32 | ZAHNMEDIZIN Schlaf, insbesondere Rapid-Eye-Movement (REM)-Schlaf verursacht fundamentale Veränderungen im Muskeltonus der Rachenmuskulatur und in den Reflexantworten, erhöht den Atemwegswiderstand und ist Hauptverursacher von Hypoventilation und einem Anstieg des Kohlendioxidpartialdrucks bei gesunden schlafenden Menschen [Henke et al., 1992]. Individuen mit einem anatomisch ohnehin engen oberen Atemweg sind durch die Effekte des Schlafs auf den Muskeltonus für ein Absinken des Atemluftstroms (Hypopnoen) beziehungsweise für Atemstillstände (Apnoen) prädisponiert [Remmers et al., 1978]. Der Schlaf mit seinen spezifischen Mechanismen ist dabei eine „conditio sine qua non“ für diese Art von Atemstillständen [Andrisani et al., 2023]. Schlaf: aktiv und komplex Schlaf ist ein komplexer physiologischer Vorgang, an dem zahlreiche Bestandteile des zentralen Nervensystems mitihrenjeweiligenNeurotransmittern beteiligt sind [Luppi et al., 2019]. Der Übergang von einem Schlafstadium zum nächsten für einen vollständigen Schlafzyklus, der vier bis fünfmal pro Nacht über einen Zeitraum von sieben bis acht Stunden erfolgt, erfordert eine komplexe neuronale Koordination verschiedener Gehirnabschnitte sowie funktionierende Signalwege über Neuronen und Neurotransmitter. Darüber hinaus benötigt die Kontrolle von Atmung und Atemwegsdurchlässigkeit eine enorme Koordinationsleistung zwischen Gehirn, Atemzentrum und peripheren neuromuskulären Strukturen [Toh et al., 2023]. Die für die Kontrolle von Schlaf und Aufwachen zuständigen neurologischen Mechanismen haben zahlreiche Projektionen in atmungssteuernde Motoneuronen (efferente Nervenzellen in der Muskulatur), einschließlich des motorischen Kerns des Nervus Hypoglossus [Horner et al., 2008]. Der Motoneuronen-Kern des Musculus hypoglossus innerviert sowohl die intrinsischen als auch die extrinsischen Zungenmuskeln. Die Co-Aktivierung dieser Muskeln trägt zur Erweiterung und Versteifung des oberen Atemwegs bei, um dem Kollaps beim Einatmen Widerstand zu leisten. [Horner et al., 1996; Fuller et al., 1999; Bailey et al., 2006]. Der Musculus Genioglossus spielt dabei im Schlaf eine kritische Rolle beim Offenhalten des oberen Atemwegs [Younes et al., 1985]. Aber auch eine reduzierte Muskelaktivität anderer Rachenmuskeln, wie die des vom Trigeminus innervierten Weichgaumens, trägt zu erhöhtem Atemwegswiderstand und einer Neigung zum Atemwegsverschluss bei [Tangel et al., 1991]. Eine wichtige Rolle für die Atemwegsdurchlässigkeit spielt hier im Schlaf der mesencephale trigeminale Nucleus (MTN), der die Aktivität der Kaumuskulatur modulieren kann und zum Beispiel für Schlafbruxismus mitverantwortlich ist [Giovanni et al., 2021]. Zähne für guten Schlaf: unterschätzt und untererforscht Für uns Zahnärzte ist diese Information besonders interessant. Denn die Literatur legt nahe, dass Zähne in ihrem funktionellen Regelkreis mit Kau- und Gesichtsmuskeln eine wichtige Funktion für die Aktivierung des MTN und damit die funktionelle Steuerung des zm115 Nr. 18, 16.09.2025, (1490) Fotos: Dagmar Norden Abb. 3: a) Defizite in Reaktion und Koordination der Muskeln im oberen Atemweg sind ein Pathomechanismus der OSA. b) Eine Instabilität der ventilatorischen Steuerung ist wesentlicher Pathomechanismus vieler Patienten. c) Anatomische Eigenschaften wie Fettansammlungen im Hals- und Abdominalbereich oder kraniofaziale Stigmata wie eine Retrognathie sind Prädispositionen. d) Eine niedrige Weckschwelle kann die Krankheit aggravieren, indem Weckreaktionen die Koordination der Muskeln und die Atmungsregulation stören. a c d b
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