bereich „Zahnärzte“. Foto: Tobias Koch Foto: katatonia – stock.adobe.com

POLITIK | 13 sind durch Bürokratieabbau zu reduzieren. Der leistungslose Zugang zur GKV ist zu beschränken. Dr. Christos Pantazis: Unser Gesundheitswesen leidet an Defiziten bei der Digitalisierung, unzureichender Prävention sowie mangelnder Effizienz und Steuerung – insbesondere bei der Notfallversorgung und der fehlenden Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung. Ein modernes Primärarztsystem soll hier gezielt Abhilfe schaffen und Patientinnen und Patienten besser durchs System lotsen. Prof. Armin Grau: Es krankt an mangelnder Prävention und Gesundheitsförderung, an zu vielen stationären Behandlungen und zu starker Sektorentrennung. Gewinninteressen stehen nicht selten im Konflikt mit dem Patientenwohl. Gerade im zahnärztlichen Bereich sehen wir durch InvestorenMVZ eine Entwicklung, die Qualität und Versorgungsgerechtigkeit gefährdenkann. Julia-Christina Stange: Das deutsche Gesundheitswesen krankt vor allem an seiner Zwei-Klassen-Struktur und der zunehmenden Ökonomisierung medizinischer Versorgung. Wenn der Geldbeutel entscheidet, wie schnell und gut jemand behandelt wird, dann ist das weder gerecht noch gesund. Auch in der Zahnmedizin spüren viele Menschen, dass notwendige Behandlungen nicht vollständig übernommen werden und Prävention zu kurz kommt. Was wollen Sie in dieser Legislaturperiode erreichen? Müller: Einen wesentlich effektiveren Einsatz der begrenzten finanziellen Ressourcen, um die für den internationalen Wettbewerb und die Leistungsmotivation der Beschäftigten trotz demografischen Wandels wichtige Beitragsstabilität zu erreichen. Baum: Den flächendeckenden wohnortnahen Erhalt von Krankenhäusern und Hausarztpraxen. Aufarbeitung des Themas Corona und Verhinderung der Abgabe von Befugnissen an zentrale globale Strukturen wie die WHO. Pantazis: Wir wollen die GKV finanziell stabilisieren und gleichzeitig zentrale Strukturreformen umsetzen. Mit der Krankenhausreform, dem Primärarztsystem und einer effizienteren Notfallversorgung wollen wir vorhandene Effizienzreserven heben – für eine bessere Versorgung ohne Mehrbelastung der Beitragszahlenden. Grau: Wir wollen die Regierungsarbeit kritisch begleiten. Prävention und sektorübergreifende Versorgungsstrukturen vor allem im ländlichen Raum sollen gestärkt werden. Stange: Unser zentrales Ziel ist die Einführung einer solidarischen Gesundheits- und Pflegevollversicherung – weg vom Flickenteppich aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Jeder Mensch soll Zugang zu allen medizinisch notwendigen Leistungen bekommen, ohne Zuzahlungshürden und ohne Angst vor den Kosten. Krankenhäuser gehören in die öffentliche Hand und müssen auskömmlich finanziert werden. Präventive und notwendige zahnmedizinische Leistungen müssen vollständig von den Kassen übernommen werden. Außerdem kämpfen wir für mehr Personal, bessere Löhne und mehr Mitbestimmung für Beschäftigte im Gesundheitswesen. Was muss seitens der Politik getan werden, um die Prävention und Früherkennung von Zahnerkrankungen zu fördern? Müller: Es bedarf einer besseren Aufklärung der Bevölkerung, diese muss bereits im Schulalter erfolgen. Etwaige Bonussysteme sollten darauf überprüft werden, ob sie in ihrer Attraktivität