POLITIK | 67 Insgesamt liegt der Deckungsgrad in Österreich in allen Bereichen deutlich unter den Werten für Deutschland. Er betrug 2021 in der ambulanten Versorgung 81,1 Prozent (Deutschland: 89,1 Prozent), in der stationären Versorgung 87,6 Prozent (Deutschland: 96,7 Prozent) und in der Arzneimittelversorgung 68,3 Prozent (Deutschland: 82,3 Prozent). Am deutlichsten fiel der Unterschied bei der zahnärztlichen Versorgung aus: Während diese Leistungen in Österreich zu 46,9 Prozent staatlich abgedeckt wurde, lag der Deckungsgrad in Deutschland bei 67,6 Prozent. Zahnärztliche Leistungen Die ÖGK übernimmt nach eigenen Angaben die Kosten für Vertragsleistungen bei Vertragszahnärztinnen und -zahnärzten. Dazu gehören Füllungen, Wurzelbehandlungen und operative Eingriffe. Lassen sich Patienten von einer Wahlzahnärztin oder einem Wahlzahnarzt behandeln, müssen sie das Honorar zunächst selbst zahlen. Nehmen sie jedoch Vertragsleistungen in Anspruch, können sie die Rechnung bei der ÖGK einreichen. Diese erstattet dann 80 Prozent der tariflichen Kosten. Für kieferorthopädische Behandlungen müssen Versicherte und mitversicherte Angehörige nach Angaben der BZÄK zwischen 25 und 30 Prozent der Kosten selbst zahlen. Ausgenommen sind unter 18-Jährige in schweren Fällen. Festsitzenden Zahnersatz müssen Versicherte laut ÖGK selbst bezahlen. Zuschüsse gewährt sie nur, wenn ein herausnehmbarer Zahnersatz aus besonderen medizinischen Gründen nicht möglich ist. Bei herausnehmbarem Zahnersatz übernimmt die ÖGK 75 Prozent der tariflichen Kosten. Voraussetzung ist, dass der Antrag auf Kostenübernahme zuvor genehmigt wurde und die Leistung von einem Vertragszahnarzt erbracht wird. Suchen Patienten einen Wahlzahnarzt auf, müssen sie sich ebenfalls den Heil- und Kostenplan von der ÖGK genehmigen lassen. Reichen sie später die Rechnung ein, erhalten sie 80 Prozent der um den Selbstbehalt verminderten tariflichen Kosten erstattet. Freie Arztwahl Österreicher können selbst entscheiden, zu welchem Hausoder Facharzt sie gehen möchten. Nur für den Besuch bestimmter Fachrichtungen, wie Radiologie, Physikalische Medizin, Pathologie und Labordiagnostik, benötigen sie eine Überweisung. ao zm115 Nr. 17, 01.09.2025, (1421) 62 Zahnärzte versorgten im Jahr 2023 laut OECD im Schnitt je 100.000 Österreicherinnen und Österreicher. Warum ist das Interesse an der Übernahme eines Kassenvertrags so gering? Ein Grund dafür ist, dass der Vertrag mit der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) aus dem Jahr 1958 stammt. Er müsste gründlich überarbeitet und attraktiver werden. Leistungen der modernen Prophylaxe sind derzeit nicht abgebildet. Unsere letzte Umfrage hat ergeben, dass 50 Prozent der Wahlzahnärzte bei einem attraktiven Versorgungsvertrag ins Kassensystem einsteigen würden. Mit welchen Herausforderungen kämpft die Zahnärzteschaft in Österreich noch? Es fehlen sowohl junge Zahnärztinnen und Zahnärzte als auch Fachangestellte. Ein Grund für den Mangel an Zahnärzten ist, dass es in Österreich nicht genügend Studienplätze gibt. Zahnmedizin kann man lediglich an drei staatlichen und an zwei privaten Universitäten studieren. Ein weiterer Grund besteht darin, dass die Europäische Union 2019 beim Zahnmedizinstudium die Inländerquote abgeschafft hat. Die Folge ist, dass an österreichischen Unis viele junge Menschen aus anderen EU-Ländern Zahnmedizin studieren, die nach dem Abschluss wieder in ihr Ursprungsland zurückgehen. Was tut die ÖZAK, um gegenzusteuern und jungen Approbierten die Niederlassung schmackhaft zu machen? Die ÖZÄK führt laufend Gesprächen mit den zuständigen Stellen, um neben dem Jobsharing auch das Modell Gruppenpraxis und andere Zusammenarbeitsformen zu ermöglichen. Es gibt auch Programme, in denen junge Zahnärzte gefördert werden, die sich auf dem Land niederlassen. Eine Modellregion ist zum Beispiel die Steiermark. Was liegt noch im Argen? Glücklicherweise ist die zahnärztliche Versorgung der österreichischen Bevölkerung auf einem guten Niveau. Verbesserungswürdig wäre die Vorsorge. In Oberösterreich haben wir in einem Modellprojekt zahnmedizinische Untersuchungen für Kinder zwischen dem zweiten und dem neunten Lebensjahr getestet. Der damit verbundene Zahnpass kommt gut an und zeigt Erfolge. Wofür setzt sich die Österreichische Zahnärztekammer ein? Wir machen uns für Freiberuflichkeit stark und für eine stärker Prophylaxeorientierte Zahnmedizin. Wir setzen uns für mehr Studienplätze und einen adäquaten Kassenvertrag ein. Ein Anliegen sind uns auch weiterentwickelte Kooperationsformen im niedergelassenen Bereich, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können. Der Zahnarzt und Allgemeinmediziner Dr. Günter Gottfried ist Vizepräsident der Österreichischen Zahnärztekammer (ÖZAK) und Präsident der Landeszahnärztekammer Oberösterreich. Foto: LZÄK OÖ
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