Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 18

ZAHNÄRZTLICHE MITTEILUNGEN | WWW.ZM-ONLINE.DE Eine Pille gegen Schlafapnoe? AUSGABE 18 | 2025 zm 16.09.2025, Nr. 18 Ein Pionier der Prophylaxe Dr. Klaus-Dieter Bastendorf spricht im Interview über seinen Traum von einer Praxis ohne restaurative Behandlung. SEITE 12 Die Neuen sind da! Was können Praxischefs tun, damit sich Auszubildende schnell als Teil des Teams fühlen und sich langfristig entwickeln? SEITE 40 KI verändert die Arztsuche Patienten nutzen verstärkt Künstliche Intelligenz bei der Suche nach einer Praxis – das beeinflusst die Sichtbarkeit im Netz. SEITE 72

EDITORIAL | 3 Neue Wege zum gesunden Schlaf die in der aktuellen sechsten Mundgesundheitsstudie (DMS 6) dokumentierten Erfolge. Nie gab es mehr Zahnerhaltung als heute. Aber um zu diesen Erfolgen in allen Altersbereichen zu kommen, bedurfte es eines langen Atems. Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Auch wir haben kürzlich eine neue Serie dazu gestartet. Interessant ist aber, wo überall KI inzwischen zum Einsatz kommt. So setzen immer mehr Patientinnen und Patienten in den USA KI zur Arztsuche ein. Sollte sich dieser Trend fortsetzen und Europa erreichen, wird dies die traditionelle (Zahn-)Arztsuche in naher Zukunft möglicherweise ersetzen. Wir berichten über eine aktuelle Untersuchung dazu. Viel Spaß bei der Lektüre Sascha Rudat Chefredakteur Zahnärztinnen und Zahnärzte haben immer wieder Patienten, die unter obstruktiver Schlafapnoe (OSA) leiden. Dabei handelt es sich um eine weit verbreitete chronische schlafbezogene Atmungsstörung, die sich durch wiederholten Kollaps des oberen Atemwegs im Schlaf auszeichnet. Weltweit sollen eine Milliarde Menschen betroffen sein. Die Folgen sind häutige Schlafunterbrechungen, weniger Blutsauerstoff und übermäßige Tagesschläfrigkeit. Das mindert nicht nur erheblich die Lebensqualität bei den Betroffenen, sondern ist auch gefährlich. Abgesehen von direkten Folgen wie Sekundenschlaf während des Tages – etwa beim Autofahren – geht die Schlafapnoe außerdem mit einer erhöhten Mortalität und Morbidität einher. Bisher konzentrierten sich die Therapien der Schlafapnoe auf die Korrektur anatomischer Gegebenheiten. Das Mittel der Wahl sind dabei meist der Einsatz von Unterkieferprotrusionsschienen (UPS), eine ebenso anerkannte wie wirksame und sichere Therapieform. Doch zunehmend begreift man die Schlafapnoe auch als neuronale Erkrankung, die damit prinzipiell Medikamenten zugänglich ist. Pharmakologische, nichtinvasive Therapien gegen OSA befinden sich derzeit im Aufwind und werden in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit klinisch nutzbare Behandlungsoptionen hervorbringen. Wir zeigen in unserer Titelgeschichte ausführlich, wie der Stand der Forschung ist und in welchen Fällen eine medikamentöse Therapie zukünftig sinnvoll sein könnte. Unsere Autorin zeigt dabei auch auf, warum eine medikamentöse Behandlung die UPS trotzdem nicht ersetzen kann. Da wir bei der zm gerne den aktuellsten Stand der Wissenschaft abbilden und über den Tellerrand schauen, stellen wir in dieser Ausgabe auch die S2k-Leitlinie zur „Diagnostik und Therapie der systemischen Sklerose“ (SSc) vor. Diese wurde kürzlich von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie (DGRh) veröffentlicht. Krankheitszeichen dieser seltenen, potenziell schwer verlaufenden Autoimmunerkrankung zeigen sich häufig auch im Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereich. Deshalb gibt es in der Leitlinie ein komplettes Kapitel mit neuen Empfehlungen, die sich direkt an Zahnärztinnen und Zahnärzte richten. Wir fassen die Ergebnisse für Sie zusammen. Im Mai dieses Jahres wurden die Zahnärzte Dr. Klaus-Dieter Bastendorf und Dr. Lutz Laurisch für ihr Engagement im Bereich der Prophylaxe mit der goldenen Ehrennadel der Bundeszahnärztekammer ausgezeichnet. Wir sprechen in dieser Ausgabe mit Bastendorf, wie er in den 1970er-Jahren – der Hochzeit der restaurativen Zahnmedizin um jeden Preis – auf die Idee kam, sich für Prävention als nachhaltige Alternative einzusetzen und zu ihrem Pionier zu werden. Dass Bastendorf zusammen mit einigen anderen Mitstreitern den richtigen Weg eingeschlagen hatte, zeigen beispielsweise Foto: Lopata/axentis

4 | INHALT 18 Treibhausgase schwächen Haifischzähne Der Klimawandel lässt die Ozeane saurer werden. Wie sich das auf die Zähne von Haien auswirkt, haben Forscher jetzt untersucht. 64 Der besondere Fall mit CME Die Behandlung von Patienten mit multipler Oligodontie erfordert eine komplexe, interdisziplinäre Therapieplanung. MEINUNG 3 Editorial 6 Leitartikel POLITIK 10 Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen in den Heilberufen BZÄK und KZBV: „Registerpflicht jetzt – Doppelverfahren vermeiden!“ 20 Bundesamt für Soziale Sicherung übt Kritik Krankenkassen informieren unzureichend über Zusatzbeiträge 44 Kurz erklärt: Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG Gesucht: Auswege aus der Kostenfalle 55 AS Akademie macht Zahnärzte fit für die Standespolitik Der neue Kurs startet im Februar! ZAHNMEDIZIN 12 Interview mit Dr. Klaus-Dieter Bastendorf „Mein Traum bleibt eine Praxis ohne restaurative Behandlung“ 38 Aus der Wissenschaft Patientenaufklärung: Wie verständlich sind KI-Texte? 46 S2k-Leitlinie mit Empfehlungen für Zahnärztinnen und Zahnärzte So erkennen Sie orale Manifestationen der systemischen Sklerose 64 Der besondere Fall mit CME Interdisziplinäre Rehabilitation eines Erwachsenen mit multipler Oligodontie TITELSTORY 30 Pharmakotherapie bei OSA Eine Pille gegen Schlafapnoe? PRAXIS 26 EU-Gesetz zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz Was Arbeitgeber über den AI-Act wissen müssen 40 Interview mit Ausbildungsberaterin Leane Schäfer zum Onboarding „Wir hören immer noch, dass Auszubildende in erster Linie sauber machen müssen“ 50 Auf der Baustelle der MHB „Hier entsteht ein Ort für exzellente Ausbildung“ Inhalt zm115 Nr. 18, 16.09.2025, (1462)

