Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 19

TITEL | 37 stressbedingten Gastritis. Die klinischen und laborchemischen Kontrollen blieben unauffällig. Es zeigten sich keine klinischen oder laborchemischen Zeichen einer Superinfektion oder progredienten Ausbreitung des Emphysems. Die Entfernung des verbliebenen Wurzelrests wurde mit dem Patienten ausführlich besprochen. Dieser entschied sich jedoch für eine zeitlich versetzte ambulante Durchführung der Bergung der Radix relicta. Im Rahmen des Entlassmanagements wurde eine körperliche Schonung mit Verzicht auf sportliche Aktivitäten, Fliegen, Tauchen und forcierte Exspiration (zum Beispiel Schnäuzen) für vier Wochen empfohlen. Eine Nikotinkarenz wurde für 14 Tage angeraten. Zudem erfolgte die Umstellung auf eine orale Antibiotikatherapie mit Cefuroxim 500 Milligramm (1-0-1-0) zur Komplettierung einer zehntägigen antibiotischen Abschirmung. Der Hauszahnarzt wurde zur Re-Evaluation eingebunden, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde für sieben Tage ausgestellt. Das klinische Followup zeigte sich unauffällig. Diskussion Klinisch präsentierten sich die typischen Symptome wie subkutanes Krepitus, zervikothorakales Druckgefühl oder Schmerzen im Hals-, Brust- und Schulterbereich [Kanaparthi et al., 2024]. Das Mediastinalemphysem beschreibt das pathologische Vorhandensein freier Luft im Mediastinum. Während spontane Formen (spontaneous pneumomediastinum, SPM) eher selten sind und vor allem bei jungen Erwachsenen ohne erkennbare Vorerkrankung auftreten, entsteht ein Mediastinalemphysem deutlich häufiger sekundär – beispielsweise infolge von Traumata, chirurgischen Eingriffen oder zahnärztlichen Maßnahmen [Rajendran et al., 2020; Talwar et al., 2024]. Dentogene Ursachen werden in der Literatur regelmäßig als Auslöser mediastinaler Luftausbreitung beschrieben [Nozewski et al., 2021]. Die Entstehung eines Mediastinalemphysems im Rahmen eines zahnärztlichen Eingriffs stellt eine seltene, aber potenziell schwerwiegende Komplikation dar, deren Kenntnis für Angehörige der Tätigkeitsfelder Zahnmedizin, Oralchirurgie und Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie essenziell ist. Der hier vorgestellte Fall demonstriert eindrücklich, wie durch die Kombination aus frustraner Zahnextraktion, verbliebenem Wurzelrest und dem Einsatz von Druckluftinstrumenten eine pathologische Luftverlagerung entstehen kann, die sich bis ins Mediastinum ausbreitet. Das mediastinale Emphysem beruht in der Regel auf dem Eindringen von Luft in die tiefen Weichgewebskompartimente. Im dentalen Kontext erfolgt dies meist über die oralen Schleimhäute oder iatrogen eröffnete Knochenstrukturen, wie etwa bei chirurgischen Eingriffen im Molarenbereich. Wird während der Behandlung Druckluft eingesetzt – beispielsweise zur Trocknung oder zur Verbesserung der Sicht – kann Luft entlang natürlicher Gewebespalten (parapharyngeale, retropharyngeale und viszerale Räume) bis ins Mediastinum vordringen [Sepsick et al., 2025]. Die anatomische Kontinuität dieser Strukturen vom Kieferwinkel bis in den Brustraum ist in zahlreichen Studien beschrieben und stellt eine plausible Erklärung für das beobachtete Verteilungsmuster dar [Durukan et al., 2012]. Die Literatur dokumentiert wiederholt Fälle zervikofazialer oder mediastinaler Emphyseme nach zahnärztlichen Maßnahmen, insbesondere im Unterkieferseitenzahnbereich. Die verwendeten Instrumente umfassten zumeist Luftspritzen, Turbinen oder Pulverstrahlgeräte [Sepsick et al., 2025]. zm115 Nr. 19, 01.10.2025, (1587) Abb. 1: Das CT zeigt die zervikofaziale Ausbreitung des Emphysems mit Radix relicta Regio 35: In der koronaren (links) und der axialen (rechts) Schichtführung zeigt sich eine deutliche Infiltration freier Luft im zervikalen Weichteilmantel, insbesondere entlang der lateralen Halskompartimente. In der koronalen Ebene imponiert eine hyperdense Struktur Regio 35, vereinbar mit einem verbliebenen Wurzelrest (Radix relicta). Die mittlere Darstellung (frontaler Knochenfenster-Schnitt) verdeutlicht die Lagebeziehung des retinierten Wurzelfragments im Unterkieferbereich. Es zeigen sich keine Zeichen eines Abszesses oder osteolytischer Veränderungen. Die Luftverteilung lässt auf eine fortgeleitete Luftinsufflation über anatomische Spalträume schließen. Foto: Bundeswehrkrankenhaus/Florian Dudde Abb. 2: Kontrastmittel-gestützte CT des Thorax in axialer und sagittaler Ebene (Weichteilfenster links und rechts, Knochenfenster mittig): In sämtlichen Schnittebenen zeigt sich eine ausgedehnte Luftansammlung im mediastinalen Weichgewebe (Mediastinalemphysem). Die Luftverteilung ist vor allem prätracheal, peritracheal und parasternal betont. Die Lungen erscheinen unauffällig belüftet ohne Hinweise auf Infiltrate oder Pneumothorax. Es bestehen keine Hinweise auf vaskuläre Verletzungen, eine Ösophagusruptur oder knöcherne Läsionen. Foto: Bundeswehrkrankenhaus/ Florian Dudde

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