Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 17

POLITIK | 43 verstoße. Zwar seien von dieser Grundregel Ausnahmen denkbar – etwa, wenn die Preisbindung notwendig sei, um eine flächendeckende Arzneimittelversorgung zu gewährleisten. Dahinter steckt der Gedanke, dass viele Apotheken in Deutschland pleitegehen könnten, wenn sie mit niedrigeren Preisen von Online-Apotheken, die im Ausland sitzen, nicht mithalten können. Dem BAV als Kläger, so der BGH, sei es aber nicht gelungen, genügend Daten vorzulegen, um solche Befürchtungen tragfähig zu untermauern. Der BGH wies in diesem Zusammenhang auf das bereits erwähnte Urteil des EuGH von 2016 hin. Was bedeutet das Urteil des BGH? Die gesetzliche Vorschrift zur Preisbindung, über die der BGH entschieden hat, gibt es mittlerweile nicht mehr. Das Urteil bezieht sich explizit nur auf frühere Regelungen nach dem AMG in der bis zum 14. Dezember 2020 geltenden Fassung. Insofern hat der BGH über eine veraltete Rechtslage entschieden. Wie ist die aktuelle Rechtslage in Deutschland? 2020 hatte die Bundesregierung – noch unter dem damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) – im sogenannten Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz eine neue Regelung eingeführt. Seitdem gibt es mit § 129 Absatz 3 Satz 3 SGB V eine neue Vorschrift, die nun speziell für gesetzlich Krankenversicherte gilt: Ihnen müssen alle Apotheken den gleichen Preis für verschreibungspflichtige Medikamente anbieten – unabhängig davon, ob sie diese in einer Vor-Ort-Apotheke oder über eine EUVersandapotheke beziehen. Diese Regelung gilt grundsätzlich noch heute. Wie fielen die Reaktionen auf das BGH-Urteil aus? Versandapotheken Die Versender Doc Morris und Redcare Pharmacy begrüßten das BGH-Urteil. Doc Morris teilte mit, auf dieser Basis bei Online-Bestellungen für alle Medikamente auf Rezept „ab sofort“ wieder einen finanziellen Bonus zu gewähren. Wettbewerber Redcare Pharmacy sieht Onlineapotheken und Bonusmodelle gestärkt. „Die Entscheidung ist ein Meilenstein für die Arzneimittelversorgung in Deutschland“, sagte Redcare-Chef Olaf Heinrich. Der BGH erkenne ausdrücklich an, dass EU-OnlineApotheken einen relevanten Beitrag zur flächendeckenden Versorgung leisten – sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum. „Das Urteil schafft rechtliche Klarheit: Die Vorteile des europäischen Binnenmarkts gelten auch für den Gesundheitssektor“, sagte Heinrich. Apothekerschaft Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hingegen betonte, die Preisbindung sei im Fünften zm115 Nr. 17, 01.09.2025, (1397) Sozialgesetzbuch gesetzlich festgelegt. „Arzneimittel sind keine schlichte Handelsware, sie sind höchst beratungsbedürftige Produkte mit umfangreichen Risikoprofilen – Rabatte und Boni gehören nicht in die Arzneimittel- und Gesundheitsversorgung", teilte ABDA-Präsident Thomas Preis mit. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte Preis, die Rabatte seien ein „klarer Rechtsbruch“. Er warnte vor einem „ruinösen Preiswettbewerb“ und forderte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) auf, gegen die von ausländischen Versandapotheken gewährten Rabatte bei rezeptpflichtigen Medikamenten vorzugehen. Politik Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) vertritt die Auffassung, dass die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auch nach dem BGH-Urteil für alle Marktteilnehmer gilt. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage betonte BMG-Staatssekretär Tino Sorge, dass RxBoni ausländischer Versandapotheken illegal seien. § 129 Absatz 4 Satz 4 SGB V sehe Vertragsstrafen bei einem gröblichen oder wiederholten Verstoß vor. Zudem seien nach der Preisbindung unzulässige Rx-Boni auch ein Verstoß gegen § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG). Ein solcher Verstoß könne als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden, so das BMG. Für den Vollzug und die Überwachung des HWG ist Sorge zufolge aber nicht der Bund zuständig, sondern dies sei Aufgabe der Behörden der Länder. Wie geht es weiter? Dagegen regt sich jedoch Widerstand. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach übt Kritik an ansprechenden Äußerungen des BMG. Klar sei, dass die Länder keinen direkten Zugriff auf die ausländischen Apotheken selbst hätten. Daher sei fraglich, mit welchen Mitteln sie diese Rechtsverstöße einschränken sollen. Vielmehr sei es Aufgabe des Bundes zu prüfen, wie dem Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und insbesondere der Gewährung von Boni durch ausländische Apotheken Einhalt geboten werden könne. Dazu kommt, dass der BGH in seinem jüngsten Urteil nicht entschieden hat, ob die neue Vorschrift zur Rx-Preisbindung im SGB V mit EU-Recht vereinbar ist oder nicht. Der Streit, ob Apotheken im EU-Ausland Boni anbieten dürfen oder nicht, dürfte also weitergehen … ao Die Abkürzung „Rx“ bei Medikamenten steht für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Der Begriff leitet sich vom lateinischen Wort „recipe“ (nimm) ab und wird international verwendet, um Medikamente zu kennzeichnen, die nur mit einem ärztlichen Rezept in Apotheken erhältlich sind. In19 von 27 Staaten der EU ist der Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln generell verboten.

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