noch gesteigert werden könnten. Baum: Die Zahnmedizin hat gezeigt, dass regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen zu einer deutlich verbesserten Zahngesundheit geführt haben. Ein Anreizsystem für Patienten (Kosteneinsparung bei späteren Behandlungen – Bonusheft) und auskömmliche Vergütung der Zahnärzte sind dafür die Grundvoraussetzung. Pantazis: Prävention braucht gezielte Aufklärung, niedrigschwellige Angebote und bessere Vernetzung mit anderen Versorgungsbereichen. Digitale Tools können helfen, Bürokratie zu senken und Behandlungen zu beschleunigen – zum Vorteil von Praxen und Patientinnen und Patienten. Grau: Prävention muss integraler Bestandteil der Versorgung werden – etwa in Kitas und Schulen. Dafür brauchen wir verbindliche Strukturen und eine stärkere Einbindung der zahnärztlichen Expertise in Präventionsstrategien. zm115 Nr. 15-16, 16.08.2025, (1271) DR. CHRISTOS PANTAZIS (SPD) Geboren am 9. Oktober 1975 in Hannover, war der promovierte Mediziner von 2004 bis 2013 als Neurochirurg am Städtischen Klinikum Braunschweig tätig. 2013 wurde er in den Niedersächsischen Landtag gewählt, dem er bis 2021 angehörte. Seit 2021 sitzt er im Bundestag und engagiert sich im Gesundheitsausschuss. Bei der Wahl im Februar 2025 gewann er erneut das Direktmandat im Wahlkreis Braunschweig. Seit Mai 2025 ist Pantazis gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Foto: photothek.net JULIA-CHRISTINA STANGE (DIE LINKE) Geboren am 25. April 1978 in Aachen, zog Stange bei der Wahl im Februar 2025 über die Landesliste der Partei Die Linke in Rheinland-Pfalz neu ins Parlament ein. Zuvor arbeitete sie als Fachkinderkrankenschwester für Anästhesie und Intensivpflege im Universitätsklinikum Mainz. Im Bundestag ist sie Obfrau ihrer Fraktion im Gesundheitsausschuss sowie Sprecherin für ambulante Versorgung, Frauengesundheit und Ausbildung im Gesundheitswesen. Foto: Foto Rimbach, Mainz

zm115 Nr. 15-16, 16.08.2025, (1272) 14 | POLITIK Stange: Es müssen mehr Menschen Zugang zu präventiven zahnmedizinischen Angeboten erhalten, um Zahnerkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Dazu gehört eine stärkere Aufklärung über Mundhygiene, eine verbesserte zahnärztliche Betreuung von Kindern und Jugendlichen sowie eine gezielte Förderung von Gruppen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko. Wo sehen Sie die größten Probleme der zahnärztlichen Versorgung und der Zahnärzteschaft und wie sollte man sie lösen? Müller: Wie bei sehr vielen anderen Berufsgruppen wird es immer schwieriger, Nachfolger zu finden. Die von der Zahnärzteschaft geforderte Entbudgetierung halte ich in Zeiten stetiger Beitragserhöhungen für ein gefährliches Unterfangen. Stattdessen würde ich bei Dingen anfangen, die nichts kosten, den beruflichen Alltag aber wesentlich erleichtern können. Damit meine ich beispielsweise eine deutliche Reduktion der Dokumentationspflichten bei der Verwendung von Medizinprodukten. Baum: Ausufernde Kontrollen binden sinnlos Arbeitskräfte. Wir brauchen wieder mehr Freiheit in allen Belangen der Praxisführung. QM und Verpflichtungen zu Weiterbildungen frustrieren, anstatt zu motivieren. Erbrachte Leistungen müssen auch bezahlt werden. Die Budgetierungen sind aufzuheben. Pantazis: Eine der größten Herausforderungen