Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 17

84 | zmSTARTER zm115 Nr. 17, 01.09.2025, (1438) tivisch sogar Totalprothesen digital aufstellen. So können wir die gesamte herausnehmbare Prothetik abbilden und die implantatprothetische Planung integrieren. Ein weiterer innovativer Baustein ist das Simulationssystem „Dente“ (SIMtoCARE), das haptisches Feedback zu verschiedenen Gewebestrukturen liefert und vor allem für zahnerhaltende und prothetische Maßnahmen eingesetzt wird. Trotz dieser digitalen Möglichkeiten halte ich es für wichtig, dass Studierende auch klassische Arbeitsschritte wie das Gießen oder die Modellherstellung zumindest einmal selbst erlebt haben – schon um die Arbeit der Zahntechnikerinnen und Zahntechniker besser einschätzen zu können. Der Spagat zwischen handwerklicher Erfahrung und digitaler Zukunft ist entscheidend. Welchen Einfluss hat das VR-gestützte Simulationssystem mit haptischem Feedback auf die Entwicklung der Feinmotorik und das Selbstbewusstsein der Studierenden? Wir haben sechs virtuelle Simulatoren (SIMtoCARE): Dort lassen sich beliebige Behandlungssettings programmieren. Präparationen lassen sich hier beliebig oft wiederholen, ein Vergleich mit der Referenz ist sofort möglich. Für Anfängerinnen und Anfänger sind die Systeme besonders hilfreich, Fortgeschrittene profitieren ebenfalls, aber sie ersetzen nicht die praktische Übung am Phantom. Der größte Vorteil liegt in der Kombination aus farbiger Darstellung und haptischem Force-Feedback: Unterschiedliche Gewebe-Resistenzen lassen sich simulieren, etwas, das physische Phantommodelle mit gleichbleibendem Kunststoff kaum leisten können. Besonders effektiv sind einfache, gezielte haptische Aufgaben (zum Beispiel ein kleines Plättchen mit blauem Kreuz abtragen), die die Feinmotorik trainieren. Optisch und ergonomisch wirkt das Setting teils spielerisch – man sitzt wie vor einer Konsole – daher bleibt es abstrakter als die reale Patientenlage. Insgesamt erwarte ich positive Effekte auf Feinmotorik und Selbstvertrauen. Wir testen die Systeme laufend und evaluieren, wie sie am besten in die Lehre (zum Beispiel auch für Injektionstrainings) integriert werden können. Inwieweit wurde der Lehrplan auf die technischen Möglichkeiten abgestimmt? Gab es konzeptionelle Anpassungen? Ja, ganz viele. Der Lehrplan wurde deutlich zugunsten klinischer Inhalte angepasst: Die Studierenden präparieren zum Beispiel mehr, statt primär zahntechnische Arbeit zu lernen. Neue Materialien und Technologien ermöglichen standardisierte Übungssituationen: Gedruckte Zähne simulieren klinische Befunde (Zahn auf Gingivaniveau abgebrochen, Karies, vorhandene Wurzelkanalfüllung). Dadurch können wir zum Beispiel eine Stiftbohrung im Phantom-Kurs üben – alle mit der exakt gleichen klinischen Ausgangssituation. Die Zähne sind zwar etwas teurer als Standard-FrasacoZähne, rechtfertigen sich aber durch Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit der Aufgaben. Traditionelle Arbeiten wie Sägemodelle und AufwachsÜbungen treten in den Hintergrund zugunsten klinischer Abläufe: Durch die Foren-Anordnung von fünf Behandlungsplätzen können Studierende gegenseitig CMD-Kurzbefunde, klinische Funktionsanalysen und Befunderhebungen üben bei gleichzeitiger Demonstration durch Lehrende in der zentralen Einheit – möglicherweise auch mit Live-Übertragung auf die Monitore. Die räumliche Ausstattung erleichtert so das praktische Training klinischer Fertigkeiten erheblich. Inwiefern kann das neue Konzept, angepasst an die Anforderungen der neuen ZApprO, die Lehre qualitativ verbessern? Zeit ist hier ein zentraler Faktor. Aktuell führen wir eine vergleichende Studie zu alten versus neuen Phantomkursen durch: Wir werten Arbeiten einheitlich und neu mit demselben Bewertungsschema aus, aufgeteilt nach „alte ZApprO“ und „neue ZApprO“. Dabei vergleichen wir gleichartige Präparationen sowie Totalprothesenaufstellungen aus den letzten zehn bis 20 Jahren. Die neuen Kohorten laufen noch, daher haben wir noch keine belastbaren Ergebnisse. Subjektiv sehe ich bislang keine klare Qualitätssteigerung, sondern eher eine konzeptionelle Verschiebung: Präparieren bleibt eine haptische, organische Herausforderung, die weder VR noch Präparations-Checks vollständig ersetzen – ein deutlicher Vorteil ist bisher nicht erkennbar. Haben die Arbeitsplätze bei der Gestaltung eine Rolle gespielt, besonders im Hinblick auf Langzeitbelastungen im Beruf? Definitiv. Die alten Plätze waren sehr „zahntechnisch“ ausgerichtet; jetzt arbeiten die Studierenden mit kompletter Praxisausstattung – inklusive echten Zahnarzt-Stühlen mit ergonomisch geformten Sitzschalen und Rückenlehnen. Darüber hinaus sind hauptsächlich Behandlungseinheiten mit Peitschen-Systemen installiert. In Deutschland sind diese bislang nicht so verbreitet wie beispielsweise in skandinavischen Ländern. Auch im klinischen Behandlungskurs wurden vor etwa einem Jahr neue Einheiten mit PeitschenSystem angeschafft. Die sind ergonomischer, weil man das Element direkt an sich heranziehen kann und es sich leicht für Linkshänder umstellen lässt. Zusätzlich erhalten alle Studierenden eine Schulung zur Ergonomie. Nach rund vier Monaten Betrieb: Wie fällt Ihr erstes Fazit aus? Dieoffizielle Eröffnung war im Juni, das Semester läuft aber Dr. Milan Stoilov demonstriert die VR am Beispiel einer Leitungsanästhesie. Foto: nl/zm

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