INHALT | 5 76 Kritik nicht verstecken! Viele Führungskräfte greifen auf die sogenannte Sandwich-Technik zurück und verstecken ihre Kritik zwischen Lob. Doch das funktioniert nicht (mehr)! TITELSTORY 30 Eine Pille gegen Schlafapnoe? Die Therapien der Schlafapnoe konzentrieren sich aktuell auf die Korrektur anatomischer Gegebenheiten – doch die jüngere Forschung wirft nun ein Licht auf pharmakotherapeutische Ansätze. 52 Praxisübernahme vor den Toren Berlins – Teil 1 Auf der Suche nach dem perfekten Standort 72 Arzt- und Zahnarztsuche im 21. Jahrhundert Wie KI die Sichtbarkeit Ihrer Praxis beeinflusst 76 Ciao Sandwich-Technik Warum in Lob verpackte Kritik nicht (mehr) funktioniert MEDIZIN 24 Deutsches Krebsforschungszentrum Therapeutische Impfung zur Behandlung von HPV-bedingten Tumoren 28 Untersuchung in Großbritannien Können Stammzellen aus Milchzähnen Krankheiten heilen? GESELLSCHAFT 18 Studie zu den Folgen der Versauerung der Meere Treibhausgase schwächen Haifischzähne 48 Studie aus dem Vereinigten Königreich Viele Zahnärztinnen und Zahnärzte sind an der Belastungsgrenze 60 Mit Dental Roots in Ruanda Dankbarkeit war unser größter Motivator 62 Mit dem Dentalmuseum durch 2025 – Teil 16 Sauber(er), aber noch nicht rein 78 Pionier der Seniorenzahnmedizin Bundesverdienstkreuz für Dr. Klaus-Peter Wefers MARKT 81 Neuheiten RUBRIKEN 8 Ein Bild und seine Geschichte 16, 22 Urteile 55, 77 Bekanntmachungen 56 Termine 58 Medizin-News 75 Formular 79 Impressum 94 Zu guter Letzt Titelfoto: Milos – stock.adobe.com zm115 Nr. 18, 16.09.2025, (1463)

Eine gute und nachhaltige zahnmedizinische Versorgung basiert auf einem starken und zugleich sensiblen Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt und Patient. Dieses besondere Vertrauensverhältnis muss zum Wohl unserer Patientinnen und Patienten erhalten und geschützt bleiben. Elementare Voraussetzungen hierfür sind das Prinzip der freiberuflichen Berufsausübung – vornehmlich in den inhabergeführten Praxen – und eine funktionierende Selbstverwaltung. Dafür setzt sich die KZBV gemeinsam mit ihren Selbstverwaltungspartnern nun seit bereits 70 Jahren ein und gestaltet das Gesundheitswesen aktiv mit. Der Wert der Selbstverwaltung liegt vor allem in einer besonderen Sachnähe: nah am Versorgungsgeschehen, nah an den Problemen vor Ort. Die Selbstverwaltung orientiert sich gerade nicht an ökonomischen Interessen, sondern an der Gewährleistung einer bestmöglichen (zahn-)medizinischen Versorgung. Gemeinsam mit Ihnen, den freiberuflich tätigen Praxen, haben wir uns in dieser Zeit nicht nur als krisenfest und handlungsfähig bewiesen. Mit der Vielzahl von Versorgungskonzepten, die aus dem Berufsstand heraus entwickelt wurden, haben wir als Selbstverwaltung einen zentralen Beitrag zur Patientenversorgung geleistet und vor allem die Weichen für eine verbesserte Versorgung von Patientinnen und Patienten mit besonderen Bedürfnissen gestellt. Mit dem elektronischen Beantragungsund Genehmigungsverfahren (EBZ), das wir ebenfalls aus der Selbstverwaltung heraus entwickelt haben, haben wir die Maßstäbe für eine praxistaugliche Digitalisierung gesetzt – mit echtem Mehrwert für Praxen sowie Patientinnen und Patienten. Auch mit unserem 2005 eingeführten Festzuschusssystem als Reaktion auf die andauernden Kostendämpfungsmaßnahmen des Gesetzgebers, mit dem wir einen neuen versorgungspolitischen Ansatz wählten, haben wir die Umsetzung einer wichtigen Forderung der Zahnärzteschaft erreicht: dieAbschaffung der Budgetierung für den Bereich der Prothetik. Allein diese Beispiele verdeutlichen: Die Selbstverwaltung trägt Verantwortung und wirkt. Jede Schwächung der Selbstverwaltung geht am Ende immer zulasten der von uns allen getragenen Versorgung. Um die Selbstverwaltung und die mit ihr verbundenen Werte zu erhalten, sind daher verlässliche Rahmenbedingungen essenziell, die es erlauben, die Menschen hierzulande ohne überbordende Regulierung zu versorgen. Nur ein klares, uneingeschränktes Bekenntnis zu einer dezentralen Gesundheitsversorgung sichert den Schutz unserer flächendeckenden hochwertigen zahnmedizinischen Versorgung. Den KZVen und der KZBV als Körperschaften des öffentlichen Rechts wurde ganz bewusst der Auftrag der zahnmedizinischen Versorgung per Gesetz übertragen. Ihre Tätigkeit als Freiberuflerin beziehungsweise Freiberufler, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist damit ein fundamentaler Baustein eines funktionierenden Gemeinwesens. Umso wichtiger ist eine starke Interessenvertretung, die sich entschlossen gegen dieEingriffe in die Hoheit der Selbstverwaltung stellt. Das tut die KZBV seit 70 Jahren. Auch weiterhin werden wir uns mit aller Kraft dafür einsetzen, die Niederlassung zu stärken, um die zahnmedizinische Versorgung zukunftsfest zu machen. Wir erwarten daher von der Politik einen Dialog auf Augenhöhe, Planungssicherheit und eine frühzeitige Einbindung – im Gegensatz zu den kurzfristigen Alleingängen in der Vergangenheit. Auf 70 Jahre Selbstverwaltung können wir stolz sein. Sie verbindet die Fachkompetenz freiberuflicher Zahnmedizin mit demokratischer Legitimation und starken Innovationen. Aber: Geschichte ist kein Automatismus für künftige Stärke. Wir fordern Politik, Gesellschaft und Berufsstand auf: Lasst uns gemeinsam weiterhin Verantwortung übernehmen, Strukturen nachhaltig stärken und der Selbstverwaltung die Freiheit geben, die sie für ein gerechtes, menschliches und demokratisch stabiles Gesundheitswesen braucht. Martin Hendges Vorsitzender des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung 70 Jahre KZBV: Selbstverwaltung wirkt! 6 | LEITARTIKEL Foto: Jan Knoff, Cologne