liegt in der Digitalisierung der zahnmedizinischen Versorgung. Sie kann Bürokratie abbauen und die Versorgungsqualität steigern. Diese Potenziale müssen wir konsequent nutzen – auch zur Entlastung der Zahnärzteschaft. Gleichzeitig bietet die Digitalisierung die Chance, die Versorgungsqualität und Erreichbarkeit für Patientinnen und Patienten spürbar zu verbessern. Grau: Ein zentrales Problem ist der zunehmende Fachkräftemangel. Wir setzen uns dafür ein, die Ausbildung zu stärken, bürokratische Hürden abzubauen und die Arbeitsbedingungen in den Praxen zu verbessern. Stange: Konzentration von Zahnärzten in Ballungsgebieten, fehlende staatliche Unterstützung bei ländlichen Praxen, mehr Leistungen seitens der Krankenkassen. Wie kann die zahnärztliche Versorgung flächendeckend sichergestellt werden? Müller: Eine Niederlassung würde attraktiver, wenn der enorme bürokratische Aufwand vereinfacht würde. Im Mittelpunkt sollten Diagnose und Behandlung stehen. Es müssen Rahmenbedingungen existieren, die die Berufsausübung erleichtern. Sonst wandern junge Zahnärztinnen und Zahnärzte in dieMVZab. Baum: Schwerpunkt inhabergeführte Praxen niedergelassener Ärzte. Minimierung des unternehmerischen Risikos durch finanzielle und organisatorische Niederlassungshilfen, zum Beispiel durch Bereitstellung vergünstigter Praxisräume. Erhöhung der Studienplätze und Arbeitsbedingungen, die die Absolventen im Land halten. Pantazis: Für eine flächendeckende Versorgung brauchen wir Anreize für ländliche Räume, flexiblere Strukturen und eine moderne Ausbildung. Digitalisierte Praxen ermöglichen effizientere Abläufe. Digitale Kompetenzen gehören zudem stärker in die zahnmedizinischen Lehrpläne. Grau: Attraktive Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen sowie gezielte Förderprogramme für den ländlichen Raum sind essenziell. Wir müssen junge Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner gezielt unterstützen. Stange: Schaffung von Anreizen für Zahnärzte, sich auch in unterversorgten Gebieten niederzulassen. Dies könnte beispielsweise durch finanzielle Förderungen oder eine gezielte Unterstützung bei der Praxisgründung geschehen. Die Interviews führte Anne Orth. Anmerkung der Redaktion: Die Reihenfolge der Interviewantworten orientiert sich an der Fraktionsstärke der jeweiligen Partei im Bundestag. DR. CHRISTINA BAUM (AFD) Geboren am 21. März 1956 in Kleingrabe im Kreis Mühlhausen in Thüringen, studierte Baum Zahnmedizin in Leipzig und Erfurt. Im Juni 1989 reiste sie aus politischen Gründen aus der DDR aus. 1990 promovierte sie an der Universität Würzburg. Von 1992 bis 2024 führte sie gemeinsam mit ihrem Mann eine Zahnarztpraxis in Lauda-Königshofen. 2013 trat sie in die AfD ein. Von 2022 bis 2024 war sie Beisitzerin im AfD-Bundesvorstand. Seit 2021 ist sie Mitglied des Bundestags und des Gesundheitsausschusses. Foto: Büro Baum PROF. ARMIN GRAU (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Geboren am 18. März 1959 in Stuttgart, studierte Grau Politik, Germanistik und Geschichte und anschließend Medizin. Nach dem Staatsexamen 1987 arbeitete er bis 2003 an der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Heidelberg, unterbrochen von einem Auslandsaufenthalt in Kalifornien. Seit 1997 ist er für das Fach Neurologie habilitiert. 2003 übernahm er die Leitung der Neurologischen Klinik am Klinikum Ludwigshafen. Von 2010 bis 2014 war er Ärztlicher Direktor des Klinikums. Seit 1984 ist Grau Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen, seit 2021 sitzt er im Bundestag. Im Februar 2025 zog er über die Landesliste Rheinland/Pfalz erneut in den Bundestag ein. Er ist Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss und Umweltausschuss. Foto: Stefan Kaminski

