Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 18

ZAHNMEDIZIN | 13 zeitintensiveres strukturiertes Konzept als Privatleistung ein. Bei dieser Umstellung verloren wir rund 50 Prozent unserer Patienten. Aus der Kollegenschaft und den Standesorganisationen gab es teils besonders heftigen Gegenwind. Es gab Kolleginnen und Kollegen, die mich als „Nestbeschmutzer“ bezeichneten. Meine ersten Fachbeiträge zum Thema Prävention wurden mit dem Hinweis publiziert, dass sie „nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln“. Das ging so weit, dass man drohte, mir die Kassenzulassung zu entziehen, mit der Begründung, ich würde Kassen-feindliche Schriften verbreiten. Konkret hatte ich meinen Patienten neben dem Aufklärungsgespräch schriftliche Informationen überreicht, um sie über Prophylaxe als Privatleistung zu informieren. Trotz aller Widerstände sind Sie Ihren Weg unbeirrt weitergegangen. Die erste Frage nach dem Erfolg Ihres Konzepts gilt natürlich Ihren Töchtern … Beide sind bis heute kariesfrei und ohne gingivale Erkrankungen. Und wie sieht es mit den Patientinnen und Patienten aus? Die präventiven Ziele – insbesondere die angestrebte Referenzzahl 99–77–22 – haben wir ebenfalls weitgehend erreicht. Bereits im Jahr 2000, also vor 25 Jahren, hatten unsere 65- bis 74-jährigen Patienten („jüngere Senioren“, n = 90), die seit durchschnittlich 13 Jahren in unserer Praxis präventiv betreut worden waren, im Mittel noch 18 eigene Zähne (M-T: 9,9) [Bastendorf, 2001]. Bei 105 Patienten im Alter von durchschnittlich 36 Jahren, die seit ihrem sechsten Lebensjahr bei uns systematisch präventiv betreut wurden, gingen über einen Zeitraum von 29 Jahren sechs Zähne (bei vier Patienten) verloren, im Durchschnitt 0,06 Zähne pro Patient [Bastendorf & Bartsch, 2012]. Bei allen war auch der parodontale Zustand gut, der PSI-Code lag bei keinem über 3 [Bastendorf & Bartsch, 2012]. Eine zweite Studie zeigt sowohl für den DMF-T-Wert als auch für den Parodontalen Screening Index (PSI) einen klaren Trend: Patienten mit kontinuierlichem Prophylaxe-Recall zeigen signifikant weniger Pathologien als solche mit Unterbrechungen in der präventiven Betreuung (Abb. 1) [Bastendorf & Bartsch, 2012]. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Compliance. Wie auch Axelsson & Lindhe und mein Kollege Dr. Lutz Laurisch eindrucksvoll gezeigt haben, lassen sich beste Ergebnisse nur mit einer strukturierten und kontinuierlichen Prophylaxe-Betreuung von klein auf erreichen [Bastendorf & Laurisch, 2009; Axelsson et al., 2004]. Sie haben in Ihren Studien eine rekordverdächtige Quote von über 90 Prozent vollständig adhärenter Patientinnen und Patienten ausgewiesen. Wie haben Sie das geschafft? Neben der „intrinsischen Adhärenz“ durch die Patienten ist ein streng von der Praxis verwaltetes Recallsystem – ich nenne das mal „extrinsische Compliance“ – ein wichtiger Bestandteil erfolgreicher Prävention. Die Praxis kann viel tun, um den Patienten zum Dranbleiben, zur Verbindlichkeit bei der Einhaltung von Terminen, aber auch in der häuslichen Mundhygiene zu motivieren. Dazu gehört natürlich auch ein vertrauensvolles Miteinander von Patienten und Behandlern. Jeder Patient ist individuell – von den biologischen Voraussetzungen in der Mundhöhle über die notwendigen Behandlungen und Recallzyklen bis hin zur häuslichen Mundhygiene. Wenn wir das in der Praxis richtig aufgreifen, dann erhöht sich auch die Adhärenz. Kann man das Konzept verallgemeinern? Ist diese Prävention für alle möglich? Prinzipiell bin ich überzeugt, dass ein sehr großer Teil aller Patienten mit strukturierter Prophylaxe bis ins hohe Alter zahngesund bleiben könnte. Aber unsere Patientenstichprobe repräsentiert nicht die Durchschnittsbevölkerung. Bei unserer Klientel handelt es sich um Patienten, die an ihrer zm115 Nr. 18, 16.09.2025, (1471) PIONIER DER ZAHNMEDIZINISCHEN PRÄVENTION Dr. Klaus-Dieter Bastendorf gehörte zu den Pionieren der zahnmedizinischen Prävention, als er 1979 in Eislingen eine Prophylaxe-Praxis eröffnete. Inspiriert von den Studien von Axelsson & Lindhe wollte er die Zähne seiner Patienten mittels professioneller Zahnreinigungsprotokolle künftig lebenslang erhalten – restaurationsfrei. Der Anspruch war hoch, doch Bastendorf konnte einen beachtlichen Teil davon einlösen, wie die von ihm publizierten Langzeitdaten aus seiner Praxis zeigen. Einst als Exot belächelt und nicht selten auch angefeindet, hat ihm die Geschichte in eindrucksvoller Weise recht gegeben: Die zahnmedizinische Prävention hat zu einem einst nicht für möglich gehaltenen Kariesrückgang in Deutschland geführt und gilt heute als in der Medizin beispielloses Erfolgsmodell. Auf dem 6. Deutschen Präventionskongress der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM) am 16. Mai in Hamburg wurde Dr. Klaus-Dieter Bastendorf mit der goldenen Ehrennadel der Bundeszahnärztekammer ausgezeichnet. Dr. Klaus-Dieter Bastendorf und Dr. Lutz Laurisch bei der Verleihung der Goldenen Ehrennadel der BZÄK in Hamburg Foto: OEMUS MEDIA AG

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=