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EIN BILD UND SEINE GESCHICHTE Foto: Thomas Tütken, Dennis – stock.dobe.com zm115 Nr. 18, 16.09.2025, (1466) 8 | GESELLSCHAFT Sauerstoff-Isotope, konserviert im prähistorischen Zahnschmelz eines Dinosaurierzahns, die Aufschluss darüber geben, wie das Klima vor 252 bis 66 Millionen Jahren war? Das klingt nach Science-Fiction. Erinnern Sie sich? Ein prähistorischer Moskito, vollgesogen mit Dinosaurier-DNA, eingeschlossen in Bernstein – aus diesem Szenario entspinnt der Milliardär John Hammond in „Jurassic Park“ seinen kühnen Traum: einen Freizeitpark mit lebenden Dinosauriern, geklont aus fossiler DNA. Nun, 32 Jahre später, klingt es wieder nach ScienceFiction – ist es aber nicht. Forschende der Universitäten Göttingen, Mainz und Bochum haben eine neue Methode entwickelt, mit der sie den Kohlenstoffdioxidgehalt der Luft und die Photosyntheseleistung der Pflanzen aus fossilem Zahnschmelz rekonstruieren können. Denn das Verhältnis der Isotope im Sauerstoff reagiert auf Veränderungen des atmosphärischen Kohlenstoffdioxids und der photosynthetischen Aktivität der Pflanzen. „Dieser Zusammenhang macht Rückschlüsse auf das Klima und die Vegetation im Zeitalter der Dinosaurier möglich“, so die Forschenden. Das Team analysierte die Sauerstoff-Isotope im Zahnschmelz von verschiedenen Dinosaurierzähnen aus dem späten Jura und der späten Kreidezeit, die in Nordamerika, Afrika und Europa gefunden wurden. Darunter auch der Zahn (im Bild) von „Europasaurus holgeri“, einem Pflanzenfresser, dessen Knochen im Steinbruch Langenberg bei Oker im Harz entdeckt wurde. Ihre Erkenntnis: Im späten Jura vor etwa 150 Millionen Jahren hat die Luft etwa viermal so viel Kohlenstoffdioxid enthalten wie zur Zeit vor der Industrialisierung. Zudem war damals die Photosyntheseleistung aller Pflanzen doppelt so hoch wie heute. Während Steven Spielberg mit „Jurassic Park“ im Jahr 1993 vorführte, wie ein Tropfen Blut aus der Vergangenheit eine spektakuläre Zukunftsvision entfachen konnte, zeigt die Wissenschaft heute, wie fossiler Zahnschmelz tatsächlich das Fenster in einer ferne Welt öffnet – nicht mit lebendigen Sauriern, aber mit präzisen Einblicken in das Klima, das sie umgab. nb

goz-honorarvereinbarung.de Zahnmedizin von heute zu Preisen von 1988? Deutschland ist in der Bekämpfung von Karies hervorragend aufgestellt. Die Mundgesundheit der Deutschen hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert. Im Gegensatz zu den Abrechnungsmöglichkeiten der Zahnärzte. Wegen Tatenlosigkeit der Bundesregierungen ist die Gebührenordnung (GOZ) aus den 80er Jahren und damit aus der Zeit gefallen. § 2 Abs. 1 und 2 GOZ können das ändern, wenn wir mit den Patienten ehrlich sprechen. Anfangsgehalt ZFA 1988: 920 Euro 2025: 2.500 Euro

10 | POLITIK ANERKENNUNG AUSLÄNDISCHER BERUFSQUALIFIKATIONEN IN DEN HEILBERUFEN BZÄK und KZBV: „Registerpflicht jetzt – Doppelverfahren vermeiden!“ Dass ein Gesetzentwurf das Anerkennungsverfahren ausländischer Berufsqualifikationen bei den Heilberufen beschleunigen und vereinfachen soll, begrüßen BZÄK und KZBV, beide sehen aber erheblichen Nachbesserungsbedarf. Foto: Kadmy - stock.adobe.com zm115 Nr. 18, 16.09.2025, (1468) Zunächst einmal positiv bewerten Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), dass für das Anerkennungsverfahren künftig statt der langwierigen Gleichwertigkeitsprüfung nach Aktenlage die Kenntnisprüfung zur Regel werden soll. Dadurch sei mit einer kürzeren Verfahrensdauer zu rechnen. Ohnehin zeige die Erfahrung, dass die meisten Gleichwertigkeitsprüfungen wesentliche Unterschiede in den Ausbildungen feststellen und eine Kenntnisprüfung notwendig machen. Für den Fall, dass es im Laufe des Verfahrens doch zu einer Gleichwertigkeitsprüfung komme, fordern die Berufsorganisationen allerdings, diese „verfahrensabschließend“ zu gestalten. Das heißt: Bei Negativbescheid soll es keine weitere Möglichkeit zur Kenntnisprüfung geben. Echtheit der Unterlagen frühzeitig prüfen BZÄK und KZBV monieren, dass die angekündigten Änderungen der Rechtsverordnungen nicht zeitgleich mit dem Gesetzentwurf zur Beschleunigung der Anerkennungsverfahren vorgelegt wurden. Das erschwere eine „vollumfängliche“ Stellungnahme. „Insbesondere lassen sich Fragen zur Plausibilitäts-, Referenz- und Echtheitsprüfung von eingereichten Unterlagen nicht abschließend beurteilen“. In diesem Punkt äußern sich die Berufsorganisationen besorgt: Einzelne Aussagen in der Entwurfsbegründung zum Gesetz wiesen darauf hin, dass Dokumente wie Curricula ausländischer Hochschulen künftig weder vervielfältigt, noch übersetzt, noch beglaubigt werden sollen. „Antragsstellende Personen ohne jegliche Vorprüfung der eingereichten Unterlagen in die Kenntnisprüfung zu schicken, erfüllt die Absicht des Gesetzgebers, dem Patientenschutz höchste Priorität einzuräumen, nicht“, rügen KZBV und BZÄK. Im Sinne des Patientenschutzes sollte es vor der Kenntnisprüfung eine Plausibilitäts-, Referenz- und Echtheits-