NACHRICHTEN | 15 zm115 Nr. 15-16, 16.08.2025, (1273) NEWS ONLINE-BEFRAGUNG DER GEMATIK „Digitalisierung von Arbeitsabläufen in der Zahnarztpraxis“ Ihre Meinung zählt! Die gematik ruft Zahnärztinnen und Zahnärzte dazu auf, an einer Online-Befragung teilzunehmen: Machen Sie mit und helfen Sie dabei, die Arbeitsabläufe und Prozesse in Zahnarztpraxen besser zu verstehen, damit die Digitalisierung auch Sie in Ihrem Alltag unterstützt. Die Befragung dauert maximal fünf Minuten und läuft bis Dienstag, den 30. September 2025 um 23:59 Uhr. Bei Fragen wenden Sie sich an wev@gematik.de. Teilnehmen können Sie via QR-Code oder über diesen Link: https://gematik.survalyzer.eu/befragung_zm + Calcium& Phosphate VOCO Profluorid® Varnish+BioMin® HÄRTET SIGNIFIKANT DEN GESCHWÄCHTEN ZAHNSCHMELZ • Doppelter Schutz – Kristalline Schutzschicht und zuverlässige Desensibilisierung (5%NaF≙22.600 ppm Fluorid) • Ästhetisch– Zahnfarbener Lack • Universell – in Tube oder SingleDose • Geschmacksvielfalt – Minze, Karamell, Kirsche und Bubble gum VOCO GmbH · Anton-Flettner-Str. 1-3 · 27472 Cuxhaven · Deutschland Freecall 00 800 44 444 555 · www.voco.dental Fotos: gematik GmbH

16 | ZAHNMEDIZIN MKG-CHIRURGIE Zerebraler Abszess nach odontogener Infektion bei vermeintlicher Penicillinallergie Andrea Schmid, Julia Heider, Kim-Hendrik Lindwedel, Richard Werkmeister Odontogene Infektionen können bei ungehemmtem Verlauf zu potenziell lebensbedrohlichen Situationen führen. Neben den chirurgischen Maßnahmen ist insbesondere bei progredienten Verläufen eine wirksame Antibiotikatherapie entscheidend für den Heilungsprozess. Dabei können anamnestische Penicillinallergien einer optimalen Behandlung entgegenstehen – umso wichtiger ist deren rechtzeitige Überprüfung. Eine 72-jährige Patientin stellte sich mit einer paramandibulären Schwellung rechts vor. Anamnestisch bestand eine bekannte Penicillinallergie mit einem vor mehr als zehn Jahren aufgetretenem Exanthem im Rahmen der Antibiotikagabe. Die Patientin wies relevante Vorerkrankungen auf (chronisch obstruktive Lungenerkrankung, periphere arterielle Verschlusserkrankung, arterielle Hypertonie, mikrozytäre Anämie, Vorhofflimmern) und hatte eine ausgeprägte Raucheranamnese mit mehr als 50 Packyears. Bereits im Jahr 2017 war bei ihr eine purulente Osteomyelitis des linken Unterkiefers aufgetreten, die stationär, mit mehrfachen operativen Revisionen in Intubationsnarkose, behandelt werden musste. Damals war in den intraoperativ durchgeführten mikrobiologischen Abstrichen ein Streptococcus intermedius nachgewiesen worden. Die aktuelle Infektion im rechten Unterkiefer entwickelte sich nach alio loco erfolgter Extraktion des Zahnes 43. Aufgrund eines deutlich reduzierten Allgemeinzustands und auffälliger Laborwerte (C-reaktives Protein 22,4 mg/dl, Leukozyten 17,9 G/l, Hämoglobin 