Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 17

24 | ZAHNMEDIZIN ANTIBIOTIKA IN DER ZAHNMEDIZIN Warum Clindamycin weiterhin so häufig verschrieben wird Ein Team der Justus-Liebig-Universität Gießen hat die Entwicklung der zahnärztlichen Antibiotika-Verschreibung untersucht. Ein Ergebnis: die häufige Anwendung von Clindamycin, einem Reserve-Antibiotikum mit bekannten Nebenwirkungen und Resistenzrisiken. Das bei Patienten mit anamnestischer Penicillinallergie häufig eingesetzte Antibiotikum Clindamycin wird in Zahnarztpraxen nach wie vor in großem Umfang verschrieben. Mit 21 Prozent war Clindamycin im Jahr 2024 das am dritthäufigsten von Zahnärzten in Deutschland verschriebene Antibiotikum. Am häufigsten wurden Amoxicillin (54,2 Prozent) und die Kombination aus Amoxicillin mit Clavulansäure (24,5 Prozent) verordnet. Diese Daten hat eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Zahnmedizinern der Justus-Liebig-Universität Gießen aktuell im Fachjournal „antibiotics“ publiziert. Die Studienautoren führen den hohen Clindamycin-Einsatz auf die im Jahr 2016 veröffentlichte Leitlinie zu odontogenen Infektionen zurück. Trotz ihres formellen Ablaufs dient diese den Forschenden zufolge noch immer als wichtigste Referenz in der klinischen Praxis. Darin wird Clindamycin als Alternative für Patienten mit Penicillinallergien empfohlen. Die von Patienten angegebenen Penicillinallergien halten einer Überprüfung jedoch oft nicht stand: In einer US-amerikanischen Studie trat bei bis zu 95 Prozent der Personen, die angaben, eine Penicillinallergie zu haben, in Tests keine allergische Reaktion auf. Laut den Studienautoren führen diese nicht- oder fehldiagnostizierten Allergien zur Einführung alternativer Antibiotika wie Clindamycin. Dabei werden dann die bekannten Nebenwirkungen wie das Risiko einer pseudomembranösen Kolitis und die vergleichsweise höhere Resistenzrate bei Erregern odontogener Infektionen, in Kauf genommen. Jedes siebte Antibiotika-Rezept kommt vom Zahnarzt Im Jahr 2024 verschrieben deutsche Zahnärztinnen und Zahnärzte insgesamt 2.325.500 Patienten Antibiotika, was 13,9 Prozent aller in der Datenbank erfassten Patienten, die Antibiotika-Rezepte erhielten, entspricht. Für die Auswertung wurden Daten aus der IQVIA Longitudinal Prescription Database (LRx) genutzt, die etwa 80 Prozent der von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland erstatteten Rezepte abdeckt. Foto: kseniyaomega – stock.adobe.com zm115 Nr. 17, 01.09.2025, (1378) TRENDS DER ZAHNÄRZTLICHEN ANTIBIOTIKA-VERSCHREIBUNG Jahr Alle Patienten mit AB-Verschreibung Patienten mit AB-Rezept vom Zahnarzt AB-Verschreibung durch Zahnarzt (%), 95 %-Konfidenzintervalle 2015 18.498.114 2.256.408 12,2 % [12,1–12,2] 2016 18.330.608 2.286.556 12,5 % [12,5–12,5] 2017 18.056.249 2.371.424 13,1 % [13,1–13,2] 2018 17.536.447 2.314.025 13,2 % [13,2–13,2] 2019 16.481.120 2.332.442 14,2 % [14,1–14,2] 2020 12.803.231 2.287.982 17,9 % [17,9–17,9] 2021 11.632.986 2.108.601 18,1 % [18,1–18,2] 2022 14.303.669 1.758.852 12,3 % [12,3–12,3] 2023 16.217.280 1.667.707 10,3 % [10,3–10,3] 2024 16.713.894 2.325.500 13,9 % [13,9–13,9] Tabelle 1: Patienten mit Antibiotika-Verschreibung insgesamt und Patienten, denen von 2015 bis 2024 Antibiotika von Zahnärzten verschrieben wurden (absolute Zahlen). Quelle: [Cirkel et al., 2025]

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