POLITIK | 11 prüfung der eingereichten Unterlagen durch die zuständigen Behörden geben. So ließen sich bei „berechtigten Zweifeln, dass es sich bei der antragsstellenden Person beispielsweise tatsächlich um einen Zahnarzt oder um eine Zahnärztin mit abgeschlossener Ausbildung aus dem Ausland handelt, weitere, dann notwendige Schritte einleiten“. Keine Kenntnisprüfung ohne vorherigen Sprachtest Generell verlangen BZÄK und KZBV, dass die Anforderungen an die einzureichenden Unterlagen nicht zum Zwecke der Beschleunigung und/oder Vereinfachung von Verfahren abgeschwächt werden. Dies sollte daher bereits jetzt ausdrücklich in der Gesetzesbegründung klarstellend ergänzt werden. Zudem fordern BZÄK und KZBV, dass die Überprüfung der deutschen Sprachkenntnisse vor der Kenntnisprüfung stattfindet: „Die im Entwurf festgelegte, zwingende Reihenfolge, dass die Anerkennung der Gleichwertigkeit der Berufsqualifikation der antragstellenden Person vor Überprüfung der übrigen Voraussetzungen, insbesondere der Sprachkenntnisse, erfolgt, wird abgelehnt“. Ohne ausreichende Sprachkenntnisse könne keine Kenntnisprüfung durchgeführt werden. Indem man die zeitliche Abfolge der zu erbringenden Voraussetzungen umkehrt, lassen sich aus Sicht der beiden Berufsorganisationen unnötige Verfahrensschritte umgehen. In einem anderen Punkt trägt der Gesetzentwurf für BZÄK und KZBV durchaus dazu bei, Zeit zu sparen. So soll unterbunden werden, dass verschiedene Behörden denselben Sachverhalt parallel bearbeiten. Aktuell sei hier jedoch lediglich ein Informationsaustausch in Bezug auf anhängige Verfahren im Sinne einer Kann-Regelung vorgesehen. Das geht den Bundesorganisationen nicht weit genug. Doppelprüfungen durch ein zentrales Register vermeiden „Wir halten weitergehend die Einführungen eines behördlichen Melderegisters und eine damit einhergehende Mitteilungspflicht für die zuständigen Behörden für erforderlich. Diese Mitteilungspflicht an das Register ist dabei auch für abgeschlossene Verfahren zu erweitern, in denen antragsstellende Personen das Anerkennungsverfahren bereits rechtskräftig erfolglos, beispielsweise durch ein endgültiges Nichtbestehen der oder von Teilen der Kenntnisprüfung in der Zahnheilkunde, durchlaufen haben“, schreiben sie. Dafür sollte eine gemeinsame Registerstelle geschaffen werden. Auf diese Weise ließe sich zum Beispiel vermeiden, dass Personen, die in einem Bundesland bereits durch die Kenntnisprüfung gefallen sind, in anderen Bundesländern erneut einen Antrag stellten. Kritisch merken BZÄK und KZBV an, dass die vorläufige Berufserlaubnis auf bestimmte Tätigkeiten und Beschäftigungsstellen beschränkt werden sollte. Die bisherige Kann-Regelung funktioniere zwar im ärztlichen Bereich, wo Ärztinnen und Ärzte mit einer vorläufigen Berufserlaubnis häufig in Kliniken eingesetzt und in den dortigen Stationsstrukturen in entsprechende Aufsichtsmöglichkeiten eingegliedert seien. In der häufig ambulant in Praxen stattfindenden zahnmedizinischen Versorgung sei das so jedoch nicht möglich. „Um den Patientenschutz zu gewährleisten, ist es deshalb sinnvoll, dass die zuständigen Behörden die Erlaubnis unter der Auflage erteilen, dass die antragsstellende Person nur unter Aufsicht und Anleitung eines approbierten Zahnarztes arbeiten darf“, heißt es in der Stellungnahme. sth zm115 Nr. 18, 16.09.2025, (1469) DAS FORDERN KZBV UND BZÄK n Die Qualität der Versorgung darf durch beschleunigte Verfahren nicht gefährdet werden. n Zur Vermeidung von Doppelprüfungen sowie für mehr Transparenz ist ein zentrales Register für Anerkennungsverfahren nötig. n Keine Kenntnisprüfung ohne vorherigen Sprachtest! n Gesetz und Verordnung müssen synchronisiert werden. n Statistik und Datenbasis müssen verbessert werden: Hier fehlten einheitliche Vorgaben zur Erfassung von Approbationen und Berufserlaubnissen – die aktuelle Datenlage sei lückenhaft und uneinheitlich. QUALITÄT UND VOLLSTÄNDIGKEIT DER STATISTISCHEN DATEN SICHERSTELLEN Im gesamten Bundesgebiet sind nach Angaben der BZÄK im Jahr 2023 circa 1.500 Kenntnisprüfungen in der Zahnheilkunde abgenommen worden. „Überwiegend führen die (Landes-) Zahnärztekammern die Kenntnisprüfung in den Anerkennungsverfahren im Auftrag der zuständigen Behörden durch“, heißt es in der Stellungnahme. Zudem habe es unter Aufsicht der Kammern etwa 1.200 Fachsprachprüfungen gegeben. Die Zahl der erteilten zahnärztlichen Approbationen belief sich im Jahr 2023 auf rund 2.500. „Dabei sind, jeweils ohne die Bundesländer, die dazu keine Angaben gemacht haben, rund 360 Approbationen mit einer Ausbildung aus dem EUAusland und 270 Approbationen mit einer Ausbildung aus einem Drittstaat erteilt worden“, informieren BZÄK und KZBV. Die zahnärztlichen Bundesorganisationen kritisieren, dass es keine einheitlichen Vorgaben für die Erhebung dieser wichtigen statistischen Daten gibt. Dadurch unterscheide sich die Qualität der Angaben der zuständigen Behörden teilweise deutlich voneinander und sei bundesweit nicht „vollumfänglich vollständig“. Aus diesem Grund regen BZÄK und KZBV in ihrer Stellungnahme an, einen einheitlichen Statistikmaßstab im ZHG zu verankern.

12 | ZAHNMEDIZIN INTERVIEW MIT DR. KLAUS-DIETER BASTENDORF „Mein Traum bleibt eine Praxis ohne restaurative Behandlung“ Im Mai wurden die Zahnärzte Dr. Klaus-Dieter Bastendorf und Dr. Lutz Laurisch für ihr Engagement im Bereich der Prophylaxe mit der goldenen Ehrennadel der Bundeszahnärztekammer ausgezeichnet. BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz ist sich sicher: Ohne die Vorbildwirkung dieser Pioniere wäre Deutschland heute nicht Weltmeister in der Mundgesundheit und die Zahnmedizin nicht der einzige Heilberuf, der die Prävention zur Erfolgsgeschichte gemacht hat. Wir haben mit Bastendorf über sein Lebenswerk gesprochen. In den 1970er- und 1980er-Jahren brummte die Wirtschaft und die prall gefüllten Kassen der GKV ließen modernen Zahnersatz für alle zu. Es war die Zeit der Amalgamstraßen und ungebremsten Prothetikversorgung. Wie kamen Sie ausgerechnet in dieser Zeit auf die Idee, eine Praxis für präventive Zahnheilkunde zu gründen? Dr. Klaus-Dieter Bastendorf: Bereits während meines Studiums in Tübingen las ich mit großem Interesse das Quintessenz-Buch „Häusliche Mundhygiene“ von Prof. Peter Riethe, dem verstorbenen Leiter der Tübinger Abteilung für Zahnerhaltung und überzeugter Präventivzahnmediziner. Schon damals kam ich zu der Überzeugung, dass es einen besseren Weg geben musste als das übliche „Drill, Fill and Bill“. Es konnte nicht sein, dass die Natur uns ein wunderbares orales System schenkt und sich dies nur für beschränkte Zeit und mit erheblichem restaurativem Aufwand erhalten lässt. Das musste auch anders gehen: Mein Traum war eine Praxis ohne restaurative Behandlung. Wie haben Sie begonnen, die Idee umzusetzen? In meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Tübingen organisierten wir zunächst eine präventive Betreuung für Kinder – in diesem Bereich ließ sich ein kontrollorientiertes Wiedereinbestellungsprocedere gut einüben. Eine solches Konzept konnte ich dann auch als Assistent in der Praxis Dr. Werner Rieker in Eislingen integrieren. In meiner eigenen Praxis startete ich 1979 mit nur einem Behandlungszimmer. Dazu richteten wir zwei ProphylaxeZimmer ein, in denen ich sofort begann, ein individual-prophylaktisches Konzept zu etablieren. Sehr hilfreich und prägend waren für mich die Veröffentlichungen von Per Axelsson und Jan Lindhe und meine Hospitation an der Universität Göteborg im Jahr 1980. Damals legte ich für mich folgende Ziele fest: n Meine beiden Töchter sollen lebenslang oral gesund bleiben. n Ich will mein Geld mit der Gesundheit meiner Patienten verdienen, nicht mit ihrer Krankheit. n Meine Praxisphilosophie lautet: 99–77–22, bei 99 Prozent meiner Patienten sollten im Alter von 77 Jahren noch 22 funktionsfähige Zähne vorhanden sein. n Ich will die von Axelsson und Lindhe gezeigte Wirksamkeit eines konsequenten Prophylaxe-Programms unter Praxisbedingungen reproduzieren. n Und schließlich will ich beweisen, dass eine präventive Praxis auch wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Jemand, der gegen den Strom schwimmt, hat es meist nicht leicht. Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie zu kämpfen? Probleme gab es auf vielen Ebenen und mein Weg war besonders zu Beginn sehr mühsam und steinig. Das begann bei meinem Team, denn es war nicht einfach, meine Mitarbeiterinnen von der Notwendigkeit der Prävention zu überzeugen. Auch war damals kein Personal mit Kenntnissen und praktischen Fähigkeiten auf dem Gebiet der oralen Prophylaxe verfügbar. Ich musste von Beginn an selbst für die Ausbildung sorgen. Das habe ich über ein praxisinternes Fortbildungsprogramm umgesetzt, das bei uns bis heute ergänzend zu externen Kursen sehr konsequent gepflegt wird. Das erreichte Ausbildungsniveau lassen wir uns durch eine Prüfung am Zentrum für Zahnärztliche Fortbildung (ZFZ) in Stuttgart bestätigen. Wir sind die Praxis, die dort die meisten Dentalhygienikerinnen hat ausbilden lassen. Schwierig war zunächst auch, die meist skeptischen Patientinnen und Patienten für die präventive Zahnmedizin zu gewinnen. In den ersten Jahren haben wir eine noch nicht konsequent systematisierte Individualprophylaxe als Kassenleistung erbracht. Später führten wir ein erheblich verbessertes und zm115 Nr. 18, 16.09.2025, (1470) 1979 eröffnete Dr. Klaus-Dieter Bastendorf eine Prophylaxe-Praxis in Eislingen. Foto: FNSchielberg