8,8 g/dl, Kalium 2,7 mmol/l) erfolgte die stationäre Aufnahme zur weiteren Behandlung. Initial wurde eine intraorale Inzision in Lokalanästhesie zm115 Nr. 15-16, 16.08.2025, (1274) Abb. 2: Axiale Schicht des CT-Unterkiefer/Halsweichteile im Weichteilfenster nach Revisionseingriff: Man sieht die eingebrachten Drainageröhrchen (rote Pfeile) medial und lateral des aufsteigenden Unterkieferastes. Abb. 1: Koronare Schicht des CT-Unterkiefer/Halsweichteile im Weichteilfenster: Es zeigen sich multiple Abszessformationen (rote Pfeile) medial und lateral angrenzend an den Ramus mandibulae rechts und bis an des Os sphenoidale reichend. Fotos: BwZKrhs Koblenz

ZAHNMEDIZIN| 17 durchgeführt und eine intravenöse Antibiotikumtherapie mit Moxifloxacin bei anamnestischer Penicillinallergie eingeleitet. Im Verlauf entwickelte sich eine progrediente Schwellung mit eingeschränkter Mundöffnung und dem klinischen Bild eines perimandibulären Abszesses. Die Abszesseröffnung erfolgte in Intubationsnarkose mit einer extraoralen Inzision, Drainage und intraoraler modellierender Osteotomie im vierten Quadranten. Der mikrobiologische Befund bestätigte erneut einen Clindamycin- und Makrolid-resistenten Streptococcus intermedius, histologisch bestand eine floride Osteomyelitis. Eine im Verlauf angefertigte CT-Diagnostik zeigte trotz der initialen chirurgischen Eingriffe multiple Abszessformationen medial und lateral angrenzend an den Ramus mandibulae rechts sowie kaudal an die Lamina lateralis des Processus pterygoideus des Os sphenoidale (Abbildung 1). Aufgrund der zwischenzeitlich deutlich gebesserten Klinik und einer ablehnenden Haltung der Patientin gegenüber einem weiteren operativen Eingriff wurde zunächst unter engmaschiger Kontrolle konservativ weiterbehandelt. Eine chirurgische Revision erfolgte zu diesem Zeitpunkt nicht. Etwa zwei Wochen nach der Entlassung wurde die Patientin mit ausgeprägter perimandibulärer Schwellung, eingeschränkter Mundöffnung, freiliegendem Knochen im rechten Unterkiefer sowie Allgemeinsymptomen wie Abgeschlagenheit und Fieber wieder stationär aufgenommen. Erneut erfolgte eine submandibuläre Inzision und Drainage in Intubationsnarkose. Die postoperative CT-Bildgebung zeigte nun eine weitgehend suffiziente Drainage der Abszesshöhlen (Abbildung 2). Mikrobiologisch zeigte sich erneut ein Streptococcus intermedius mit Clindamycin-Resistenz, ergänzt durch Enterococcus faecalis und eine anaerobe Mischflora. Im weiteren stationären Verlauf fiel am neunten postoperativen Tag eine zunehmende Somnolenz mit Wortfindungsstörungen und Wesensveränderung auf. Die zerebrale Schnittbildgebung zeigte eine hyperintense Läsion temporal rechts mit Verdacht auf einen zerebralen Abszess sowie eine Verschattung im Sinus sphenoidalis (Abbildung 3). Am selben Tag erfolgte durch die Kollegen der Neurochirurgie eine osteoplastische Kraniotomie mit Drainage des Hirnabszesses sowie eine Drainage des Keilbeinsinus durch die Kollegen der HNO (Abbildung 4). In beiden Lokalisationen wurde erneut Streptococcus intermedius als dominierende Bakterienspezies identifiziert – mit Resistenz gegenüber Clindamycin, jedoch guter Empfindlichkeit gegenüber Ampicillin. zm115 Nr. 15-16, 16.08.2025, (1275) ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden.

