Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 18

zm115 Nr. 18, 16.09.2025, (1494) 36 | ZAHNMEDIZIN Schlafapnoe-Pathophysiologie ausgewählt wurden. Typische Nebenwirkungen wie Parästhesien und Nykturie können wie die Notwendigkeit zur regelmäßigen Überwachung möglicher Wechselwirkungen mit Thiazid-Diuretika außerdem zum Problem dieser Pharmakotherapie werden [Schmickl et al., 2020]. Heilt die Spritze gegen Adipositas auch die Schlafapnoe? Die Ansammlung von Körperfett ist ein wichtiger und unabhängiger Risikofaktor für OSA. [Messineo et al., 2022]. Fettpolster im oberen Atemweg oder der Zunge erhöhen den extraluminalen Druck und verstärken dadurch die Kollapsneigung [Li et al., 2012; Kim et al., 2024; Kirkness et al., 2008]. IncretinAgonisten zur Behandlung der Adipositas haben deswegen jüngst das Interesse an einer Pharmakotherapie der OSA angeheizt. Es gibt substantielle initiale Evidenz, dass sie in der alltäglichen klinischen Routine einen Einfluss auf den OSA-Schweregrad haben. Aber es gibt auch hier Schattenseiten: diese Medikamente müssen auf unbestimmte Zeit eingenommen werden, die Gewichtszunahme nach Absetzen der Medikation birgt die Gefahr eines höheren Fettanteils innerhalb der wiedergewonnenen Masse, die Dauermedikation könnte mit unerwünschten Nebenwirkungen zum Beispiel auf die Gallenblase und die Bauchspeicheldrüse einhergehen, und nicht zuletzt kann die Applikation mittels subkutaner Injektion eine Barriere für viele Patienten darstellen [Messineo et al., 2024]. Trotz der vorherrschenden Auffassung, dass Schlafapnoe und Adipositas ureigen miteinander verbunden sind, muss man mit gutem Grund kritisch reflektieren, dass Übergewicht nicht zwingend notwendig ist, um eine OSA zu entwickeln [Messineo et al., 2024]. Während die Adipositas zwar bedeutend zur Pathogenese der Schlafapnoe beiträgt, gibt es Evidenz für die entscheidende Rolle nichtanatomischer Faktoren, insbesondere bei Patienten ohne Adipositas. Schlafapnoe kann sich außerdem auch bei Vorliegen anderer anatomischer Faktoren unabhängig von einer Adipositas entwickeln [Messineo et al., 2024], beispielsweise bei kraniofazialen knöchernen Anomalien, tonsillärer Hypertrophie oder unter Einfluss transienter Faktoren wie Flüssigkeitsansammlungen im Rachenbereich in liegender Körperposition [Nicholas et al., 2022]. Aus der Apotheke in die bessere Anatomie? Entsprechend existieren neben den neuen Medikamenten gegen Adipositas weitere pharmakotherapeutische Ansätze, die an anderen anatomischen Ursachen für den Kollaps im Rachensegment ansetzen: Diuretika gegen Flüssigkeitsretention im Bereich des oberen Atemwegs sowie intranasale Steroide und abschwellendes Nasenspray gegen Nasenatmungsbehinderung [Taranto-Montemurro et al., 2019]. Die beiden Letzteren haben eine positive Tendenz hinsichtlich AHI-Absenkung gezeigt, jedoch ohne statistische Signifikanz [Kiely et al., 2004; Smith et al., 2019; Acar et al., 2013; An et al., 2018]. Zusammenfassung und Ausblick Pharmakologische, nichtinvasive Therapien gegen OSA befinden sich derzeit im Aufwind und werden zukünftig mit hoher Wahrscheinlichkeit klinisch nutzbare Behandlungsoptionen hervorbringen [Arrendo et al., 2022; Toh et al., 2023]. Studien mit längeren Nachbeobachtungszeiträumen zur Bewertung der Sicherheit und DauerhaftigkeitdesEffekts dieser Therapien stehen jedoch noch aus [Nobre et al., 2024]. Auch wenn viele Studien zur Pharmakotherapie der OSA auf günstige Ergebnisse hindeuten, gelten diese oft nur für bestimmte OSA-Subgruppen oder sind klinisch nicht signifikant. Aktuell gibt es vor allem wegen fehlender Studien an sehr großen Patienten-Kohorten (Phase III-Studien), noch keine hinreichende Evidenz, um irgendeine Pharmakotherapie gegen die OSA zu empfehlen, einmal abgesehen von der gegen residuale Tagesschläfrigkeit (rEDS). Ausschließlich medikamentös wurde eine OSA bislang auch noch nicht erfolgreich behandelt. Medikamente könnten jedoch künftig als alternative Behandlung zum Einsatz kommen bei Patienten, die etablierte Verfahren nicht tolerieren oder nicht akzeptieren, als ergänzende Therapie zusammen mit chirurgischen Verfahren im Bereich des oberen Atemwegs oder zusammen mit bariatrischer Chirurgie, als Rettungs-Therapie bei Patienten mit residualer OSA nach Chirurgie oder unter einer UPS-Therapie sowie als synergistische Behandlung mit myofunktioneller Therapie, genauso wie die anerkannte Kombination von Hypnotika mit kognitiv verhaltenstherapeutischer Intervention bei Insomnie [Lee et al., 2023; Toh et al., 2023]. NebendemOff-Label-Gebrauch bereits etablierter Medikamente werden nicht zuletzt ständig neue Substanzen für die gezielte Anwendung bei OSA entwickelt. Derzeit behandeln aber in erster Linie mechanische Interventionen wie CPAP und UPS effektiv die OSA [Gaisl et al., 2019]. Im Orchester der OSA-Therapien wird die UPS also auch in Zukunft ein unverzichtbares, seit Jahrzehnten etabliertes, gut untersuchtes und sicheres Instrument auf höchstem Evidenzniveau bleiben. Künftig könnte eine bessere und gegebenenfalls KI-gestützte Auswertung von Daten aus dem Schlaflabor eine präzisere Diagnostik ermöglichen, die die Zuordnung zu einem OSA-Endotypen erlaubt und bereits vorab individuelle Prognosen über das Therapieansprechen des Patienten auf die therapeutischen Optionen zulässt. Der komplexe Hintergrund und die zunehmende Bedeutung multimodaler Therapieansätze unterstreichen umso mehr die Notwendigkeit zu interdisziplinärer Vernetzung und zu spezifischer Fortbildung des im schlafmedizinischen Netzwerk eingebundenen Zahnarztes.n Dr. Dagmar Norden 2. Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Schlafmedizin (DGZS) Praxis am Theaterwall Theaterwall 4, 26122 Oldenburg Foto: FOTO UND BILDERWERK

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