ZAHNMEDIZIN | 13 zeitintensiveres strukturiertes Konzept als Privatleistung ein. Bei dieser Umstellung verloren wir rund 50 Prozent unserer Patienten. Aus der Kollegenschaft und den Standesorganisationen gab es teils besonders heftigen Gegenwind. Es gab Kolleginnen und Kollegen, die mich als „Nestbeschmutzer“ bezeichneten. Meine ersten Fachbeiträge zum Thema Prävention wurden mit dem Hinweis publiziert, dass sie „nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln“. Das ging so weit, dass man drohte, mir die Kassenzulassung zu entziehen, mit der Begründung, ich würde Kassen-feindliche Schriften verbreiten. Konkret hatte ich meinen Patienten neben dem Aufklärungsgespräch schriftliche Informationen überreicht, um sie über Prophylaxe als Privatleistung zu informieren. Trotz aller Widerstände sind Sie Ihren Weg unbeirrt weitergegangen. Die erste Frage nach dem Erfolg Ihres Konzepts gilt natürlich Ihren Töchtern … Beide sind bis heute kariesfrei und ohne gingivale Erkrankungen. Und wie sieht es mit den Patientinnen und Patienten aus? Die präventiven Ziele – insbesondere die angestrebte Referenzzahl 99–77–22 – haben wir ebenfalls weitgehend erreicht. Bereits im Jahr 2000, also vor 25 Jahren, hatten unsere 65- bis 74-jährigen Patienten („jüngere Senioren“, n = 90), die seit durchschnittlich 13 Jahren in unserer Praxis präventiv betreut worden waren, im Mittel noch 18 eigene Zähne (M-T: 9,9) [Bastendorf, 2001]. Bei 105 Patienten im Alter von durchschnittlich 36 Jahren, die seit ihrem sechsten Lebensjahr bei uns systematisch präventiv betreut wurden, gingen über einen Zeitraum von 29 Jahren sechs Zähne (bei vier Patienten) verloren, im Durchschnitt 0,06 Zähne pro Patient [Bastendorf & Bartsch, 2012]. Bei allen war auch der parodontale Zustand gut, der PSI-Code lag bei keinem über 3 [Bastendorf & Bartsch, 2012]. Eine zweite Studie zeigt sowohl für den DMF-T-Wert als auch für den Parodontalen Screening Index (PSI) einen klaren Trend: Patienten mit kontinuierlichem Prophylaxe-Recall zeigen signifikant weniger Pathologien als solche mit Unterbrechungen in der präventiven Betreuung (Abb. 1) [Bastendorf & Bartsch, 2012]. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Compliance. Wie auch Axelsson & Lindhe und mein Kollege Dr. Lutz Laurisch eindrucksvoll gezeigt haben, lassen sich beste Ergebnisse nur mit einer strukturierten und kontinuierlichen Prophylaxe-Betreuung von klein auf erreichen [Bastendorf & Laurisch, 2009; Axelsson et al., 2004]. Sie haben in Ihren Studien eine rekordverdächtige Quote von über 90 Prozent vollständig adhärenter Patientinnen und Patienten ausgewiesen. Wie haben Sie das geschafft? Neben der „intrinsischen Adhärenz“ durch die Patienten ist ein streng von der Praxis verwaltetes Recallsystem – ich nenne das mal „extrinsische Compliance“ – ein wichtiger Bestandteil erfolgreicher Prävention. Die Praxis kann viel tun, um den Patienten zum Dranbleiben, zur Verbindlichkeit bei der Einhaltung von Terminen, aber auch in der häuslichen Mundhygiene zu motivieren. Dazu gehört natürlich auch ein vertrauensvolles Miteinander von Patienten und Behandlern. Jeder Patient ist individuell – von den biologischen Voraussetzungen in der Mundhöhle über die notwendigen Behandlungen und Recallzyklen bis hin zur häuslichen Mundhygiene. Wenn wir das in der Praxis richtig aufgreifen, dann erhöht sich auch die Adhärenz. Kann man das Konzept verallgemeinern? Ist diese Prävention für alle möglich? Prinzipiell bin ich überzeugt, dass ein sehr großer Teil aller Patienten mit strukturierter Prophylaxe bis ins hohe Alter zahngesund bleiben könnte. Aber unsere Patientenstichprobe repräsentiert nicht die Durchschnittsbevölkerung. Bei unserer Klientel handelt es sich um Patienten, die an ihrer zm115 Nr. 18, 16.09.2025, (1471) PIONIER DER ZAHNMEDIZINISCHEN PRÄVENTION Dr. Klaus-Dieter Bastendorf gehörte zu den Pionieren der zahnmedizinischen Prävention, als er 1979 in Eislingen eine Prophylaxe-Praxis eröffnete. Inspiriert von den Studien von Axelsson & Lindhe wollte er die Zähne seiner Patienten mittels professioneller Zahnreinigungsprotokolle künftig lebenslang erhalten – restaurationsfrei. Der Anspruch war hoch, doch Bastendorf konnte einen beachtlichen Teil davon einlösen, wie die von ihm publizierten Langzeitdaten aus seiner Praxis zeigen. Einst als Exot belächelt und nicht selten auch angefeindet, hat ihm die Geschichte in eindrucksvoller Weise recht gegeben: Die zahnmedizinische Prävention hat zu einem einst nicht für möglich gehaltenen Kariesrückgang in Deutschland geführt und gilt heute als in der Medizin beispielloses Erfolgsmodell. Auf dem 6. Deutschen Präventionskongress der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM) am 16. Mai in Hamburg wurde Dr. Klaus-Dieter Bastendorf mit der goldenen Ehrennadel der Bundeszahnärztekammer ausgezeichnet. Dr. Klaus-Dieter Bastendorf und Dr. Lutz Laurisch bei der Verleihung der Goldenen Ehrennadel der BZÄK in Hamburg Foto: OEMUS MEDIA AG