18 | ZAHNMEDIZIN zm115 Nr. 15-16, 16.08.2025, (1276) Angesichts des klinischen Bildes und der Resistenzlage wurde nach PEN-FAST-orientierter Einschätzung eine stationäre Provokation mit Ampicillin durchgeführt, die komplikationslos verlief. Die Patientin konnte von der Penicillinallergie delabelt werden und erhielt im Anschluss eine gezielte antibiotische Therapie mit Ampicillin, unter der sich die dargestellte Infektsymptomatik deutlich zurückbildete. Noch im Prämedikationsprotokoll war die Patientin mit „hackt zu Hause selbst Holz“ als aktiv beschrieben worden – der komplexe Verlauf während des stationären Aufenthalts führte jedoch zu einem deutlich ausgeprägten körperlichen Abbau. Durch diesen Mobilitätsverlust kam es im Verlauf zu einem Sturz mit pertrochantärer Femurfraktur, die osteosynthetisch versorgt wurde. Die Patientin befindet sich in neurologischer, unfallchirurgischer und MKG-chirurgischer Nachsorge; eine rehabilitative Weiterbehandlung zur Wiedererlangung der Mobilität und Selbstständigkeit ist angestrebt. Diskussion Dieser Fall zeigt exemplarisch, wie eine odontogene Infektion zu schwerwiegenden, interdisziplinär relevanten Komplikationen führen kann – insbesondere, wenn eine gezielte Antibiotikatherapie durch eine vermeintliche Penicillinallergie erschwert wird. Die chirurgische Drainage stellt nach wie vor die zentrale Maßnahme in der Behandlung odontogener Abszesse dar [Dirks et al., 2004; Kumari et al., 2018; Böttger et al., 2020]. In der Praxis jedoch kann eine suffiziente chirurgische Sanierung vor allem bei ausgedehnten oder multiplen tief gelegenen Abszedierungen anatomisch anspruchsvoll sein. Bei komplexen Befundkonstellationen kann eine ergänzende CT-Diagnostik entscheidend zur Beurteilung der Ausdehnung und der Lokalisation beitragen – wobei der perimandibuläre Abszess in der MKG-Chirurgie in der Regel klinisch diagnostiziert wird [Gonzalez-Beicos et al., 2012; Wabik et al., 2014; Brucker et al., 2015]. Typische Zeichen für einen perimandibulären Abszess sind eine derbe, druckdolente Schwellung mit nicht mehr vollständig durchtastbarem Unterkieferrand, eine eingeschränkte Mundöffnung und Schluckbeschwerden. Darüber hinaus spielt die CT (beziehungsweise MRT) eine zentrale Rolle in der Ausbreitungsdiagnostik – etwa bei einer neu aufgetretenen Bewusstseinsveränderung, einer drohenden Atemwegseinengung oder klinischer Progredienz trotz Therapie [Dalla Torre et al., 2013; Rautaporras et al., 2023]. Gerade bei schweren Verläufen wie in diesem Fall ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit entscheidend. Neben der MKG-chirurgischen Versorgung waren hier sowohl die Neurochirurgie als auch die HNO, die Unfallchirurgie und die Mikrobiologie ins Behandlungskonzept eingebunden. Solche komplexen Verläufe zeigen, wie wichtig es ist, im richtigen Moment über den fachlichen Tellerrand hinauszuschauen und rechtzeitig spezialisierte Kolleginnen und Abb. 3: Axiale Schicht des cranialen MRT in T2-Gewichtung: Es bestand eine – primär auf einen intrakraniellen Abszess suspekte – rechtstemporale Raumforderung (Pfeil). Abb. 4: Coronare Schicht des cranialen CT nach rechtstemporaler Kraniotomie und intrakranieller Abszessentfernung: Der Pfeil zeigt auf den zurückgesetzten Knochendeckel. FEEDBACK Fotos: BwZKrhs Koblenz

