52 | ZAHNMEDIZIN zm115 Nr. 19, 01.10.2025, (1602) FALLBERICHT AUS DEM DGZ-JUNIORSPEZIALISIERUNGSPROGRAMM Restaurative Versorgung bei Amelogenesis imperfecta Anton Schestakow, Michael Franken Für Betroffene von Amelogenesis imperfecta (AI) beginnt der Kampf um Zahnerhalt nicht im Alter, sondern mit dem ersten Milchzahn. Neben funktionellen Beeinträchtigungen treten häufig ausgeprägte Hypersensibilitäten sowie ästhetische Einschränkungen auf, die insbesondere im Kindes- und Jugendalter einen erheblichen psychosozialen Leidensdruck verursachen können. Auch aus der Behandler-Perspektive stellt die AI daher eine besondere Herausforderung dar. Im Folgenden werden zwei Fälle vorgestellt, die unterschiedliche Phänotypen sowie individuelle Versorgungskonzepte veranschaulichen. Patientenfall 1 Ein elfjähriger Junge stellte sich im Februar 2023 erstmals in der Ambulanz der Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und präventive Zahnheilkunde des Universitätsklinikums des Saarlandes vor. Hauptanliegen war die dunkle Zahnfarbe, aufgrund derer der Patient in der Schule gehänselt wurde. Als Geflüchteter aus Syrien ohne Deutschkenntnisse wurde er bei den ersten Terminen durch einen Dolmetscher begleitet. Die Familienanamnese war unauffällig. Allgemeinmedizinisch bestand eine anhaltende Nasenatmungsbehinderung infolge einer früheren Nasenbeinfraktur. In der speziellen Anamnese wurden Hypersensibilitäten gegenüber Kälte sowie ein ausgeprägter Würgereiz angegeben, was sich negativ auf die Mundhygiene auswirkte. Klinisch zeigte sich ein kariöses Wechselgebiss mit generalisierten Verfärbungen und rauer Schmelzoberfläche. Mehrere Milch- und bleibende Zähne wiesen aktive kariöse Läsionen auf. Zahn 64 war zusätzlich druckdolent und gelockert, mit einer vestibulären Schwellung der Gingiva. Zudem bestanden eine Mittellinienabweichung, ein Overbite von vier Millimetern und ein Overjet von elf Millimetern (Abbildung 1). Extraoral fiel ein fliehendes Kinn mit inkomplettem Lippenschluss und hyperaktivem Musculus mentalis auf. Röntgenologisch waren alle Zähne angelegt, der Zahnschmelz zeigte jedoch eine reduzierte Opazität (Abbildung 2). Eine genetische Abklärung wurde von den Erziehungsberechtigten aus ethischen Gründen abgelehnt. Auf Grundlage des klinischen und des radiologischen Befunds wurde die Verdachtsdiagnose einer isolierten AI gestellt und als hypomineralisierter Typ klassifiziert [Witkop, 1988]. Differenzialdiagnosen wie eine Fluorose oder syndromale Formen konnten ausgeschlossen werden. Ziel der Therapie war einerseits die Verbesserung der Ästhetik, andererseits die Reduktion der Kariesaktivität. Eine interdisziplinäre Vorstellung beim Kieferorthopäden ergab eine a
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=