14 | ZAHNMEDIZIN zm115 Nr. 18, 16.09.2025, (1472) Gesundheit interessiert sind und die in der Lage sind, unsere präventiven Leistungen zu honorieren. Ich will aber ausdrücklich betonen: Die finanzielle Möglichkeit zur privaten Zahlung ist sicher eine notwendige, aber keineswegs hinreichende Bedingung für Mundgesundheit – ohne die „intrinsische Adhärenz“ und die Mitarbeit bei der häuslichen Mundhygiene geht es nicht. Diese selektive Patientenklientel haben wir uns über lange Jahre hinweg erarbeitet. Wie sieht es mit der Wirtschaftlichkeit aus? Lohnt sich eine Prophylaxe-Praxis? Ja die Prophylaxe funktioniert auch wirtschaftlich. Mehr als die Hälfte unseres Praxisumsatzes wird über präventive Leistungen erzielt. Ihre Tochter Dr. Nadine Strafela-Bastendorf hat im Jahr 2012 Ihre Praxis übernommen. Führt sie das Konzept weiter? Ja, in der Praxis meiner Tochter gibt es weiterhin ein Behandlungs- und zwei Prophylaxe-Zimmer. Bei uns arbeiten zwei Dentalhygienikerinnen, eine in Vollzeit, die andere halbtags, plus drei Prophylaxe-Assistentinnen. Die DHZahnarzt-Relation entspricht damit dem in Schweden üblichen Schlüssel. Es gibt heute viele Tage ohne restaurative Behandlungen. Dann werden auch im Behandlungszimmer systematische Prophylaxe-Behandlungen durchgeführt. Was wird heute in der Praxis Ihrer Tochter anders gemacht? Vom Ablauf her orientieren wir uns immer noch an der „Recallstunde“ von Lindhe. Aber die wissenschaftlichen Erkenntnisse und der technische Fortschritt haben zu einem sehr individuellen, systematischen Ablauf der Prophylaxesitzung geführt. Die wesentlich verbesserten individuellen Diagnosen sind die Grundlage für eine gezielte prophylaktische Behandlung unserer Patienten. Die Möglichkeiten der Information, Instruktion und Motivation zur häuslichen Mundhygiene einschließlich deutlich verbesserter Hilfsmittel sind vielfältiger und stark verbessert worden. Heute stehen für das Biofilm- und Zahnsteinmanagement bessere und einfachere Hilfsmittel zur Verfügung. Das Anfärben der Beläge wird heute grundsätzlich durchgeführt, nicht nur wie früher zur Instruktion und Motivation der Patienten, sondern auch um eine perfekte Biofilmentfernung sicherzustellen. Und die Recallintervalle werden heute risikoorientiert individuell festgelegt. Seit der Präsentation der DMS 6 mit all den dokumentierten Fortschritten in der Zahngesundheit ist die Prävention in aller Munde. Doch wie geht es jetzt weiter? Was ist noch an Potenzialen zu heben? Da ist noch jede Menge Luft nach oben. Die Erfolge betreffen ja in erster Linie die Zurückdrängung der Karies. Der logische nächste Schritt besteht darin, nun auch die Parodontitisprävention für die Erwachsenen und Senioren voranzutreiben. Auch hier bietet die systematische Prophylaxe ausgezeichnete Möglichkeiten, Parodontitis vorzubeugen. Besonderes Gewicht erhält das Thema durch die systemische Kopplung der Parodontitis an schwere Allgemeinerkrankungen: Wer Parodontitis vorbeugt, vermeidet das durch Bakteriämien in den Körper eingetragene inflammatorische Potenzial und senkt damit auch Risikofaktoren für andere Erkrankungen. Das ist insbesondere für die Senioren eine wichtige Botschaft. Wenn diese Zusammenhänge immer mehr Patienten bewusst werden, dann wird das auch die Nachfrage nach Prophylaxe verstärken. Welchen Tipp würden Sie Praxisinhabern geben, die gern mehr Prophylaxe anbieten wollen? In erster Linie würde ich empfehlen, für die Prophylaxe systematisch gestaltete Prozesse in der Praxis aufzusetzen – die vielfach noch isoliert stattfindende PZR sollte in eine systematische Prophylaxe mit Diagnostik, Risikoabschätzung, individueller Interventionsplanung und Recallmanagement migriert werden. Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung sind qualifiziertes Personal, eine zielführende Kommunikation im Team und mit den Patienten, eine geeignete Praxisausstattung und eine stringente Organisation einschließlich des Recalls. Ganz wichtig: Nehmen Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Patienten mit, kommunizieren Sie aktiv die Chancen, die systematische Prophylaxe bietet. Es lohnt sich. Das Gespräch führten Dr. Jan Koch und Benn Roolf. Bedeutung der Patientenadhärenz für die orale Gesundheit Zunahme DMF-T Unterbrechung Anteil der Patienten (%) 0 0 30 1 2 3 4 5 6 7 8 9 nein ja 10 11 12 15 19 5 10 15 20 25 Beispiel anhand des Patientenkollektivs (n = 105) in der Praxis Dr. Klaus-Dieter Bastendorf: Die Zahl der kariösen, fehlenden und gefüllten Zähne (DMF-T) war bei den Patienten, die das Prophylaxeprogramm unterbrachen, erhöht, auch in Abhängigkeit von der Unterbrechungsdauer [Bastendorf & Bartsch, 2012]. (Grafik mod. nach: Zahnärztlicher Fachverlag, Herne) Foto:

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zm115 Nr. 18, 16.09.2025, (1474) 16 | PRAXIS LANDESSOZIALGERICHT ZU „NULLABRECHNERN“ Auch bei nicht budgetierten Leistungen droht Wirtschaftlichkeitsprüfung Zahnärzte müssen auch bei nicht budgetierten Prophylaxe-Leistungen mit einer Wirtschaftlichkeitsprüfung rechnen. Das entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle in einem aktuell veröffentlichten Urteil. Bei einer Vergleichsprüfung statistischer Verordnungszahlen sind sogenannte Nicht- oder Nullabrechner nur dann herauszurechnen, „wenn ihre Häufigkeit eine gewisse statistische Relevanz hat“. Der Streit ist inzwischen beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig. Geklagt hatte eine zahnärztliche Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) aus dem Raum Hannover. Streitig ist die Gebührenordnungsposition (GOP) IP 5 (Versiegelung von kariesfreien Fissuren und Grübchen der bleibenden Molaren (Zähne 6 und 7) mit aushärtenden Kunststoffen, je Zahn). Bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung hatte die Prüfungsstelle Abrechnungen mit deutlich überdurchschnittlichen Überschreitungen zwischen 353 und 568 Prozent je Quartal festgestellt. Die Prüfungsstelle beließ der BAG Überschreitungen von 50 Prozent und kürzte die Honorare für die Quartale I/2009 bis I/2011 um 46.210 Euro. Der Berufungsausschuss erkannte eine Überschreitung von 150 Prozent an und setzte einen Regress von 30.224 Euro für die Quartale II/2009 bis I/2011 fest. Mit ihrer Klage wies die BAG darauf hin, dass viele Praxen die GOP IP 5 gar nicht abrechnen, wodurch die Statistik verfälscht werde. Zudem gehöre die Prophylaxe zu den Schwerpunkten der BAG. Den gerügten Kosten stünden für die Quartale II/2009 bis I/2011 kompensatorische Einsparungen in Höhe von 40.754 Euro gegenüber, davon 30.082 Euro allein für Füllungen. Wie schon das Sozialgericht Hannover wies nun jedoch auch das LSG Niedersachsen-Bremen die Klage ab. „Insbesondere konnte der Beklagte (Berufungsausschuss) Leistungen der Individualprophylaxe auf Wirtschaftlichkeit prüfen“, heißt es in dem Urteil. Vertragszahnärzte seien „in jedem Teilbereich“ zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Dabei könnten und müssten die Prüfgremien „auch andere als die in der Prüfverordnung vorgesehenen Prüfmethoden einsetzen, wenn sich im Einzelfall die Methode als nicht aussagekräftig oder nicht durchführbar erweist“. „In jedem Teilbereich“ zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet Vor dem Hintergrund einer allgemeinen erheblichen und nicht mehr plausiblen Leistungsausweitung bei der keiner Budgetierung unterworfenen GOP IP 5 sei eine Einzelleistungsprüfung gerechtfertigt gewesen. Der Anteil der Nichtabrechner habe in den Streitquartalen zwischen elf und 13 Prozent gelegen. Dies erfordere noch keine Bereinigung der Statistik, weil diese umgekehrt auch Ausreißer nach oben erfasse, wie etwa die klägerische Praxis. Eine Bereinigung sei bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung von Einzelleistungen „allenfalls dann erforderlich, wenn ihre Häufigkeit eine gewisse statistische Relevanz hat“. Den Nachweis kompensatorischer Einsparungen habe die BAG nicht erbracht. Eine nur teilweise unterdurchschnittliche Abrechnungshäufigkeit reiche nicht aus. Zudem habe der Berufungsausschuss der Praxis eine hohe Überschreitung um 150 Prozent zugestanden. Angesichts des eingeschränkten Leistungsspektrums der BAG hätten die Prüfgremien von einer Einbeziehung des Gesamtfallwerts absehen dürfen. Die Revision hatte das LSG nicht zugelassen. Das BSG hat inzwischen aber einer Beschwerde hiergegen stattgegeben, so dass auch der BSG-Vertragsarztsenat noch über den Streit entscheiden wird. Martin Wortmann Landessozialgericht NiedersachsenBremen Az.: L 3 KA 85/17 Urteil vom 29. November 2023 [Schriftlich veröffentlicht am 20.08.2025] Vorinstanz Sozialgericht Hannover Az.: S 35 KA 36/14 Urteil vom 25. Oktober 2017 kommend: Bundessozialgericht Az.: B 6 KA 7/25 R noch nicht terminiert Foto: picdog-stock.adobe.com