Auszubildende aus Vietnam und China AZUBI-INITIATIVE 2025 NACHWUCHS GESUCHT? WIR HABEN DIE LÖSUNG! ZFA Abitur (in D anerkannt), B1-Deutschkenntnisse und hohe Motivation - unsere Kandidat:innen bringen alles mit, was Ihre Praxis benötigt. Qualität Bereichern Sie Ihr Team um neue Perspektiven und kulturelle Einblicke durch Internationale Auszubildende. Vielfalt Unser Service ist für die Zahnarztpraxen kostenfrei. Wir führen den Visaprozesse durch und koordinieren die Integration und Unterkunft. Kostenfrei MIT VORGELAGERTEM SPRACHKURS IN HAMBURG MÖGLICH JETZT ONLINE-BEWERBUNGSGESPRÄCH VEREINBAREN Hohenfelder Allee 41-43, 22087 Hamburg Ihre deutsche Agentur aus Hamburg: Job-in-Germany GmbH oliver.widmann@azubi-in-germany.de 0172/1515315 www.azubi-in-germany.de

20 | ZAHNMEDIZIN zm115 Nr. 15-16, 16.08.2025, (1278) Oberstabsarzt Dr. med. dent. Kim-Hendrik Lindwedel Klinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie, Bundeswehrzentralkrankenhaus, Rübenacher Str. 170, 56072 Koblenz Foto: privat Oberstarzt Prof. Dr. med Dr. med. dent. Richard Werkmeister Klinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie, Bundeswehrzentralkrankenhaus Rübenacher Str. 170, 56072 Koblenz Foto: Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Oberfeldarzt Dr. med. Dr. med. dent. Andrea Schmid, MHBA Klinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie Bundeswehrzentralkrankenhaus Rübenacher Str. 170, 56072 Koblenz Foto: privat PDDr. med. Dr. med. dent. Julia Heider Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: privat Kollegen hinzuzuziehen – insbesondere bei unklaren Symptomen oder bei Anzeichen systemischer Ausbreitung. Zerebrale Abszesse im Rahmen odontogener Infektionen sind selten, aber potenziell lebensbedrohlich. Wie häufig aus einer odontogenen Infektion tatsächlich ein Hirnabszess entsteht, ist aufgrund der begrenzten Datenlage derzeit nicht valide quantifizierbar. Die vorhandene Literatur besteht überwiegend aus Fallberichten und kleinen Fallserien. In einem systematischen Review mit 135 Fällen konnte in 17 Prozent der Fälle ein mikrobiologischer Zusammenhang zum oralen Fokus nachgewiesen werden; die Letalität lag bei 6,6 Prozent [Lisboa et al., 2022]. In einer retrospektiven Studie mit 87 Hirnabszess-Patienten war in elf Prozent der Fälle ein odontogener Fokus nachweisbar. Bei Fällen ohne identifizierbare Ursache fanden sich in rund zwei Dritteln vor allem oral vorkommende Bakterienspezies wie Streptococcus anginosus und Streptococcus intermedius, was auf eine möglicherweise unterschätzte Rolle oraler Infektionen hinweist [Roy et al., 2023]. Auch andere systemische Komplikationen wie cavernöse Sinusthrombose, Orbitaabszesse, Pleuraempyem, Pneumonie, Leberabszesse, Mediastinitis, Sepsis oder nekrotisierende Fasziitis sind im Zusammenhang mit odontogenen Infektionen beschrieben [Vijayan et al., 2012; Gunaratne et al., 2018; Schimmel et al., 2019; Weise et al., 2019; Caranfa et al., 2021; Escobedo et al., 2021]. Wenn eine systemische Antibiotikatherapie erforderlich ist und keine Kontraindikation besteht, gelten bei odontogenen Infektionen Aminopenicilline in Kombination mit einem Betalaktamaseinhibitor – wie Amoxicillin/Clavulansäure – weiterhin als Mittel der ersten Wahl [Heim et al., 2021]. Im vorliegenden Fall wurde bei anamnestischer Penicillinallergie nicht die in der bisherigen S3-Leitlinie „Odontogene Infektionen“ empfohlene kalkulierte Initialtherapie mit Clindamycin gewählt, sondern eine empirische Behandlung mit dem Fluorchinolon-Antibiotikum Moxifloxacin durchgeführt. Ausschlaggebend für diese individuelle Therapieentscheidung war die Kombination aus ausgeprägter, progredienter lokaler Entzündungsreaktion mit verschlechtertem Allgemeinzustand, fortgeschrittenem Lebensalter und mehreren relevanten Vorerkrankungen, die eine rasche und breit wirksame Therapie erforderlich machten. Moxifloxacin erschien unter diesen Umständen – auch aufgrund seiner guten Wirksamkeit im erwarteten Keimspektrum einschließlich anaerober Erreger – als eine sinnvolle therapeutische Option, die in dieser Konstellation gegenüber Clindamycin bevorzugt wurde [Sebastian et al., 2019; Wang et al., 2022]. Dabei wurden die möglichen Risiken von Fluorchinolonen – wie Tendopathien, neurologische Nebenwirkungen und eine QTZeit-Verlängerung – im Sinne einer individuellen NutzenRisiko-Abwägung berücksichtigt, wie sie auch im Zusammenhang mit den Rote-Hand-Briefen von 2019 und 2023 thematisiert wurden [BfARrM, 2019; BfArM, 2023]. