KURZ ERKLÄRT 42 | POLITIK RX-RABATTE Der Streit geht weiter Dürfen Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland gesetzlich Versicherten bei der Bestellung rezeptpflichtiger Arzneimittel Rabatte einräumen und Boni gewähren? Oder verstoßen sie damit gegen die Preisbindung? Auch nach einem viel beachteten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) geht der Streit weiter. Das sind die Hintergründe. Welche Regeln gelten für die Preisbildung von Arzneimitteln? Der Arzneimittelpreis ist abhängig davon, ob das Medikament per Rezept vom Arzt verordnet oder auf bloßes Verlangen an den Patienten abgegeben wird. Für Medikamente, die man ohne Verschreibung in der Apotheke kaufen kann, gibt es keine gesetzliche Preisbindung. Jede Apotheke entscheidet also selbst, wie teuer sie diese verkauft. Für verschreibungspflichtige Medikamente sind die Preise hingegen gesetzlich geregelt – über die Arzneimittelpreisverordnung. Der Grundgedanke dahinter ist, dass die Medikamente in jeder Apotheke zum gleichen Preis angeboten werden sollen. Das soll die Apotheken vor ruinösem Wettbewerb und die vulnerablen Patienten vor einer Übervorteilung schützen. Worum ging es im Verfahren vor demBGH? Thema des Verfahrens war letztlich die Frage, ob die Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel – sogenannte Rx-Arzneimittel – auch für Versandapotheken im EUAusland gilt. Darüber wird seit Jahren gestritten. In dem Verfahren vor dem BGH ging es um Rezeptboni, die eine niederländische Versandapotheke in den Jahren 2012 und 2013 gewährt hatte. Drei Euro bekamen die Kunden gutgeschrieben, wenn sie bei dem Arzneimittelversender ihr Rezept einlösten und ein verschreibungspflichtiges Medikament bestellten. Zugleich versprach das Unternehmen, bei Einlösung eines Rezepts eine Prämie von bis zu neun Euro zu zahlen, wenn der Kunde per Formular oder telefonisch an einem Arzneimittelcheck teilnahm. Der Arzneimittelversender ist gar nicht mehr aktiv. Die Klage – erhoben vom Bayerischen Apothekerverband (BAV) – richtete sich nunmehr gegen die DocMorris-Tochter Tanimis Pharma. Sie firmierte seinerzeit als Wellsana und lieferte die Rx-Arzneimittel nach Deutschland. Foto: alexlmx – stock.adobe.com zm115 Nr. 17, 01.09.2025, (1396) Der BAV begründete seine Klage damit, dass es in Deutschland für verschreibungspflichtige Arzneimittel eine Preisbindung gebe. Diese Medikamente müssten den deutschen Kunden von allen Apotheken also immer zum gleichen Preis angeboten werden – auch von solchen, die ihren Sitz im EU-Ausland haben. Deshalb seien Prämien oder Bonuszahlungen grundsätzlich unzulässig. Wie haben die Vorinstanzen geurteilt? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied 2016, dass die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) nicht für Apotheken mit Sitz in anderen EU-Mitgliedsstaaten gelten. Denn das würde den freien Warenverkehr einschränken und damit gegen EURecht verstoßen. Zwar könne eine Beschränkung des freien Warenverkehrs grundsätzlich mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigt werden – doch die Preisbindung sei für diesen Zweck nicht geeignet. Die Münchner Vorinstanzen gaben der Klage des BAV trotzdem statt. Das Landgericht München fällte 2014 folgendes Urteil: Der 2012 von Wellsana beworbene direkt verrechenbare Bonus von drei Euro pro bestelltes verschreibungspflichtiges Arzneimittel beziehungsweise von bis zu neun Euro für die Teilnahme an einem „Arzneimittelcheck“ verstoße gegen die damals im Arzneimittelgesetz auch für EU-Versender verankerte Preisbindung und sei damit wettbewerbswidrig. Das Oberlandesgericht München bestätigte in seinem Urteil vom März 2024 die Rx-Preisbindung für Versandapotheken im EU-Ausland Wie entschied der BGH? Der BGH folgte dieser Rechtsauffassung in seinem Urteil vom 17. Juli 2025 (Az. I ZR 74/24) nicht. Die früher geltende Preisbindung sei für Versandapotheken im EU-Ausland nicht anwendbar gewesen, da sie in diesem Fall gegen die von EU-Recht vorgeschriebene Warenverkehrsfreiheit
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=