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18 | GESELLSCHAFT STUDIE ZU DEN FOLGEN DER VERSAUERUNG DER MEERE Treibhausgase schwächen Haifischzähne Der Klimawandel lässt die Ozeane zunehmend saurer werden. Diese Entwicklung kann auch für Haie zum Problem werden. Durch die saurere Umgebung werden ihre Zähne geschwächt und können leichter brechen. Je mehr Kohlendioxid (CO2) freigesetzt wird und in die Atmosphäre gelangt, desto mehr nehmen davon auch die Ozeane auf. Die Folge: Der pHWert des Meereswassers sinkt, es wird saurer. Die Säure hat das Potenzial, Mineralien anzugreifen – auch das Zahnmaterial von Meeresbewohnern. Ein Team unter Leitung von Prof. Dr. Sebastian Fraune vom Institut für Zoologie und Organismische Interaktionen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) hat zusammen mit Biologen des Meerwasseraquariums Sealife Oberhausen untersucht, welche Auswirkungen die Ozeanversauerung auf Haizähne hat. Für die Studie nutzten sie abgeworfene Zähne von Schwarzspitzen-Riffhaien (Carcharhinus melanopterus), die im Sealife Oberhausen gehalten werden. Denn wenn bei Haien die Zähne abgenutzt sind, wachsen ihnen bekanntlich neue nach. Diese Fähigkeit ist für den Beutefang und damit für ihr Überleben von entscheidender Bedeutung. Risse, Löcher, Wurzelkorrosion und Strukturschäden Die verwendeten Zähne wurden jeweils acht Wochen lang in getrennte Wasserbehälter gelegt, die einmal Meerwasser mit einem pH-Wert von 8,1 enthielten – entspricht dem heutigen Zustand – und einmal mit einem Wert von 7,3, wie er im Jahr 2300 erwartet wird. Maximilian Baum, Erstautor der Studie: „Dieser Wert entspricht einer fast zehnfachen Versauerung gegenüber heute.“ Anschließend wurden die Zähne am Center for Advanced Imaging der HHU mikroskopisch untersucht. Fraune: „Wir beobachteten bei einem pH-Wert von 7,3 Oberflächenschäden wie Risse und Löcher, erhöhte Wurzelkorrosion und strukturelle Verschlechterungen. Darüber hinaus war die Oberflächenstrukturunregelmäßiger,wasdieZähne strukturell schwächer und anfälliger für Brüche machen kann.“ „Haifischzähne bestehen aus hochmineralisierten Phosphaten, sie sind aber anfällig für Korrosion. Das saurere Wasser des simulierten 2300er-Szenarios beschädigte die Haifischzähne, einschließlich Wurzeln und Kronen, deutlich stärker als heutiges Wasser. Globale Veränderungen reichen also bis in die Mikrostruktur der Haifischzähne hinein“, sagt Baum. Die Oberflächenstruktur der Zähne war unregelmäßiger Die Zähne seien hochentwickelte Waffen, die zum Schneiden von Fleisch geErstautor Maximilian Baum mit einem Gebiss eines SchwarzspitzenRiffhais im Aquarium Foto: Roman Müller-Böhm zm115 Nr. 18, 16.09.2025, (1476)

GESELLSCHAFT | 19 baut sind, aber nicht, um einer Versauerung der Meere Widerstand zu leisten. „Möglicherweise reicht die Fähigkeit, Zähne nachwachsen zu lassen, für die Haie nicht aus, um den Belastungen einer sich verändernden Umwelt standzuhalten“, befürchtet Fraune. Da die Forscher nur abgeworfene Zähne untersuchten, berücksichtigt die Studie keine Reparaturprozesse, die in lebenden Organismen stattfinden können. Timo Haussecker, biologischer Leiter von Sealife Oberhausen und Koautor der Studie: „Bei lebenden Haien kann die Situation somit komplexer sein, da sie beschädigte Zähne möglicherweise remineralisieren können, aber mit einem erhöhten Energieaufwand.“ Das Fazit: Die Versauerung der Ozeane werde erhebliche Auswirkungen auf die morphologischen Eigenschaften der Zähne haben, darunter sichtbare Korrosion an der Krone, Abbau der Wurzelstrukturen und Verlust feiner Details der Serrationen unter Bedingungen mit niedrigem pH-Wert. Dies könnte zu Effizienzverlusten bei der Nahrungssuche und der Energieaufnahme und letztlich zu einem Fitnessverlust der Haie in den Ozeanen der Zukunft führen. ck Baum M., Haussecker T., Walenciak O., Köhler S., Bridges CR. and Fraune S.. Simulated ocean acidification affects shark tooth morphology. Front. Mar. Sci. 12: 1597592 (2025). DOI: 10.3389/ fmars.2025.1597592 Abbildung 1: Haizahn unter dem Lichtmikroskop (links) sowie die Aufnahme mit einem Rasterelektronenmikroskop (rechts) Foto: HHU/Steffen Köhler Die smarten Lösungen von Doctolib – für eine effizientere Praxisauslastung und mehr Wirtschaftlichkeit. Diebeste Füllung für Ihren Kalender.