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Resistenzentwicklung gegenüber Clindamycin und der Limitationen alternativer Therapieoptionen rückt die strukturierte Abklärung vermeintlicher Penicillinallergien zunehmend in den Fokus [Bigus et al., 2023; Chadha et al., 2023; Mahmoud et al., PEN-FAST-SCORE PEN Kriterium Score F ≤5 Jahre seit Reaktion 2 A Anaphylaxie/Angioödem ODER schwere Hautreaktion 2 S T Reaktion behandlungsbedürftig 1 Punkte gesamt Risiko für Penicillinallergie 0 <1% 1–2 5% 3 20% 4–5 50% Abb. 5 zeigt die Kriterien des PEN-FAST-Scores nach Trubiano et al. zur Einschätzung des Risikos einer echten Penicillinallergie. Quelle: Andrea Schmid, nach [Trubiano et al., 2020]

ZAHNMEDIZIN| 21 zm115 Nr. 15-16, 16.08.2025, (1279) 2024]. In der aktuellen Literatur wird der Einsatz des PENFAST-Scores als effektives, klinisch praktikables Instrument zur Risikostratifizierung und zur Entscheidungsfindung hinsichtlich eines möglichen Delabelings empfohlen [Trubiano et al., 2020] (Abbildung 5). Auch Zahnärztinnen und Zahnärzten kann der PEN-FAST-Score als strukturierte Orientierung dienen, um bei anamnestischer Penicillinallergie das Risiko für eine echte Reaktion besser einzuschätzen. Clindamycin sollte dabei künftig restriktiv und ausschließlich bei begründetem klinischem Verdacht auf eine echte Penicillinallergie (zum Beispiel bei einem PEN-FAST-Score größer als 0) im Rahmen der kalkulierten Therapie odontogener Infektionen verordnet werden [Tran et al., 2025]. Auch in der anstehenden Aktualisierung der S3-Leitlinie „Odontogene Infektionen“ wird der PEN-FAST-Score als klinisches Instrument zur Risikostratifizierung bei dokumentierter Penicillinallergie berücksichtigt. Die Leitlinienüberarbeitung legt dabei einen besonderen Schwerpunkt auf die zunehmende Resistenzlage, insbesondere gegenüber Clindamycin, sowie auf einen kritischeren und differenzierteren Umgang mit vermeintlichen Penicillinallergien, um eine adäquate kalkulierte Antibiotikatherapie sicherzustellen. Die anstehende Leitlinienaktualisierung setzt ein wichtiges Zeichen für einen differenzierten, resistenzbasierten und patientenorientierten Einsatz von Antibiotika – und fördert eine evidenzbasierte Versorgung in Zahnmedizin und Chirurgie. n FAZIT FÜR DIE PRAXIS n Zerebrale Abszesse stellen eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Komplikation odontogener Infektionen dar. n Eine suffiziente chirurgische Drainage bleibt zentral; ein CT beziehungsweise ein MRT sind bei komplexen Verläufen hilfreich. n Die strukturierte Risikobewertung einer anamnestischen Penicillinallergie mittels Scores wie PEN-FAST kann helfen, Patientinnen und Patienten sicher zu delabeln und eine leitliniengerechte Antibiotikatherapie zu ermöglichen. n Clindamycin sollte künftig nur noch bei einem begründeten Verdacht auf eine echte Penicillinallergie eingesetzt werden. n Die bevorstehende Aktualisierung der S3-Leitlinie „Odontogene Infektionen“ betont die Bedeutung einer resistenzgerechten Antibiotikatherapie und den kritischen Umgang mit Clindamycin.

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