Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 17

68 | GESELLSCHAFT Ich habe schon einige schreckliche Gebisszustände gesehen, als ich zuvor mit anderen Organisationen auf Auslandseinsätzen war. Doch das, was uns im madagassischen Gefängnis erwartete, übertraf unsere bisherige Fantasie. Vornehmlich junge Menschen, die dort unter erbärmlichen Umständen untergebracht waren, hatten größtenteils stark zerstörte Gebisse. Nun ist man bei dieser Art von Einsatz üblicherweise angehalten, vor allem für Schmerzlinderung zu sorgen – auch wenn das in Form von Extraktionen passieren muss. Dabei sahen wir überhaupt kein Ende, der Bedarf war enorm! Madagaskar liegt vor der Ostküste Afrikas und ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die Bevölkerung leidet einerseits unter der zunehmenden Dürre in den westlichen Landesteilen, die sie zur Migration in Richtung Osten zwingt, und andererseits unter der Last der landeseigenen Korruption. Ein Sozialsystem, wie wir es kennen, existiert für die rund 31 Millionen Einwohner nicht. An diesem „maison“ ist gar nichts heimelig Aber von vorn: Wir reisten von Frankfurt aus über Addis Abeba in Äthiopien nach Antananarivo, der Hauptstadt Madagaskars. Von dort aus ging es mit einem Inlandsflug weiter in den Süden nach Fort Dauphin. Während unseres Aufenthalts erhielten wir freundliche Unterstützung von ortsansässigen Ordensschwestern. Eine von ihnen hielt Kontakt mit dem örtlichen Gefängnis und fragte uns, ob wir bereit wären, auch dort zu arbeiten. Nach unserer Zusage organisierte sie den ersten Zahnarztbesuch im „Maison Centrale“, wie sich das Gefängnis nennt. Die rund 500 Gefangenen erhalten dort keine Verpflegung, sondern müssen von ihren Angehörigen versorgt werden. Deshalb zieht täglich ein reger Strom von Einwohnern der Region in Richtung Gefängnis. Sie liefern an der Pforte Speis und Trank für den jeweiligen Gefangenen ab. Pech haben diejenigen, die keine Angehörigen vor Ort haben. Ihnen helfen nur die Ordensschwestern, die ihnen dreimal pro Woche Essen in begrenztem Umfang aus der Ordensküche mitbringen. An einem Tag Ende August machten wir uns zusammen mit zwei Studierenden aus höheren Semestern, einer ZFA und einer Ordensschwester auf den Weg zum Maison Centrale. Nach einigem Hin und Her an der Pforte wurden wir hineingelassen und freundliche Helfer trugen unsere Ausrüstung. Nachdem wir zwei Türen passiert und einen übel riechenden Wasserablauf überschritten hatten, standen wir im Gefängnishof und wurden erwartungsvoll beäugt. Am Eingang gab es nur drei gelangweilt dreinblickende, beDie Sorge vor Übergriffen durch Insassen wich schnell dem Tatendrang: Der Behandlungsbedarf im Gefängnis war enorm, die Patienten dankbar für die Hilfe. zm115 Nr. 17, 01.09.2025, (1422) MIT PLANET ACTION IM „MAISON CENTRALE“ Unser Einsatz im Gefängnis auf Madagaskar Ernst Peter Drescher Mit Unterstützung der Organisation Planet Action fuhr Dr. Ernst Drescher, begleitet von Kolleginnen, Studierenden und ZFAs, für mehrere Wochen in den Süden von Madagaskar. Dort behandelte das Team unter anderem Patienten im örtlichen Gefängnis. „Das war eine Erfahrung, die uns noch einmal ganz besonders herausforderte“, erzählt der Zahnarzt rückblickend. Warum die Menschen hier inhaftiert waren, darüber wurde nicht gesprochen. Viele Materialien brachten wir aus Deutschland mit. Fotos: Dr. Drescher

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