20 | POLITIK BUNDESAMT FÜR SOZIALE SICHERUNG ÜBT KRITIK Krankenkassen informieren unzureichend über Zusatzbeiträge Viele Krankenkassen tricksen bei der Information über steigende Zusatzbeiträge, rügt das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) als zuständige Aufsicht in seinem Jahresbericht 2024. Ende des Vorjahres sei das GKV-Finanzvermögen so stark geschrumpft gewesen, dass nur noch die Leistungsausgaben eines Tages damit gedeckt werden konnten. Wie das BAS mitteilt, erhöhten 2024 daher insgesamt 22 Krankenkassen ihren Zusatzbeitrag mindestens einmal, fünf Krankenkassen mussten dies sogar zweimal tun. Zum Jahresbeginn 2025 hoben schließlich 49 Krankenkassen den Satz an. Die Anhebung wird im Kleingedruckten versteckt Wie in der Vergangenheit hatte das BAS demnach allen Krankenkassen angeboten, die gesetzlichen Mitgliederinformation vorab abzustimmen, damit sie den rechtlichen Vorgaben entsprechen. Diese Offerte sei zwar von der Mehrheit angenommen, worden, ein Teil habe die Hilfe jedoch abgelehnt oder sich sogar bewusst dagegen entschieden. Im Ergebnis entsprechen damit laut BAS einige Mitgliederinformationen nicht den gesetzlichen Anforderungen. „Vielfach relativieren die Krankenkassen die Anhebung des Zusatzbeitrages mit werblichen Aussagen zu den Leistungen ihrer Krankenkasse oder verstecken die Beitragssatzanhebung im Kleingedruckten“, stellt das BAS in dem Bericht fest. Bei Beschwerden der Versicherten schiebe sich die Kündigungsfrist bei unzureichenden Versicherteninformationen Foto: DOC RABE Media-stock.adobe.com zm115 Nr. 18, 16.09.2025, (1478)

POLITIK | 21 darum nach hinten. Davon unberührt bleibe aber die Wirksamkeit der Erhöhung des Zusatzbeitrags. Das Upcoding kostet Strafen in Millionenhöhe Ein weiteres Problem: das Upcoding. Es bezeichnet die Praxis, medizinische Diagnosen oder Leistungen bewusst höherwertig oder schwerwiegender zu kodieren, als sie tatsächlich sind, um höhere Vergütungen oder Zuweisungen zu erhalten. Dies ist laut BAS deshalb problematisch, weil es zu finanziellen Ungleichheiten und Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Die Behörde weist darauf hin, dass Krankenkassen ein sogenanntes „Einwirkungsverbot“ haben und weder direkt noch indirekt auf die ärztlichen Abrechnungsdaten Einfluss nehmen dürfen. Rechtswidriges Verhalten, wie die gezielte Arztansprache zur Kodierberatung, die unzulässige Nacherfassung von Diagnosedaten oder die Beeinflussung durch Software, wird vom BAS geprüft und sanktioniert. Im Jahr 2024 wurden Korrekturbescheide mit einem Volumen von rund 56 Millionen Euro erlassen, um solche Verstöße zu ahnden. ck zm115 Nr. 18, 16.09.2025, (1479) „Die Verluste in der GKV entwickelten sich in 2024 noch dramatischer als zunächst in den Haushaltsplanungen prognostiziert. Um dies aufzufangen, haben viele Krankenkassen unterjährig zum Teil mehrfach ihre Zusatzbeitragssätze angehoben. Ein Ende ist derzeit nicht abzusehen.“ BAS-Präsident Frank Plate WARUM ZUSATZBEITRÄGE? Die Erhöhung der Zusatzbeiträge wurde dem BAS zufolge durch diese Faktoren verursacht: n Finanzielle Verluste der Krankenkassen: Ihr Defizit war rund 3,8 Milliarden Euro größer als geplant. n Großer Anstieg der Leistungsausgaben: Besonders die Kosten für Krankenhausbehandlungen und Arzneimittel erhöhten sich unerwartet stark. n Aufgebrauchte Rücklagen: Viele Krankenkassen hatten ihre Polster bereits ausgeschöpft und mussten die Zusatzbeiträge erhöhen, um ihre finanzielle Leistungsfähigkeit zu sichern. n Gesetzliche Anforderungen: Nur 12 von 58 Krankenkassen verfügten Ende 2024 über die gesetzlich vorgeschriebene Mindestrücklage von 20 Prozent einer Monatsausgabe. SICHTBAR FÜR DEN ZAHNARZT – UNSICHTBAR FÜR DEN PATIENTEN • Fluoresziert unter UV-A Licht: Sehr gute Sichtbarkeit von Überschüssen und Aufbaugrenzen, auch tief subgingival • Ästhetisch: Dentinfarbenes Material • Dualhärtend: Anwendung auch im Wurzelkanal für das Einkleben von Wurzelstiften (z.B. Rebilda Post) • Einfaches Handling: Beschleifbar wie Dentin, perfekte Adaption (fließfähig) VOCO GmbH · Anton-Flettner-Str. 1-3 · 27472 Cuxhaven · Deutschland Rebilda® DC fluorescent

22 | PRAXIS BUNDESSOZIALGERICHT BESTÄTIGT LANGJÄHRIGE RECHTSPRECHUNG Internist droht Totalregress wegen gestempelter Rezeptunterschrift Ein niedergelassener Internist hat seine Verordnungen für Sprechstundenbedarf nicht persönlich unterschrieben, sondern mit einem „Faksimilestempel“ versehen. Nun droht ihm ein Regress von über einer Million Euro. Die Prüfungsstelle setzte auf Antrag der Krankenkasse einen Regress in Höhe von rund 490.000 Euro fest. Zusammen mit weiteren, noch anhängigen Verfahren belaufen sich die Rückforderungen auf 1,24 Millionen Euro. Widerspruch und Klage beim zuständigen Sozialgericht blieben ohne Erfolg. Zu Recht, wie das Bundessozialgericht (BSG) jetzt feststellte. Der Hinweis des Klägers, dass alle Verordnungen medizinisch indiziert gewesen seien, sei in diesem Zusammenhang irrelevant. Die Unterschrift eines Arztes auf einem Rezept sei kein formeller Vorgang, sondern diene dem Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit der Versicherten. Unterschrift ist wesentlicher Bestandteil der Verordnung Der Kläger habe die für Vertragsärzte bestehende Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verletzt. Die persönliche Unterschrift des Arztes – digital in Form der qualifizierten elektronischen Signatur – sei wesentlicher Bestandteil der Gültigkeit einer Verordnung. „Nur mit einem Unterschriftenstempel versehene Verordnungen können die hohen Qualitätsanforderungen und die Gewähr für die Richtigkeit und vor allem Sicherheit bei der Auswahl des verordneten Arzneimittels nicht erfüllen“, bekräftigte das BSG. „Dem Kläger fällt hinsichtlich der Pflichtverletzung auch Verschulden zur Last, da er die Regularien der persönlichen Unterzeichnung jeglicher Art von ärztlichen Verordnungen kennen muss und diese nicht eigenmächtig ändern darf.“ zm115 Nr. 18, 16.09.2025, (1480) Foto: tiena – stock.adobe.com Das BSG bestätigte auch, dass der hohe vom Sozialgericht festgesetzte Schaden infolge der Pflichtverletzungen des Arztes entstanden sei. Entgegen der Ansicht des Klägers verstoße die Festsetzung des Regresses weder gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, noch sei sie unverhältnismäßig. Anhaltspunkte dafür, dass die Verordnungen nicht eingelöst worden sind oder es zu Zurückweisungen der Verordnungen durch Apotheken gekommen wäre, liegen dem Gericht zufolge nichtvor. ck Sozialgericht Marburg Az.: S 17 KA 88/23 Urteil vom 3. Juli 2024 Bundessozialgericht Az.: B 6 KA 9/24 R Urteil vom 27. August 2025

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